Thierry, mit welchem Gefühl geht ihr in die Saison 2020?
"Wie jedes Jahr haben wir hohe Erwartungen an die neue Saison. Auf uns warten 13 Rallyes und jede einzelne davon wird wichtig sein, um so viele Punkte wie möglich mitzunehmen - um dann Ende vom Jahr ganz oben zu stehen."
Letztes Jahr habt ihr das Ziel verpasst und seid Vizeweltmeister geworden. Was muss sich dieses Jahr ändern?
"Es ist immer schwierig zu sagen, was sich ändern muss. Keiner von den Topfahrern hatte eine fehlerfreie oder problemlose Saison. Am Ende hängt es immer davon ab, wenn man bei einer Rallye nicht so viele Punkte sammelt, wie viel deine Hauptkonkurrenten an Punkten mit nach Hause nehmen können. Das kann am Ende vom Jahr die Differenz sein. Zudem hat uns etwas an Performance gefehlt Mitte letzten Jahres, als der Toyota doch bei zwei, drei Rallyes sehr überlegen war. Wobei wir zum Ende hin uns wieder verbessern konnten, wieder sehr nah dran waren und auch Rallyes gewinnen konnten. Das sind so Kleinigkeiten, die am Ende gefehlt haben, um ganz oben auf dem Treppchen zu stehen.
Auch in der Zwischensaison hat es Verbesserungen am Auto gegeben. Was hat sich da getan?
Relativ wenig, die Zeit ist relativ kurz und da besteht nicht wirklich die Möglichkeit, viel am Auto zu verbessern. Aber wie das ganze Jahr über wird auch im Winter am Fahrzeug gearbeitet: Kleinigkeiten, die helfen sollten, etwas an Performance zu finden. Im Großen und Ganzen denke ich aber, dass alle Hersteller zu Beginn der Saison wieder plus minus auf dem gleichen Niveau sein werden. Und wer übers Jahr am meisten weiterentwickelt, sollte dann irgendwann den Vorteil haben.
Was ist denn konkret am Auto verbessert worden?
Generell konnten wir bei den ersten Wintertests im Dezember ein neues Front-Differenzial testen, mit verschiedenen Einstellungen. Wir haben einen neuen Diffusor hinten und eine neue Auspuffanlage, die dabei helfen soll, dass wir etwas mehr Ansaugdruck haben durch den Unterboden, der auch verbessert wurde. Es gab neue Stoßdämpfer, neue Settings, die uns ermöglicht haben, etwas mehr Grip zu finden und etwas mehr Fahrkomfort. Aber das sind wirklich nur sehr geringe Veränderungen.
Seit einem Jahr ist Andrea Adamo jetzt Teamchef. Was hat er geändert?
Man muss sagen, dass Andrea relativ viel in unserem Team verändert hat: was die Struktur des Teams angeht, was die Motivation der Leute angeht und auch wie das Ganze während der Rallyes gemanagt wird. Da hat Andrea einen guten Kontakt zu allen Fahren gefunden. Er hat eine gute Atmosphäre mit ins Team gebracht und vor allem das nötige Händchen dafür, die Leute zu motivieren und von Anfang bis Ende der Saison das Maximum aus jeder einzelnen Person herauszuholen.
Dieses Jahr gibt es auch eine große Änderung: Du hast einen neuen Teamkollegen, den neuen Weltmeister Ott Tänak. Wie kommt ihr miteinander klar?
Das müssen wir mal abwarten. Generell dürfte es keine Probleme geben. Sowohl Ott als auch wir sind Profis und viele Jahre im Motorsport dabei. Wir wissen, was unsere Aufgabe ist und dass das Hauptziel für Hyundai sein wird, den Herstellertitel zu verteidigen. Sowohl Ott als auch ich werden versuchen, den Fahrertitel einzufahren. Da werden wir im Laufe der Saison sehen, wer die Oberhand hat. Ich denke, wir sind gut gewappnet. Wir kennen das Team mittlerweile sehr gut, das Auto liegt uns auch gut und wir waren immer schnell unterwegs. Die letzten Jahre waren wir immer vorne mit dabei. Es wird sicherlich wieder eine spannende Sache zwischen Ott, Ogier und uns.
