Glaubt man der Ecolo-Fraktion, rumorte es schon seit einiger Zeit zwischen den beiden Mehrheitsparteien. Ecolo-Schöffe Ulrich Deller betont, dass es in den letzten Monaten vermehrt zu Verstimmungen gekommen sei. Und die haben wohl in der Akte um die Schule Lichtenbusch ihren Höhepunkt gefunden: "In diesem Zusammenhang gab es sehr viel hin und her. Es gab den Hinweis, dass wir ein Grundstück haben, dann wieder keins. Dann tauchte plötzlich irgendwo ein Grundstück auf, von dem ganz viele wussten. Bis zu dem Punkt, dass wir letztlich ein Grundstück haben. Der Bürgermeister hat mit dem Eigentümer auch Verhandlungen geführt. Der Eigentümer ist erstaunt, dass der Bürgermeister ihn nicht nochmal angesprochen hat. Und in dieser Zeit hat "Mit uns", ohne sich mit Ecolo abzustimmen, entschieden "Wir machen das, es gibt keine Schule in Lichtenbusch. Punkt. Und ihr habt euch zu fügen"."
Dieser Darstellung widerspricht Erwin Güsting, seines Zeichens noch amtierender Bürgermeister der Liste Mit Uns: "Ich habe letzte Woche in der Diskussion gesagt, dass wir nach außen gehen und auch mit den Kollegen der CSL über unseren Standpunkt debattieren, um dann im Gemeinderat die Entscheidung zu treffen, was man in Lichtenbusch macht. Da hätte das Resultat sein können, dass man eine Schule baut, und ich wäre der letzte gewesen, der dagegen gewesen wäre."
Man hätte in einer mehrheitsoffenen Diskussion im Gemeinderat über die Akte abstimmen können. Dazu ist es im Endeffekt gar nicht gekommen, wie Ulrich Deller unterstreicht: "Das hatte Herr Leusch vorgeschlagen in einer der letzten Koalitionssitzungen. Das ist von unserem Koalitionspartner abgelehnt worden."
Auch dieser Aussage widerspricht Erwin Güsting. Zwar gab es in der Fraktion "Mit Uns" Uneinigkeit, ob die Schule Lichtenbusch neugebaut werde oder fusionieren solle. Hätte es allerdings eine Mehrheit für einen Neubau gegeben - und das sei offensichtlich der Fall -, hätte sich der Bürgermeister der Entscheidung gefügt. Nun gelten aber neue Verhältnisse. Mit dabei, die CSL um Jérôme Franssen: "Das ist sowas von klar wie Klosbrühe aus unserer Perspektive. Wir haben, als wir im Frühjahr letzten Jahres vernommen haben, dass es Teile innerhalb der Koalition gibt, die diese Schule nicht haben wollen, sondern mit Eynatten fusionieren wollen. Diese Diskussion gab es auch schon vor über zehn Jahren, dass wir gesagt haben "Wir haben jetzt genug, wir wollen, dass die Schule erhalten bleibt". Und diesen Prinzipbeschluss haben wir eingebracht."
Ein Prinzipbeschluss garantiert noch keinen Neubau, die neuen Mehrheitsfraktionen Ecolo und CSL sind aber zuversichtlich. Erwin Güsting zeigt sich hingegen geschockt, dass diese Affäre nun zum Ende seiner Bürgermeistertätigkeit führen wird: "Ja also wahnsinnig überrascht. Ich war heute morgen auf dem Weg, wie tagtäglich, kurz nach sieben Richtung Raeren. Dann bekomme ich den Anruf von Uli Deller, wo er mir mitteilt, dass sie am Wochenende beschlossen haben, die Koalition aufzukündigen, damit die Problematik vom Tisch wäre. Und dass sie dann mit der CSL eine neue Koalition eingehen werden."
