Die "Ups" und "Downs" im Londoner Westminster oder in der Brüsseler Rue de Loi hätten diese Woche jeden Weihnachtsvierteiler geschlagen. Zur Information für die Jüngeren: Das waren regelrechte Straßenfeger, als es nur eine Handvoll Fernsehkanäle gab und Serien noch nicht im Binge-Watching über zwei Tage und Nächte am Stück geschaut wurden. Der Reiz lag in der Erwartung, was wohl der nächste Abend bringen möge.
Ob das auch für den Livestream aus dem Eupener PDG in dieser Woche galt, sei dahingestellt. Für denjenigen, der nur mal reinswitchte oder sich gleich das volle Programm anschaute, bot der Haushaltsmarathon viel Aufschlussreiches. Inhaltlich: von der langfristigen Finanzplanung über die Kinderbetreuung und Bildung bis zur Seniorenpolitik, so wie es guter Brauch ist bei einer solchen Haushaltsdebatte. Und auch formal: darüber, wie die einzelnen Mandatare ihre Rolle in diesem hohen Haus wahrnehmen und ausfüllen.
Im Großen und Ganzen war von einer guten Streitkultur die Rede. Es gab aber auch Gegenbeispiele, bei denen sich die Redner allen Ernstes auf Hörensagen und Gerüchte beriefen. Hallo? Manches, was in den letzten Tagen im Plenarsaal zu hören war, geht auf keine Kuhhaut, wie es die Medienministerin in ihrer Replik umschrieb. Von meiner Warte kann ich das unter anderem für die Bemerkungen von CSP oder Vivant zum BRF sagen.
Demokratie braucht aber den Disput und eine sachbezogene, zielgerichtete Auseinandersetzung. Das führt mich vom PDG zu den anderen Parlamenten, die uns in dieser Woche in ihren Bann gezogen haben.
Bekommt er das Vertrauen oder nicht, der Charles Michel mit seiner Minderheitsregierung? Statt sich über das Angebot eines größeren Einflusses bei der Suche nach Wechselmehrheiten zu freuen, machten die Kammerabgeordneten daraus eine Prinzipfrage - in voller Kenntnis der möglichen Konsequenzen: nämlich vorgezogener Neuwahlen. Die will (so gut wie) keiner. Und wohl auch nicht das dem Parlament in die Hand gegebene Instrument des konstruktiven Misstrauensvotums. Denn dazu sieht sich niemand in der Lage. Charles Michel sollte sich dann vielleicht doch der Vertrauensfrage stellen. Ohne wird es wahrscheinlich unmöglich, an Wechselmehrheiten zu kommen.
Ein Misstrauensvotum aus ihrer eigenen Partei hat Großbritanniens Premierministerin Theresa May überstanden. Totgesagte leben länger. Einen Ausweg aus der Brexit-Sackgasse bedeutet das noch lange nicht. Aber stellen wir uns mal vor, der Trump-Klon Boris Johnson hätte von May das Ruder übernommen. Was er von Verantwortung hält, hat er schon mehrfach gezeigt. Die Parlamentsmitglieder, die sich nun im Januar über das Ausstiegsabkommen mit der EU aussprechen müssen, sollten sich an ihre Verantwortung erinnern.
So wie die Abgeordneten in allen Volksvertretungen.
Stephan Pesch