Der Wirtschaftsminister Pierre-Yves Dermagne (PS) hat den Nahrungsmittelproduzenten die Pistole auf die Brust gesetzt: Entweder sie kommen mit einer Lösung, um die Preise für die Verbraucher sinken zu lassen. Oder der Staat wird durchgreifen gegen Betriebe, die - zumindest laut Meinung von Sozialisten und PTB - die Inflation missbrauchen, um die Preise abnormal stark steigen zu lassen. Ein Vorstoß nach französischem oder griechischem Vorbild also, den auch die Verbraucherschutzorganisation Test-Achats unterstützt. Selbst der Einzelhandelsverband Comeos warnt, dass die Belgier andernfalls noch häufiger nach Frankreich fahren werden, um ihre Einkäufe dort zu tätigen.
Es ist aber auch ein Vorstoß, der natürlich weder bei den Liberalen noch bei den flämischen Christdemokraten auf viel Gegenliebe stößt. Weswegen der Vorschlag von PS, Vooruit und PTB für eine Deckelung der Preise im entsprechenden Kammerausschuss am Mittwoch auch keine Mehrheit bekommen hat.
Alle Nahrungsmittelproduzenten an den Pranger stellen
Geschlagen geben will sich Dermagne deswegen aber nicht, nun droht er mit dem Pranger. An den will er nämlich ab Mitte Juli öffentlich alle Nahrungsmittelproduzenten stellen, die ihre Preise nicht senken wollen. Eine Drohung, auf die der Verband der Lebensmittelindustrie Fevia vorhersehbar giftig reagiert hat.
Die Fevia wird dabei beispielsweise auch von Professor Xavier Gellynck von der Universität Gent unterstützt, seines Zeichens Ökonom und auf Landwirtschaft und Nahrungsmittelproduktion spezialisiert. Gerade im Nahrungsmittelbereich funktioniere die Konkurrenz eigentlich gut, so Gellynck in der VRT. Absprachen, um die Preise künstlich hoch zu halten, seien hier nicht üblich. Von Wuchergewinnen könne keine Rede sein.
Natürlich könne es nie schaden, wenn der Minister die Praktiken der Betriebe unter die Lupe nehmen wolle, aber seiner Meinung nach seien staatliche Eingriffe weder wünschenswert noch nötig, eben weil die Selbstregulierung des Marktes funktioniere.
Eben weil der Wettbewerb funktioniere, sei es auch gefährlich etwa durch eine Preisdeckelung einzugreifen, das sei wie mit einer Panzerfaust auf eine Mücke zu schießen, so der Ökonom heute auch in der Zeitung Het Nieuwsblad, ständige Rufe nach staatlichem Eingreifen wie etwa auch bei den Sparzinsen der Banken zeigten vor allem eines: Leichtsinn und mangelnde Fachkenntnis.
Andere Gründe
Dass die Preise so hoch sind und womöglich auch in Zukunft bleiben könnten, hat für Gellynck andere Gründe als zu hohe Gewinnmargen der Nahrungsmittelindustrie. Die Nachwehen der Corona-Pandemie, der russische Überfall auf die Ukraine, der Klimawandel, all das wirke sich nun mal auf die Produktion von Nahrungsmitteln und damit auf das Angebot aus. Der Experte sieht bereits weitere dunkle Wolken am Horizont in Form neuer Umweltschutzauflagen wie Stickstoffabkommen, EU-"Green Deal" und die Einschränkung des Einsatzes von Düngemitteln und Pestiziden. All das werde sich zweifelsohne negativ auf das Angebot auswirken - und damit zu höheren Preisen führen.
Das bedeutet aber nicht, dass Gellynck jegliche Art von staatlichem Eingreifen ablehnt. Nur schweben ihm statt einer Deckelung der Preise eher Unterstützungsmaßnahmen à la Energieschecks vor, um die sozialen Folgen abzumildern. Wobei man aber natürlich aus den gemachten Fehlern bitte lernen solle. Dabei hat der Ökonom vor allem einen Aspekt vor Augen. Solche Unterstützungsmaßnahmen müssten gezielt den bedürftigen Bevölkerungsgruppen helfen, nicht breit gestreut und ohne Unterschied allen Menschen. So wie es eben eine allgemeine Preisdeckelung tun würde. Das Ziel müsse nämlich sein, die Kosten für die Maßnahme so niedrig wie möglich zu halten. Denn irgendjemand müsse die Rechnung am Ende ja zahlen...
Boris Schmidt