Die gute Nachricht ist, dass wir - im Vergleich zu 2013 - beim Autofahren weniger mit dem Handy am Ohr telefonieren. Stattdessen sind immer mehr Menschen vernünftigerweise auf eine Freisprecheinrichtung umgestiegen. Die schlechte Nachricht ist, dass wir dafür immer mehr andere Sachen am Handy, Tablet oder sogar Laptop während der Fahrt machen - zum Beispiel irgendwo Wischen oder Scrollen oder Mails und Nachrichten lesen und schreiben.
Das sind die Hauptbefunde einer am Mittwoch veröffentlichten Verkehrsstudie, die das Institut für Verkehrssicherheit Vias 2020 über zwei Monate an rund 160 Orten im Land durchgeführt hat. Die Untersuchung fand auch an unterschiedlichen Wochentagen und zu unterschiedlichen Uhrzeiten statt. Diese neuen Daten wurden dann mit den Gewohnheiten einer Erhebung aus dem Jahr 2013 verglichen. Das Ganze bettet sich ein in eine breitere, noch laufende Untersuchung auf europäischer Ebene, die die gleiche Methodik verwendet.
Art des Fahrzeugs bedeutend
Wie häufig Personen während der Fahrt ihr Handy benutzen, hängt laut den Vias-Beobachtungen unter anderem von der Art des Fahrzeugs ab, das sie benutzen. Fahrer von Lieferwagen benutzen ihr Smartphone oder anderes elektrisches Gerät demnach doppelt so häufig wie Pkw-Chauffeure, so Vias-Sprecher Stef Willems in der VRT. Lkw-Fahrer sogar drei Mal so oft. Konkret waren bei den Beobachtungen sechs Prozent der Lkw-, vier Prozent der Lieferwagen- und nur zwei Prozent der Pkw-Fahrer auf diese Weise abgelenkt.
Eine wichtige Rolle spielt aber nicht nur der Fahrzeugtyp, sondern auch, wo diese Fahrzeuge unterwegs sind. Während es in geschlossenen Ortschaften zwei Prozent der Fahrer sind, die die Finger nicht von den elektrischen Gadgets lassen können, sind es auf Autobahnen zweieinhalb Mal so viel, also fünf Prozent. Stef Willems glaubt auch den Grund dafür zu kennen. Fahrzeugführer schätzen die Risiken auf Autobahnen als geringer ein. Außerdem gebe es dort auch keine Fußgänger oder Radfahrer, auf die man aufpassen müsse.
Das ist natürlich ein gefährlicher Trugschluss. Gerade auf Autobahnen könnten die Folgen eines Unfalls sehr schwer sein, beispielsweise bei Auffahrunfällen durch Unaufmerksamkeit. Diese Problematik ist beim Bedienen oder Lesen eines Bildschirms auch viel größer als etwa beim reinen Telefonieren, weil man eben auch visuell abgelenkt ist. Wenn man hier beispielsweise nur fünf Sekunden mit dem Kopf woanders ist, weil man sich mit dem Gerät anstatt mit der Straße befasst, dann legt man schon etwa 160 Meter quasi im Blindflug zurück. Wenn dann plötzlich ein Stauende vor einem auftaucht, kann es schnell unmöglich werden, noch zu reagieren - mit potenziell tödlichem Ausgang. 50 Menschen sterben jedes Jahr laut Vias wegen Handys im Straßenverkehr - plus circa 4.500 Verletzte.
Regionale Unterschiede
Es gibt auch regionale Unterschiede. In Brüssel etwa benutzen Autofahrer fast doppelt so oft ihr Handy am Steuer wie in der Wallonie, im Vergleich zu Flandern sogar fast vier Mal so oft. Eine mögliche Erklärung für dieses doch signifikant unterschiedliche Verhalten sieht Vias in der Wahrscheinlichkeit, bei diesem Fehlverhalten erwischt zu werden. In Flandern sind nämlich letztes Jahr mehr als drei Mal so viele Strafen wegen Handy am Steuer verhängt worden, wie im Süden des Landes.
Wenig überraschend sieht das Institut für Verkehrssicherheit die Gefahr, erwischt zu werden denn auch als Ansatzpunkt für eine Verhaltensänderung. Dieses Risiko müsse erhöht werden, unterstreicht auch Stef Willems. Etwa durch einen stärkeren Einsatz intelligenter Kameras, die Handynutzung während der Fahrt erkennen können. Besonders an Gefahrenstellen mache deren Einsatz Sinn, etwa an Autobahnbaustellen. Das sei genau die Art von Stellen, an denen Handynutzung sehr schwere Folgen haben könne - beispielsweise wenn Lkw oder Lieferwagen in ein Stauende rasten.
Es gebe auch mobile Kamerasysteme. Wenn dieses in gewissen Abständen an unterschiedlichen Brücken installiert würden, dann erhöhe auch das das Risiko, erwischt zu werden.
Alle Altersgruppen außer Senioren
Das Phänomen Handy am Steuer zieht sich in fast identischem Maß durch alle Altersgruppen von 18 bis 64 Jahren. Nur bei Senioren über 65 Jahren sind kaum solche Verstöße festzustellen.
Männer sind deutlich öfter beim Fahren mit ihrem Handy beschäftigt als Frauen. Ein Zeichen für die grundsätzlich höhere Risikobereitschaft bei Männern, so Vias. Das Gleiche sehe man auch bei Geschwindigkeitsübertretungen und Alkohol am Steuer.
Boris Schmidt