Im flämischen Krippenwesen liegt so einiges im Argen. Diesen Eindruck gewinnt man zumindest, wenn man den Kritikern der aktuellen Zustände zuhört: Zu wenig Mitarbeiter, zu viele Kinder pro Betreuer, was zu viel Stress und schlechten Zuständen in den Krippen führt. Einrichtungen müssen schließen. In anderen kommt es zu schlechter Behandlung der Kinder. Gleich mehrere Missbrauchsskandale in flämischen Krippen lenkten die Blicke der Öffentlichkeit in den vergangenen Monaten auf diese Probleme.
115 Millionen Euro nimmt die flämische Regierung jetzt in die Hand, um im kommenden Haushaltsjahr gegen diese Missstände anzugehen. Das ist bei weitem nicht genug, finden die Betroffenen, die am Mittwoch ihren Unmut auf mehreren Kundgebungen in flämischen Städten kundtun.
Opposition: Regierung tut zu wenig
Das Thema wurde auch am vergangenen Sonntag im flämischen Parlament diskutiert. Was da gesprochen wurde, wirkt bis jetzt nach. Die Oppositionspolitikerin Lise Vandecasteele vom flämischen Zweig der PTB fand harte Worte. Die Regierung tue viel zu wenig für eine Verbesserung der Lage in den Krippen. Dadurch würden Mütter zurück an den Herd gedrängt. Das sei die Folge davon, wenn Krippen schließen, polterte sie.
Noch während Vandecasteele schimpfte, meldete sich die Parlamentspräsidentin Liesbeth Homans von der N-VA zu Wort und ließ das erste Mal das Wort "Väter" erklingen. Noch ließ sich Vandecasteele davon nicht aufhalten und regte sich weiter auf. "Wenn die Krippen schließen, was denken Sie, passiert dann? Wo sollen die Kinder dann bleiben? Sollen sie dann allein zu Hause bleiben?"
Wieder fühlte sich Homans berufen, dazu ihre Meinung zu sagen: Papas seien doch auch eine Lösung, erklang es aus ihrem Mikrofon. Danach gab es ersten Applaus für Homans, die daraufhin nachlegte. "Liebe Kollegin Vandecasteele, ich weiß nicht, ob Sie verstanden haben, dass es zwei Elternteile gibt. Auch so etwas wie einen Vater. Meine Kinder sind bei ihrem Papa. Voilà."
Das brachte Vandecasteele natürlich wieder auf die Palme. Sie warf Homans und der Regierung vor, Frauen zurück in die Vergangenheit zu führen. "Die Realität heute ist, dass vor allem Mütter zu Hause bleiben. Und es sieht danach aus, als ob die aktuelle Regierung damit kein Problem hat. Investitionen in Kinderkrippen bedeuten auch Emanzipation für Frauen."
Empörung auch bei Mitarbeitern von Krippen
Nicht nur bei der Opposition im flämischen Parlament sorgte dieser Schlagabtausch für heftige Reaktionen. Mitarbeiter von Krippen in Flandern zeigten sich ebenfalls empört über die Äußerungen von Homans. "Im Klartext sagt die Politikerin doch, dass Krippen überflüssig sind", lässt sich am Mittwoch die Leiterin einer Brüsseler Kinderkrippe in der Zeitung Het Nieuwsblad zitieren.
Eine noch ganz andere Kritik an Homans übt am Mittwoch die Zeitung De Morgen in ihrem Leitartikel. Als Parlamentspräsidentin sei Homans zur Neutralität verpflichtet. Diese Neutralität habe Homans jedoch mit Füßen getreten, als sie gleichsam als N-VA-Politikerin die Entscheidung der Regierung gegenüber einer Oppositionspolitikerin verteidigt habe.
Fakt ist: Die Parlamentsdebatte hat zu keiner zusätzlichen Maßnahme für eine Verbesserung des flämischen Krippenwesens geführt. Ob die Proteste von Mittwoch etwas bewirken, bleibt abzuwarten.
Kay Wagner