Personelle Konsequenzen
Am Freitagabend haben sich CSL und Ecolo zusammengesetzt um inhaltliche und personelle Diskussionen zu führen. Am Donnerstag hatten sich bereits drei Europaabgeordnete, zwei EVP-Mandatare und ein Grüner für den Standort Lichtenbusch ausgesprochen. Ein Zufall, betont Jérôme Franssen rückblickend. Nichtsdestotrotz stehen nach gut 48 Stunden die personellen Konsequenzen bereits fest: "Die Aufgabe des Bürgermeisters würde ich wahrnehmen. Wir stellen ebenfalls drei Schöffen. Das ist dann Mario Pitz, Naomi Renardy und Tom Simon."
Sein Mandat als PDG-Abgeordneter wird Jérôme Franssen somit aufgeben, Vorsitzender der CSP-Partei wird er auch weiterhin bleiben. Erwin Güsting wird gemeinsam mit seiner Fraktion die Oppositionsrolle einnehmen müssen. Sichtlich enttäuscht spricht er von einem politischen Spiel, von Machtgehabe. Auch fürchtet er um das Bild für Raerens Gemeindepolitik: "Ich kann dazu nur sagen, dass die Kollegen von der CSL gut darüber nachdenken sollen, bevor sie die Unterschrift unter einem Misstrauensantrag stellen. Und sich in Raeren mal darüber im Klaren sind, welchen Schritt sie da gehen. Was sie da historisch für die Deutschsprachige Gemeinschaft tun. Das hat es noch nie gegeben."
Die Ecolo-Fraktion hat ihre Entscheidung in einem hochemotionalisierten Kontext getroffen. Die Standpunkte gegenüber einem Neubau der Schule Lichtenbusch sind dadurch nur geringfügig klarer geworden. Die Verhältnisse im Gemeinderat haben sich hingegen entscheidend verändert.
Andreas Lejeune
Raeren verliert einen außerordentlich empathischen und engagierten Bürgermeister der ALLESfür seine Bürger was ihm möglich war. Für jede Sorge seine Bürger hatte er ein offenes Ohr.
Ob Jerome Franssen diesen Fußabdruck ausfüllen kann wird die Zukunft zeigen.
Das nenne ich schlechten Politikstil, den Herrn Güsting einfach anrufen und vor vollendete Tatsachen stellen. Ein persönliches Gespräch wäre besser gewesen. Wäre ein Zeichen des Mutes und Respekts gewesen.
Das ist mal wieder ein gutes Beispiel für ausgeprägte Postenjägerei und Machtgier.
Über die Art und Weise der Aufkündigung der Koalition kann man sicher geteilter Meinung sein, aber was genau ist daran “Postenjägerei und Machtgier” und von wem?
Ecolo beansprucht weder das Bürgermeisteramt noch zusätzliche Schöffenämter und eine Gier nach mehr Macht ist hier nirgends zu erkennen.
Hauptsache akribisch gepflegten Ressentiments gegenüber Politikern kann fast täglich Luft gemacht werden und vorgefasste Klischees finden im Tunnelblick ihre Bestätigung, egal ob begründet oder nicht.
Daß sich eine Koalition, egal wo und in welcher Konstellation, wegen elementarer Differenzen auflöst, ist je nach politischem Standpunkt, manchmal bedauerlich, aber Teil eines ganz normalen politischen Prozesses.
Dabei Politikern wieder pauschal Pöstchenjägerei und Machtstreben vorzuwerfen (was im vorliegenden Fall definitiv falsch ist) untergräbt das Ansehen der Demokratie.
Es wird oft beklagt, daß im politischen Prozess Dilettantismus vorherrscht. Wenn aber jeder, der politische Verantwortung übernimmt, pauschal als geldgeiler Pöstchenjäger verunglimpft wird, braucht man sich nicht wundern, wenn immer weniger kompetente Menschen sich in der Politik engagieren.
Ich glaube, der Wechsel wird Raeren gut tun. In meiner Wahrnehmung ist Herr Güsting ein „Fähnchen im Wind“ gewesen, mit wenigen Ecken und Kanten.