"Jüdisches Museum: Nemmouche zu lebenslanger Haft verurteilt", heißt es bei Le Soir in der Balkenüberschrift.
Für die meisten Zeitungen war es in der Nacht schon zu spät, um die Entscheidung der Geschworenen zum Strafmaß im Prozess um den Anschlag auf das Jüdische Museum in Brüssel noch zu vermelden. Der Hauptangeklagte Mehdi Nemmouche wurde zu lebenslanger Haft verurteilt - so wie die Staatsanwaltschaft es gefordert hatte. Der als Komplize mitangeklagte Nacer Bendrer kam mit 15 Jahren davon. Damit blieben die Geschworenen unter dem geforderten Strafmaß von 30 Jahren.
Zu den Forderungen der Staatsanwaltschaft kommentiert L'Avenir: Lebenslang - keine andere Strafe hätte man sich vorstellen können. Beharrlich hatte Nemmouche während des gesamten Prozesses geschwiegen. So, wie es übrigens auch der Koran empfiehlt. Nemmouche erkennt unsere Gesellschaft, unser Justizsystem nicht an. Beziehungsweise nur die Elemente, die ihm dienlich sind. Im Prozess zum Beispiel sein Recht auf Schweigen. Zu seiner Verteidigung sagte er nichts. Und am Montag kommentierte er lediglich: "Das Leben geht weiter." Das zeigt, dass er nichts bedauert. Und wie jeder Schuldige, der die Schwere seiner Taten nicht anerkennt, kann er nicht auf die Milde der Geschworenen hoffen, schlussfolgert L'Avenir.
Auch La Dernière Heure findet: Schuldig auf ganzer Linie und lebenslänglich für Nemmouche, das ist vollkommen richtig. Und ein wenig glorreiches Ende eines Islamisten, der ausgezogen war, um Ruhm zu ernten. Er ist nicht gestorben beim Kampf gegen die "Ungläubigen", sondern muss sein Leben im Gefängnis beenden. Es ist zu hoffen, dass das ein abschreckendes Beispiel für potentielle Nachahmer ist, notiert La Dernière Heure.
Was ist da in die CD&V gefahren?
Viele Zeitungen beschäftigen sich am Dienstag in ihren Leitartikeln mit der Ankündigung der CD&V, 2024 eine neue Staatsreform zu starten. Le Soir schimpft wie ein Rohrspatz: Was soll denn das jetzt bitte? Ist das die Antwort auf all die Probleme, die unser Land hat? Die CD&V, die bisher als Grundpfeiler der Einheit des Landes galt, biedert sich jetzt der N-VA an. Diese Idee lässt das Schlimmste für die kommende Legislaturperiode befürchten. Die Effizienzprobleme, unter denen unser Land leidet, werden dadurch nicht gelöst. Zumal die OpenVLD-Ministerin Maggie De Block gerade in die andere Richtung argumentiert: wieder hin zu mehr föderaler Kompetenz im Gesundheitswesen. Was ist da nur in die CD&V gefahren?, fragt kopfschüttelnd Le Soir.
Ähnlich harsch kritisiert De Morgen: Klimapolitik, Atomkraftwerke, Rentenreform und Haushaltsdefizit - ungelöste Probleme hat unser Land genug. Und nicht selten sind es die komplizierten Strukturen und vielen Entscheidungsebenen, die Lösungen erschweren. In so einer Situation will die CD&V jetzt alles noch komplizierter machen. Das ist fast schon zynisch und zeigt deutlich: In diesem Land gibt es viel zu viele Politiker, die zu viel Zeit haben, um Nabelschau zu betreiben, ärgert sich De Morgen.
Für L'Echo ist klar: Dieser Vorstoß der CD&V zeigt erneut: Flandern hat eine Zukunftsvision. Die frankophonen Belgier hingegen haben sie nicht. Es wäre gut, wenn sich das ändern würde. Denn die Flamen werden weitermachen mit ihren Bestrebungen, den Föderalstaat auszuhöhlen. Bei dieser Debatte eine eigene, frankophone Position zu haben, wäre gut. Denn wenn man nichts will, bekommt man am Ende das, was man nicht wollte, befürchtet L'Echo.
Het Laatste Nieuws analysiert: Indem die CD&V die Konföderalismus-Debatte wieder beginnt, öffnet sie sich deutlich Richtung N-VA. Das Ziel ist klar: CD&V-Chef Wouter Beke möchte, dass N-VA-Chef Bart De Wever nach den Wahlen in Flandern die CD&V als Koalitionspartner wählt. Und nicht, wie gerade erst in Antwerpen geschehen, die SP.A, so Het Laatste Nieuws.
Neue Brexit-Abstimmung - und danach?
Zum Thema Brexit kommentiert De Standaard: Am Dienstag findet also erneut eine Abstimmung im britischen Parlament statt. Wieder einmal sieht es danach aus, als ob Premierministerin Theresa May eine deftige Niederlage kassieren wird. Daran werden auch die kleinen Zugeständnisse der EU nichts ändern, die May am Montag mit Jean-Claude Juncker aushandeln konnte.
Und dann? Vielleicht wird die EU den Briten einen Aufschub gewähren für eine Entscheidung, was sie mit dem Brexit eigentlich machen wollen. Länger als bis zu den Europawahlen darf das aber nicht dauern. Der Brexit, das ist schon seit langem ein innerbritisches Problem. Europa sollte sich jetzt besser auf seine eigenen Probleme konzentrieren. Von denen gibt es viele, erinnert De Standaard.
Brüssel schneidet wieder einmal schlecht ab
La Libre Belgique hält zum Thema Brexit fest: Im Wettbewerb um die Unternehmen, die Großbritannien bei einem Brexit in Richtung Kontinent verlassen wollen, schneidet Brüssel bislang schlecht ab. Wieder einmal sind wir Belgier zu passiv. Wieder einmal unterstützt die föderale Ebene fast überhaupt nicht die Interessen der Hauptstadtregion. Das ist schlecht, denn hier geht es um wichtige Investitionen und Arbeitsplätze, beklagt La Libre Belgique.
Kay Wagner