"Herzlich Willkommen, schön, dass Sie so zahlreich erschienen sind zu einem Thema, das vielleicht nicht jeden Tag, nicht jede Woche, nicht jeden Monat, vielleicht auch nicht jedes Jahr in der Allgemeinheit diskutiert wird: nationale Minderheiten" - und zwar nationale Minderheiten in Europa und die Frage, ob diese nationalen Minderheiten eine Aufgabe für die EU sind, oder sein sollten?
Ein Thema, bei dem der Eupener André Frédéric Goebels vom GrenzEcho als Moderator gleichsam prädestiniert dazu war, die Diskussionsrunde in der Brüsseler EU-Vertretung des Bundeslandes Hessen zu leiten.
Über die Situation der deutschsprachigen Minderheit in Belgien wurde dann allerdings wenig diskutiert. Vielmehr ging es um die aktuelle Lage der deutschsprachigen Minderheiten in Polen, Ungarn und Italien sowie die Situation der dänischen Minderheit in Schleswig-Holstein.
Vertreterin der dänischen Minderheit zufrieden
Hier zeigte sich nur die Vertreterin der dänischen Minderheit ziemlich zufrieden mit der Lage ihrer Landsleute. Sowohl die Dänen in Schleswig als auch die deutsche Minderheit im Süden Dänemarks hätten wenig Grund zum Klagen. Man respektiere sich gegenseitig, es gibt Rechte für die Minderheiten, ihre Existenz würde nicht in Frage gestellt.
Die Berichte aus Ungarn und Südtirol waren dann schon weniger euphorisch, und sogar von Rückschritten in der Entfaltungsmöglichkeit der deutschen Minderheit in Polen berichtete der Oberschlesier Bernhard Gaida.
Nun ist der Schutz von Minderheiten einer der Werte, auf die sich die Europäische Union gründet. Deshalb fordern Vertreter nationaler Minderheiten schon lange, dass sich die EU gegenüber den Nationalstaaten dafür einsetzt, ihre sprachlich-kulturellen Minderheiten besser zu schützen. Aktuell tut die EU beziehungsweise die EU-Kommission fast nichts in dieser Hinsicht. Denn "aufgrund der Verträge haben die Kommission oder die Union eigentlich keine wirklichen Kompetenzen, da etwas zu tun", erklärte bei der Diskussion Rainer Hofmann, Professor für Völkerrecht an der Universität in Frankfurt am Main. Zwar läuft zurzeit eine Klage gegen die EU-Kommission, um diese Situation zu ändern.
Belgien Hoffnung für Minderheiten in Europa
Wenn diese Klage scheitern würde, könnte Belgien Hoffnung für Minderheiten in Europa bieten. "Was Belgien selbst anbetrifft ist die Situation der Deutschsprachigen Gemeinschaft in Europa vorbildlich. Das gibt es sonst nirgendwo", sagt Hofmann nach der Diskussionsrunde im Gespräch mit dem BRF. "Da scheint mir Belgien wirklich etwas zu sein, was man - also ich bin da jetzt kein wirklicher Kenner - aber mein Gefühl wäre, das wäre ein Exportartikel, den Belgien in der Politik machen könnte."
Das Erfolgsrezept Belgiens gegenüber seiner deutschsprachigen Minderheit liege in der Autonomie, die Belgien den deutschsprachigen Bürgern erlaube. Was begünstigt werde durch den grundsätzlich dezentralen, föderalen Aufbau des Landes. "Wenn ich mit Kollegen und Kolleginnen spreche, die aus zentralistisch geprägten Staaten kommen, hat man das Gefühl, dass Autonomieregelungen verwechselt werden oder gesehen werden als der Anfang einer Sezession. Da wäre gerade Ihr belgisches Beispiel ein wunderbares Gegenbeispiel. Weil das eben eine bewusste Entscheidung war: Wir sind Belgier, wir bleiben in Belgien und wir haben eine gewisse Autonomie."
Diese in einem Volksentscheid getroffene Wahl nach dem Ersten Weltkrieg, zu Belgien und nicht zu Deutschland zu gehören, sei ein wichtiges Element für den aktuellen Status der Deutschsprachigen in Belgien. "Weil eben für die - das hört sich blöd an - anderen Belgier, also 99 Komma irgendwas Prozent, deutlich wurde: Das sind Menschen, die sich für uns entschieden haben, aber gleichzeitig eben deutlich machen, dass die Zugehörigkeit zu Belgien, zum belgischen Staat nicht bedeutet, dass wir unsere deutsche Sprache aufgeben wollen."
Eine sprachliche Minderheit, die sich klar zu dem Staat bekennt, in dem sie lebt, bekommt von diesem Staat eine gewisse Autonomie, gerade in sprachlicher Hinsicht. In Belgien funktioniert diese Formel. Andere Staaten sollten keine Angst haben, diesem Beispiel zu folgen. "Eine Minderheit, die sich wohlfühlt in dem Staat, in dem sie lebt, die sich integriert fühlt, die sich nicht bedrängt fühlt in ihrer Existenz, die wird diesen Staat als den ihren Staat akzeptieren", sagt Professor Hofmann. Mit so einer Situation könnten dann alle zufrieden sein. Vom Beispiel Belgiens beim Umgang mit der deutschsprachigen Minderheit könnten also viele andere Staaten in Europa lernen - auch ohne Unterstützung der EU.
Kay Wagner