"Ich glaube, dass 2023 in vielerlei Hinsicht ein spannendes, aber nicht unbedingt ein leichtes Jahr werden wird", sagt gleich zu Beginn des Gesprächs Martin Kotthaus, Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Belgien, und begründet seine Einschätzung mit einem Blick zurück: "2022 war ja stark geprägt durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine und die Reaktionen der Welt darauf".
Die Folgen des Krieges würden auch 2023 prägend für das Jahr sein. Hier vor allem alle Fragen rund um die Energieversorgung. Europa habe sich geschworen, sich vom russischen Gas zu trennen. Deutschland habe das geschafft. "Dass wir das machen konnten, lag auch daran, dass wir eben auf andere Quellen ausweichen konnten. Der wichtigste Lieferant ist heutzutage Norwegen. Aber danach konkurrieren Belgien und die Niederlande hart, wer Lieferant Nummer zwei und drei für Deutschland ist."
Wasserstoff, Flüssiggas und Windenergie
Die belgische Regierung habe in ihrer Wasserstoffstrategie bereits angekündigt, dass sie ihre Lieferungen von Wasserstoff nach Deutschland auch weiter ausbauen wolle. Außerdem wird Deutschland von Belgien über Pipelines mit Flüssiggas versorgt und auch bei der Windenergie arbeiten beide Länder zusammen, sodass Kotthaus davon ausgeht, dass das Thema Energielieferung auch in diesem Jahr prägend für die belgisch-deutschen Beziehungen seinen wird. "Also Offshore, Wasserstoff, LNG - da ist sehr viel Musik drin. Da passiert sehr viel."
Auch eine sehr erfolgreiche deutsch-belgische Zusammenarbeit während der Corona-Pandemie nennt Kotthaus mit Blick auf 2023, weil sie trotz der mittlerweile wohl überwundenen Pandemie Chancen birgt, weitere Erfolgsgeschichten zu schreiben. "Letztes Jahr waren der König der Belgier und die Königin in Rheinland-Pfalz. Es gab einen Besuch bei Biontech, wo man noch einmal feststellen konnte, was für positive Ergebnisse aus einer engen belgisch-deutschen Beziehung entstehen können. Biontech hat den Impfstoff entwickelt. Pfizer in Puurs hat ihn hier in Belgien gefertigt. Dadurch wurde das belgische BIP um ein Prozent angehoben. Das ist auch ungewöhnlich. Und Biontech hat auch klar gemacht, dass da noch viele andere Möglichkeiten gegeben sind für die Kooperation und Zusammenarbeit."
Insgesamt werde "das Thema Wirtschaft dominant bleiben" im Verhältnis zwischen Deutschland und Belgien. Nicht nur auf den nationalen Ebenen, sondern auch im Verhältnis der deutschen Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz zu Belgien. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst sei im vergangenen Jahr gleich zweimal in Belgien gewesen. Das sei schon ein deutliches Zeichen, wie wichtig NRW die Zusammenarbeit mit Belgien sei.
"Woche für Deutsch" - Deutschlandjahr
Nach dem Erfolg der "Woche für Deutsch", bei der im Oktober die deutsche Sprache in Belgien über zahlreiche Veranstaltungen gefördert wurde, soll diese Woche für Deutsch auch 2023 wieder stattfinden.
Grundsätzlich erwartet Kotthaus das ganze Jahr über zahlreiche hochrangige Besucher aus Deutschland - wer genau, steht meist noch nicht fest. "Es hat sich auf jeden Fall schon die Bundestagsgruppe, die für Belgien zuständig ist, angemeldet. Also ich glaube, dass wir diesen Besuch jetzt endlich durchführen können, der mehrfach verschoben wurde aufgrund der Pandemie."
Belgien werde dieses Jahr Gastland des Gipfels für Staatschefs der Länder sein, in denen deutsch gesprochen werde. Das sei ebenfalls ein Highlight des neuen Jahres. "Und dann haben wir vor, dieses Jahr ein neues Deutschlandjahr an der Freien Universität in Brüssel zu beginnen." Vorträge über Deutschland und von deutschen Gastrednern, gemeinsame deutsch-belgische Veranstaltungen und Studentenaustausche sollen an der Universität Brüssel das Verständnis für Deutschland verbessern. Zuletzt hatte die Deutsche Botschaft ein solches Deutschlandjahr an der Universität Mons organisiert.
Problemfelder im deutsch-belgischen Verhältnis sieht Kotthaus nicht in 2023. Denn "das deutsch-belgische Verhältnis ist wirklich von großer Offenheit, großer Kooperation und großer Partnerschaft geprägt. Wir haben eigentlich keine Probleme."
Kay Wagner