"Ich war ein Fan meines Bruders, er war früher auch Beifahrer", beschreibt Martijn Wydaeghe, wie die Leidenschaft für den Rallyesport entstanden ist. "Mein Bruder ist zehn Jahre älter als ich. Als kleiner Mann war ich also schon bei der Ypern-Rallye. Ich glaube, ich war damals acht Jahre alt. Ypern war die erste Rallye überhaupt, die ich live gesehen habe. Und da habe ich mir schon vorgestellt, wie es wäre, das später selbst einmal zu machen ..."
Zum ersten Mal auf dem Beifahrersitz saß Wydaeghe bei der TAC-Rallye Tielt 2012, fuhr dann aber auch relativ schnell in den unteren Klassen der Weltmeisterschaft. 2015 bestritt er seine erste volle Saison in der Junior-WM mit dem Niederländer Mats van den Brand. Nebenbei machte er seinen Abschluss als Krankenpfleger, arbeitete auch in dem Beruf. Seit 2016 ist er aber vollzeit im Rallyesport.
Im Januar kam dann ein Anruf ... "Am Donnerstagmorgen vor der Rallye Monte-Carlo, also drei Tage vor Beginn der Erkundungsfahrten, hatte ich einen Anruf von Thierry. Ich war ein bisschen erschrocken, dass da plötzlich der Name von Thierry Neuville auf meinem Telefon auftauchte. Er hat mich gefragt: Martijn, bist du verfügbar und hast du Lust?"
"Ich habe sofort ja gesagt. Und dadurch war auch nicht wirklich viel Zeit, um großartig nachzudenken oder rumzustressen. Ich habe angefangen, alles fertig zu machen, die Rallye so gut wie möglich vorzubereiten und dann sind wir auch schon nach Monaco gefahren."
Eigentlich ist es unmöglich, die komplexe Rallye Monte-Carlo in so kurzer Zeit vorzubereiten. Martijn Wydaeghe hat nicht nur das geschafft, er ist auch sofort an der Seite von Thierry Neuville aufs Podium geklettert. "Ich wusste, ich habe eine Chance, um Thierry von mir zu überzeugen. Also habe ich diese Gelegenheit mit beiden Händen ergriffen und mein Bestes gegeben. Ich war voll konzentriert, habe allen zugehört und alle Informationen, die ich kriegen konnte, aufgesogen, um meinen Job gut zu machen."
"Die Rallye dann in Monaco auf dem Podium zu beenden, das war etwas ganz Besonderes. Monte-Carlo ist wirklich ein sehr hohes Niveau, eine sehr schwierige Rallye. Und mit einer so kurzen Vorbereitungszeit und unter den Umständen auf das Podium zu fahren, darauf bin ich wirklich stolz. Auch für Thierry war es super-schwierig, sich an einen neuen Beifahrer zu gewöhnen, für den Französisch nicht Muttersprache ist."
Natürlich lief anfangs nicht alles glatt, die Intercom-Sprechanlage im Auto war nicht auf Martijns Stimme eingestellt. "Ich musste fast schreien, damit Thierry mich versteht." Auch an der französischen Aussprache musste er arbeiten. Aber wie Neuville ist auch Wydaeghe ein Perfektionist. "Thierry ist ein echter Topsportler und mit solchen Leuten arbeite ich gerne zusammen. Immer pünktlich, jedes Detail zählt, er ist anspruchsvoll. Die Messlatte liegt sehr hoch. Das gefällt mir."
Gänsehaut-Momente
Highlight des Jahres ist die Ypern-Rallye, die zum ersten Mal zur Weltmeisterschaft zählt. "Bei dem Gedanken bekomme ich immer noch Gänsehaut. Die Wertungsprüfungen sind 15 Kilometer von meinem Heimatort entfernt, wo meine Eltern leben. Ich kenne die Gegend sehr gut. Und im ersten Jahr mit Thierry den ersten WM-Lauf in Belgien in Ypern fahren zu können, das ist ein Traum, der wahr wird. Dafür habe ich in den letzten Jahren so hart gearbeitet."
Zum Ausgleich steigt Martijn Wydaghe aufs Fahrrad. "Sport ist mir sehr wichtig. Das hilft mir, den Druck und den Stress, den wir manchmal während der Rallyes erleben, abzubauen. Und es ist natürlich auch gut für die Kondition. Es stimmt, dass wir in diesem Jahr bisher einen sehr vollen Terminkalender hatten, besonders mit all den zusätzlichen Tests und Rallyes, die wir gemacht haben, um die Zusammenarbeit zu verbessern. Aber jetzt hatten wir eine Woche frei, die letzte Woche. Meine Batterien sind also voll aufgeladen, um in Ypern mit einem Knall loslegen zu können."
Katrin Margraff