Dass es sich bei der Raumordnung um eine ebenso komplexe wie umfangreiche Materie handelt, wurde am Mittwochabend in St. Vith deutlich. Experten aus mehreren Ländern erklärten, wie ihre Regionen mit dem Thema umgehen.
Wer glaubt, dass sich in Ostbelgien schnell etwas verändert, wenn die Deutschsprachige Gemeinschft für die Raumordnung zuständig ist, wird wohl enttäuscht. Raumordnung denkt in Jahrzehnten. Auch der Weg zu neuen Raumordnungsbestimmungen ist lang. Südtirol in Italien hat gerade erst seine Raumordnungsgesetze erneuert. Vier Jahre hat der Prozess gedauert. Und so wird die DG ab dem 1. Januar 2020 in jedem Fall zunächst die wallonische Gesetzeslage zur Raumordnung eins zu eins übernehmen. Vor Veränderungen in den Gesetzen muss nämlich klar sein, wohin sich der Raum entwickeln soll. Karina Pallagst ist Professorin für Internationale Planungssysteme im Bereich Raumplanung an der TU Kaiserslautern. Sie mahnt, das große Ganze im Blick zu halten.
Damit werden wohl auch all die enttäuscht, die glauben, dass mit der Zuständigkeitsübertragung über Nacht alles schneller und einfacher wird. Frei nach dem Motto "Ist die DG zuständig, darf ich eher nach meinen Vorstellungen bauen". Nein, Raumordnung hat höhere Ziele.
Schlagworte wie Nachverdichtung von Siedlungsgebieten oder der Kampf gegen Zersiedelung bleiben somit aktuell. Der Trend weg von der geräumigen freistehenden Villa auf großem Grundstück hin zu kleineren, kompakten Wohneinheiten wird wohl bestehen bleiben. Schon die EU sorgt mit ihren Richtlinien dafür, dass sich der Mensch nicht endlos in der Natur ausbreitet. Neue Nutzgebiete dürfen nur dann erschlossen werden, wenn andere Nutzgebiete der Natur zurückgegeben werden.
Expertengremium
Gerade wenn raumplanerische Entscheidungen auf kleiner, also kommunaler Ebene, getroffen werden, dürfe die Politik die Raumplanung nicht den Interessen eines einzelnen Bauherren opfern. Das weiß Josef Mathis aus dem Vorarlberg in Österreich. Er war dort selbst lange Bürgermeister von Zwischenwasser.
Südtirol setzt dazu auf ein Expertengremium. Fachleute geben Empfehlungen und erhalten darüber eine wichtige Mitsprache. Es braucht dann aus der Politik schon sehr gute Argumente, um sich eventuell gegen die Meinung der Experten zu stellen. Trotz aller Expertise müsse man auch die Bürger einbeziehen, findet Josef Mathis. In Vorarlberg geschieht das über eigene Bürgerräte.
Die Deutschsprachige Gemeinschaft und ihre Gemeinden stehen jetzt erst am Anfang, ihr eigenes Konzept zur Raumplanung festzuschreiben. Die Beispiele aus Österreich und Südtirol können da als Inspirationsquelle nur helfen.
Olivier Krickel