Schweigeminute in der Kammer. Alle Abgeordneten halten inne. Zum Gedenken an Thomas Monjoie. Der 29-jährige Polizeibeamte war vor genau einer Woche am Brüsseler Nordbahnhof bei einem Anschlag ermordet worden. Kammerpräsidentin Eliane Tillieux erinnerte auch an seinen Kollegen, der bei dem Vorfall verletzt worden war.
Danach ging es für Premierminister Alexander De Croo aber gleich ans Eingemachte. Wütende Fragen musste er sich insbesondere von der Opposition anhören. "Welche Zahlen sind die richtigen? Wer sagt die Wahrheit, Sie, Herr Premierminister, oder doch Ihre Staatssekretärin?", gifteten der Reihe nach Catherine Fonck von Les Engagés, der unabhängige Abgeordnete Jean-Marie Dedecker und Marco Van Hees von der marxistischen PTB.
"Ihre Haushaltszahlen sind auf Sand gebaut und das hat Ihre eigene Staatssekretärin jetzt ans Licht gebracht", sagte auch N-VA-Parlamentarier Sander Loones.
Tatsächlich war es so: In den Dokumenten der Haushaltsstaatssekretärin Eva De Bleeker war von einem Haushaltsdefizit von 35 Milliarden Euro die Rede. Auf Drängen von Premierminister De Croo wurden daraus 33,5 Milliarden. "Ist ja nur ein Unterschied von 1,5 Milliarden Euro", frotzelte sarkastisch Marco Van Hees. "1,5 Milliarden Euro mehr oder weniger, das spielt für Vivaldi anscheinend keine Rolle", zischte auch Jean-Marie Dedecker. "Es sei denn, dahinter verbirgt sich etwas anderes", meint Catherine Fonck von Les Engagés. "Es sei denn, der Unterschied erklärt sich dadurch, dass Sie beschlossen haben, die Mehrwertsteuer auf Energieprodukte doch nicht dauerhaft zu senken."
"Materieller Fehler"
Premierminister De Croo ging zunächst auf den "Zahlensalat" ein. Er bleibt dabei: Es handelt sich um einen "materiellen Fehler", den er natürlich bedauere. Rumoren auf der Oppositionsbank.
Es sei aber ganz einfach, sagt De Croo. "Es wurden nur Korrekturen in den Gesetzeserläuterungen vorgenommen, weil darin Dinge standen, die so nicht im Gesetz und auch nicht in der Notifikation festgehalten waren." Nichts Weltbewegendes, sagt De Croo: Man hat nicht am Gesetz herumgewerkelt, sondern lediglich an den Erläuterungen. "Diese Erläuterungen konnte man so verstehen, dass die Hilfsmaßnahmen permanenter Natur seien. Das sind sie aber nicht. An dem Tag, an dem die Energiekrise abflaut, würden selbstverständlich auch die Hilfen zurückgeschraubt."
"Womit wir bei der Mehrwertsteuer auf Energieprodukte sind", sagte De Croo. Seine Regierung habe immer betont, dass die Senkung auf sechs Prozent nur dann dauerhaft gelten kann, wenn das durch eine Reform der Akzisen ausgeglichen wird. Die Senkung der Mehrwertsteuer auf Energieprodukte müsse eine haushaltspolitisch neutrale Maßnahme sein.
Schuldeneuropameister
Man hört es schon: Spätestens das brachte einige Abgeordnete der Opposition auf die Palme: "Statt der Mehrwertsteuer werden die Menschen also Akzisen zahlen", resümierte Catherine Fonck. "Aber für die Bürger kommt das aufs gleiche raus", fügt Marco Van Hees hinzu.
"Aber, das ist leider noch nicht alles", sagte Sander Loones. "Unabhängig davon, welche Zahl am Ende die richtige ist: Wir sind Schuldeneuropameister", so der N-VA-Politiker. "Kein Land in der EU steht schlechter da. Wir sind nicht die schlechtesten, sondern die aller-allerschlechtesten Schüler in Europa."
Roger Pint
Seriöse Staatsfinanzen waren schon immer ein Problem in Belgien.Zum Glück gibt es die EU.Die klopft ein wenig auf die Finger.
Bei den Zahlen sollten Decroo & Co sich nicht über Vertrauensverlust wundern, es ist die normale Konsequenz von Misswirtschaft.Die Höhe der Staatsverschuldung ist nicht so sehr das Problem, sondern fehlende Konzepte, wie damit umgehen in Zukunft.
Die Zahlen wären noch schlimmer, gäbe es Krieg mit Russland.Was würde es kosten, 20 000 Soldaten in den Krieg zu schicken ?
Bitte nicht vergessen, die Französische Revolution hatte ihren Ursprung auch in einer Krise der Staatsfinanzen.Solche Krisen sind meist der Ausgangspunkt für einen Systemwechsel und die bisherigen Machthaber können sich neue Jobs suchen...
@ Marcel Scholzen,
ich sehe das genauso ! Ein Systemwechsel ist die einzige Lösung... Aber für so eine "Revolution" sitzen wir noch nicht tief genug in der Sch.....
Herr Mausen
Was nicht ist, kann noch werden. Geduld !
Jedes Ding hat seine Zeit.
@M. Mausen
Ich bitte um einen Hinweis, wodurch das jetzige System (parlamentarische Demokratie?) ersetzt werden soll. Durch ein Autokraten oder „starken Führer“ etwa, den sich mittlerweile schon ein nicht unerheblicher Teil der Bevölkerung wünscht?