Siehst du dich im Vorteil, weil du das Team schon kennst?
Ich weiß nicht, ob es wirklich Vorteile gibt. Bei Hyundai ist es immer so gewesen, dass jeder das gleiche Material bekommt und die gleichen Informationen, also da gibt es keine Vorteile. Aber trotzdem denke ich, dass wir das Maximum aus unserem Hyundai herausgeholt haben über die letzten Jahre. Und wenn wir das dieses Jahr auch wieder machen, müssten wir theoretisch vor Ott liegen.
Tänak wird wahrscheinlich etwas Anpassungszeit an das Auto brauchen. Wie schnell kann das gehen?
Das kann etwas dauern, kann aber auch relativ schnell gehen. Die Autos sind doch plus minus alle auf gleichem Niveau. Ich denke, vom Fahrgefühl her gibt es auch nicht wirklich viele Unterschiede. Jedes Fahrzeug hat ein bisschen seine eigene Charakteristiken, wie der Toyota, der viel mehr Anpressdruck hatte und einen kürzeren Radstand. Das sind so Sachen, die dann vielleicht etwas ändern. Aber im Großen und Ganzen schien Ott nach den ersten Tests relativ zufrieden mit unserem Fahrzeug. Das müssen wir mal abwarten. Die Monte-Carlo ist eine spezifische Rallye, es ist nicht immer der Schnellste, der gewinnt. Die Reifenwahl ist dort sehr kritisch und man muss das gewisse Quäntchen Glück haben. Die Schweden-Rallye hängt auch von den Bedingungen ab und der Streckenposition. Man muss abwarten bis nach der Rallye Portugal, und dann sehen wir, wer sich besser im Fahrzeug fühlt.
Als Erstes kommt Monte-Carlo. Du hast diese Rallye noch nie gewonnen, auch wenn es letztes Jahr ultra-knapp war. Das Ziel lautet also, endlich mal ganz oben auf dem Treppchen zu stehen?
Die letzten Jahre haben wir des öfteren auf dem Podium gestanden. Letztes Jahr haben wir im finalen Sprint in der Power Stage leider den Kürzeren gezogen gegen Ogier, der wahrscheinlich etwas bessere Reifen hatte und vielleicht auch ein bisschen mehr Risiko genommen hat. Aber trotzdem lagen wir nach Schweden wieder vor Ogier. Wenn man in Monte-Carlo gewinnt, hat man sehr wenig Chancen, in Schweden überhaupt aufs Podium zu fahren. Deswegen ist es nicht unbedingt ein Muss, zu gewinnen. Aber sollte die Situation sich ergeben, werden wir natürlich alles daran setzen, dort unseren ersten Sieg einzufahren.
Gibt es bis dahin noch Testfahrten?
Ja, die Testfahrten stehen nächste Woche an. Sonntags geht es los mit Sébastien Loeb, danach springen wir ins Fahrzeug. Das sind die letzten Testfahrten vor der Rallye. Ansonsten verbringen wir noch zwei, drei Tage in den Werkshallen bei Hyundai in Frankfurt, wo wir etwas am Auto schrauben werden, um uns nochmal alles richtig einzuprägen, und für die alljährlichen Fotoshoots für die Presseveröffentlichungen und um die neuen Farben zu zeigen.
Hast du über Weihnachten auch Zeit gehabt, ein bisschen mit der Familie zu entspannen?
Dieses Jahr war eins der ersten Jahre, wo ich knapp zehn Tage hatte, wo wirklich gar nichts lief. Wir haben uns die Zeit genommen, etwas relaxter zu machen. Das tut sicherlich gut. Die Batterien sind wieder geladen und wir können jetzt voll in die Saison starten.
Katrin Margraff