Es kann nur spekuliert werden, warum es nach den EU-Gipfel-Beschlüssen relativ ruhig blieb in der belgischen Politik. Liegt es an den Schulferien in der Französischen Gemeinschaft? Daran, dass es die ganze Woche über eigentlich so aussah, als ob auch die Föderalpolitiker mit den Schulkindern der Französischen Gemeinschaft zusammen im Ski-Urlaub seien? Oder daran, dass es sich Donnerstag lediglich um Grundsatzbeschlüsse handelte und die Details noch nicht klar sind?
Oder war es die fehlende Orientierung, die Premierminister Bart De Wever eigentlich auf einer Pressekonferenz nach dem Gipfel zu den Beschlüssen hätte geben sollen? Eigentlich gibt jeder der Gipfel-Teilnehmer für die Pressevertreter seines Landes immer noch ein sogenanntes nationales Briefing. Bei De Wever fiel dieses Briefing aus, weil er sich schon vor Ende des Gipfels verabschiedet hatte - aus dringenden persönlichen Gründen, wie es hieß. Seitdem blieb De Wever verschwunden.
Auch den Journalisten von VRT und RTBF schien Freitagvormittag etwas der Mut zu fehlen, bei ihren geladenen Gästen im Studio genau nachzufragen. Bei der RTBF war immerhin Hadja Lahbib zu Gast, Belgiens ehemalige Außenministerin, jetzt bei der EU-Kommission als Kommissarin verantwortlich für Krisenmanagement. Eine Krise hatte die EU Donnerstag hervorragend gemeistert, wie einige Zeitungen Freitag urteilten.
Was sagte Lahbib? "Wichtige Entscheidungen sind gestern Abend getroffen worden. 800 Milliarden Euro. Ein Fonds, der es der Europäischen Union erlaubt, sich wieder zu bewaffnen. Der es ihr aber vor allem erlaubt, ihre Werte zu schützen." Eine sicher nicht falsche Analyse. Doch Begeisterung hört sich anders an. Mehr gab es dann zum Thema EU-Gipfel nicht von Lahbib zu hören.
Die VRT hatte Verteidigungsminister Theo Francken zu Gast. Da ging es nicht nur pauschal um die 800 Milliarden Euro, die laut Francken auch wirklich nötig seien, sondern auch um die 150 Milliarden Euro, die die EU-Kommission selbst über ein eigenes Programm zur Verfügung stellen möchte. "Ich finde das gute Beschlüsse", sagte Francken und kündigte an "Belgien wird sich daran gebührend beteiligen". Donnerstag habe er dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj bereits eine Milliarde Euro neuer belgischer Unterstützung zugesagt, sagte Francken auch. Aber das war schon vor dem EU-Gipfel gewesen. Letztlich sagte auch Francken wenig zu den Ergebnissen von Donnerstagabend.
Bis in den Nachmittag hinein weiter keine Neuigkeiten von De Wever. Auch keine andere Regierungspartei formulierte irgendeine Stellungnahme.
Reaktion aus Opposition
Aus der Opposition veröffentlichten immerhin die flämischen Liberalen von der Open VLD eine Pressemitteilung. Sie loben die Beschlüsse des Gipfels in Bezug auf die weitere Unterstützung der Ukraine und das Vorhaben für eine europäische Verteidigung, kritisieren dagegen, dass alles über neue Schulden geschehen soll. Es wäre besser, das Geld durch Sparmaßnahmen an anderer Stelle aufzubringen, regt die Open VLD an.
Vielleicht wird es in zwei Wochen mehr Reaktionen geben. Dann will die EU-Kommission auf dem planmäßigen EU-Gipfel im Detail erklären, wie die 800 Milliarden Euro für Verteidigungsausgaben genau erreicht werden können. Dann wird auch Bart De Wever vielleicht Zeit haben, eine erklärende Pressekonferenz nach dem Gipfel zu geben.
Kay Wagner