Einige Abgeordnete wollten von De Croo mehr zu dem erfahren, worüber der Premier mit Tshisekedi gesprochen hatte und für welche Ziele sich Belgien künftig im Kongo einsetzen wird. Der Austausch dauerte nur knapp 20 Minuten. Doch die reichten aus, um die Komplexität der Beziehung zwischen Belgien und seiner ehemaligen Kolonie Kongo deutlich werden zu lassen - in den Worten, die gesprochen wurden, und durchaus auch in der Art und Weise, wie sie gesprochen wurden.
Ruandas Bedeutung in dem Konflikt
Zunächst richtete sich der Blick in den Osten des Kongo. Dort ist seit zwei Jahren die Rebellengruppe der M23 wieder aktiv. Sie soll von Kongos Nachbarland Ruanda unterstützt werden. Ruanda ist übrigens auch eine ehemalige belgische Kolonie. Doch die Sympathien der belgischen Politiker scheinen in dem Konflikt ziemlich klar angesichts des Leids der Zivilbevölkerung. "Die Situation dort ist dramatisch", sagte der PS-Abgeordnete André Flahaut. Und fügte hinzu: "Die Bilder, die man täglich von dort sehen kann, sind genauso schrecklich wie die Bilder aus Gaza und der Ukraine."
Für Flahaut, aber auch für Guillaume Defossé von Ecolo und François De Smet von Défi scheint die Schuld an dieser dramatischen Situation klar bei Ruanda zu liegen - weshalb sie von De Croo Sanktionen gegen Ruanda forderten. De Smet ging sogar noch einen Schritt weiter. "Können Sie öffentlich hier vor dieser Versammlung erklären", fragte er De Croo, "dass der Internationale Strafgerichtshof dringend angerufen werden muss, so wie es der Kongo fordert, um die genaue Rolle von Ruanda zu klären bei den Angriffen der M23 und den Verbrechen, die verübt werden?"
Kritik an Abkommen mit Ruanda
Mit Ruanda hat die EU-Kommission erst vor Kurzem ein Abkommen unterzeichnet, bei dem es um den Handel mit seltenen Erden und Mineralien geht. Auch dieses Abkommen wurde kritisiert. Denn Ruanda steht unter Verdacht, die seltenen Erden und Mineralien, mit denen es handelt, illegal aus dem Ostkongo nach Ruanda zu holen. Die bewaffneten Konflikte und das dadurch entstehende Chaos erleichtere diese Praxis.
Michel De Maegd von der MR lenkte die Aufmerksamkeit aber auch noch auf die Lage im Kongo selbst. Er fragte den Premier: "Haben Sie mit Nachdruck darauf hingewiesen, wie wichtig es für die politische Klasse im Kongo ist, sich dringend um das Wohlergehen der eigenen Bevölkerung zu kümmern? Die unter der Korruption leidet, unter dem Fehler von Infrastruktur, von Energie und unter einem schwach ausgebildeten Gesundheitssystem."
Fünfminütige Antwort von De Croo
De Croo ging auf alle Fragen in seiner knapp fünfminütigen Antwort ein. Stellte Sanktionen gegen einzelne Personen aus Ruanda in Aussicht, aber nicht im Alleingang. Und ja, das EU-Abkommen mit Ruanda sei unglücklich, sollte aber dazu genutzt werden, Transparenz bei der Herkunft der Mineralien zu schaffen. Das könnte helfen, illegale Geschäfte aufzudecken. Zum Internationalen Strafgerichtshof sagte De Croo nichts. Aber die Bevölkerung und ihre Sorgen habe seine Regierung sehr wohl im Auge. De Croo sagte: "Wenn Belgien dabei helfen kann, die Erwartungen, die es gibt, besser zu erfüllen, dann werden wir das tun in der zweiten und letzten Amtszeit des Präsidenten Félix Tshisekedi."
Die Betonung auf der letzten Amtszeit von Tshisekedi war nicht unschuldig. Zwischen den Zeilen machte De Croo damit klar, dass er wohl weiß, mit wem er es bei Tshisekedi zu tun hat. Während seiner ersten Amtszeit hatte der sich als Machtpolitiker entpuppt, die Hoffnungen der Bevölkerung auf Wandel weitgehend enttäuscht. Blind folgt De Croo deshalb nicht den Forderungen von Tshisekedi. Das war am Mittwoch schon klar geworden. Donnerstag bestätigte De Croo diese Haltung vor den Kammerabgeordneten. Die gaben sich mit De Croos Antworten zufrieden. Und dann folgte das Thema Ukraine in der Fragestunde.
Kay Wagner