"Wir verlieren unsere Kinder" ist der Titel eines Bestseller-Sachbuchs, das die deutsche Schulleiterin Silke Müller geschrieben hat. Und der Untertitel "Gewalt, Missbrauch, Rassismus – Der verstörende Alltag im Klassenchat" macht auf einen Blick klar, worum geht.
Auch er sei wirklich schockiert gewesen von dem, was Müller an Beispielen aus ihrem Alltag aufführt, erklärt Pascal Arimont. Nicht nur wegen der furchtbaren Inhalte an sich. Er sei immer davon ausgegangen, dass die Plattformen schon einiges täten, damit Kinder beispielsweise nicht pornografischem oder gewaltverherrlichendem Material ausgesetzt würden. "Ich musste aber feststellen, dass alles zu jeder Zeit für alle Altersklassen im Netz einsehbar ist."
Deswegen hatte er die Autorin schon im letzten Jahr für einen Vortrag nach Eupen eingeladen und sich dann gedacht: "Das musst du auch in Brüssel zur Sprache bringen, mit den Plattformen diskutieren und mit der Europäischen Kommission, die dazu einen Gesetzesvorschlag schreiben soll".
Stumpfes Schwert
Denn die aktuelle Gesetzeslage stellt sich wie folgt dar: Seit 2022 gilt in Europa der sogenannte "Digital Services Act" (DSA). Damit seien den Konzernen zum ersten Mal in der Geschichte Verpflichtungen auferlegt worden, unterstreicht Arimont. Artikel 28 dieses Gesetzes schreibe den Plattformen vor, Schutzmechanismen einzuführen, um Kinder vor schädlichen Inhalten zu bewahren. "Mein Verständnis nach Lektüre des Buches war es, dass dieser Artikel 28 nicht greift, dass er ein stumpfes Schwert ist."
Und dieses stumpfe Schwert müssen wir selbst schärfen oder schärfen lassen von den dafür zuständigen Institutionen, denn "die Social-Media-Plattformen regeln das Problem nicht von sich aus, also müssen wir sie dazu zwingen", sagt Arimont. "Und das geht am besten über ein europäisches Gesetz, damit das in allen Ländern in Europa gilt. Und genau das ist das Ziel: dass wir ein solches Gesetz jetzt schreiben, um unsere Kinder besser zu schützen."
Als EU-Parlamentarier darf Arimont aber weder selbst Gesetze schreiben noch vorschlagen - das darf nur die Europäische Kommission. Allerdings kann das Parlament über sogenannte Anhörungen auf Missstände aufmerksam machen und das Bewusstsein dafür stärken bei den Verantwortlichen, und dadurch zum Beispiel Druck auf die Kommission aufbauen, damit die entsprechend aktiv wird.
David gegen Goliath
Genau so eine Anhörung hat Arimont nun Ende Januar organisiert, Silke Müller trat dabei als Hauptrednerin auf, um die Gefahren eindringlich zu schildern, die Kindern im Internet drohen. "Die Kommission war auch da. Ich werde die Kommission jetzt ständig daran erinnern, dass sie einen neuen Text zu schreiben hat."
Allerdings darf man trotzdem auch nicht mit einer Blitzlösung des Problems rechnen. Erfahrungsgemäß dauere ein europäisches Gesetzgebungsverfahren ein bis drei Jahre, erklärt Arimont. Aber es sei wichtig, das schon jetzt anzustoßen, damit die Weichen gestellt seien, um das in der nächsten Legislatur umzusetzen.
Denn das Ziel sei ja, möglichst schnell wirksame Mechanismen zum Schutz der Kinder und Jugendlichen im Internet zu bekommen. "Das ist vielleicht der Kampf von David gegen Goliath. Aber wenn keiner etwas tut, wird sich nie etwas ändern, dann machen die Plattformen so weiter wie bisher."
Boris Schmidt
Das Problem könnte ganz einfach, ohne EU, gelöst werden. Die sogenannten 'social media' Plattformen sind kommerzielle Betriebe, die aber kein Produkt anbieten sondern alles unternehmen um die Leute auf der Plattform zu halten, um ihre Werbung absetzen zu können. Wenn in diesem Sinne Kinder angesprochen werden, dann ist das ja eine Form von nichtgenehmigter Kinderarbeit, mit der man Geld schürft. Da ist der Hebel, den man ansetzen muss, um diesem Treiben einen Riegel vorzuschieben. Wenn für jeden 'Kindereinsatz' dem Kind und seiner Familie eine Werbepauschale zugestanden wird, als Mitwirkenden per Gesetz, dann hört das Treiben garantiert sehr schnell auf ! Die Politik, die es ernst meint mit dem Kinderschutz muss da ansetzen, wo es den Firmen ans eigene Geld geht ! Alles andere ist purer Wahl-Aktionnismus der als Beruhigungspille verteilt wird !