Der Expertenbericht war doch mit einer gewissen Spannung erwartet worden. Spannung auch deswegen, weil sich insbesondere die Opposition natürlich schnellere Maßnahmen zur Stärkung der Kaufkraft gewünscht hätte. Die Regierung hatte daraufhin immer auf eben diesen Expertenbericht verwiesen: Man habe schließlich nicht umsonst Fachleute damit beauftragt, die Situation zu analysieren, um dann eine Reihe von Empfehlungen auszusprechen. Das Resultat dieser Arbeit sollte dann der Regierung als Diskussionsgrundlage dienen.
Jetzt ist der Bericht da, jetzt liegen alle Karten auf dem Tisch. Ob die Regierung dafür zügig ein Maßnahmenpaket schnüren kann, ist aber doch eher fraglich. Noch bevor der Abschlussbericht des Expertengremiums der Regierung offiziell vorgestellt wurde, sickerten schon Teile des Inhalts durch, was denn auch gleich für Reaktionen sorgte - nicht immer positive Reaktionen.
So empfehlen die Fachleute unter anderem, dass der Gebrauch sogenannter Tankkarten eingeschränkt werden soll. Konkret sollten diese nicht mehr für Privatzwecke genutzt werden können. Schon am Montagmorgen gab es dazu ein klares Njet vom MR-Mittelstandsminister David Clarinval. "Wir wollen Maßnahmen zur Stärkung der Kaufkraft ergreifen und die Experten schlagen vor, die Privatfahrten der Bürger zu besteuern. Ich glaube nicht, dass diese Idee in die richtige Richtung geht", sagte Clarinval in der RTBF.
Tempolimit auf Autobahnen
Auch die Idee eines Tempolimits steht wieder im Raum: Die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen könnte demnach auf 100 Stundenkilometer herabgesetzt werden. Doch auch dieser Empfehlung wurde gleich eine Abfuhr erteilt: Das sei eine "Bevormundung ersten Grades", zitiert die Zeitung De Morgen den CD&V-Vorsitzenden Sammy Mahdi. Die Grünen unterstützen demgegenüber diese Empfehlung. Es sei schön, dass endlich auch Experten auf diese Idee eines Tempolimits gekommen seien, sagte die Groen-Vizepremierministerin Petra De Sutter. Das gebe es im Übrigen auch schon in anderen Ländern.
Doch warum widmet das Expertengremium eigentlich dem Thema Energiesparen gleich ein ganzes Kapitel in ihrem Bericht? Klar: Man kann argumentieren nach dem Motto: Die günstigste Energie ist die, die man nicht verbraucht. Laut Zeitungen gibt es da aber noch einen anderen Grund. Demnach haben die Fachleute inzwischen auch schon das Schreckensszenario vor Augen, dass im Herbst-Winter eine Versorgungskrise drohen könnte - dass schlichtweg nicht genug Energie zur Verfügung stehen könnte.
56 Seiten starker Bericht
Wie dem auch sei: Die Experten um Pierre Wunsch, dem Gouverneur der Nationalbank, haben in ihrem 56 Seiten starken Bericht noch viele andere Empfehlungen ausgesprochen. So sollte der Sozialtarif für Energieprodukte auch auf die sogenannte untere Mittelschicht ausgeweitet werden. Apropos Energiepreise: Die Fachleute schlagen auch eine "intelligente" Mehrwertsteuer vor, die insbesondere bei Energieprodukten angewandt würde. Demnach würde die Basisversorgung niedrig besteuert. Ab einem gewissen Verbrauch greift dann eine Art "Luxus-Tarif", eine Mehrabgabe in Form von Akzisen. Damit könne man die Hilfen zielgerichteter auf Bevölkerungsgruppen zuschneiden. Das sei seiner Partei sehr wichtig, sagte Finanzminister Vincent Van Peteghem.
Die Experten empfehlen außerdem eine schnellere Indexierung der Steuersätze - dies vor allem, um zu vermeiden, dass Arbeitnehmer aufgrund der indexbedingten Anpassung ihrer Gehälter in eine höhere Steuerklasse rutschen und dass sie deswegen am Ende fast noch draufzahlen. Apropos Index: Die Fachleute stellen das System der automatischen Anpassung der Löhne und Gehälter an die Preisentwicklung zwar nicht grundsätzlich infrage. Einige praktische Details könnten aber verfeinert werden.
All das ist freilich nur ein Ausschnitt dessen, was die Experten der Regierung alles mit auf den Weg gegeben haben. Weil das so umfangreich ist - und wohl auch, weil einige Regierungsparteien sich sehr schnell sehr kritisch gezeigt haben - wird die Umsetzung dieser Empfehlungen wohl kein Sonntagsspaziergang. Außerdem würden viele dieser Maßnahmen Geld kosten, was dann Einfluss auf den Haushalt hätte.
Über das Budget wird aber erst im Herbst diskutiert. Auch deshalb hat die Regierung die Diskussion offensichtlich gleich eben auf den Herbst verschoben. Dies verlautete zumindest am Montagabend nach der Sitzung des Kernkabinetts. Ob die Regierung zum Nationalfeiertag tatsächlich ein ehrgeiziges Sommerabkommen vorlegen kann, wird zunehmend fraglich.
Roger Pint
"...die derzeitige Krise...". Da kann der Bürger nur mit dem Kopf schütteln. Solche Experten sind selbst der erste Grund der Situation, nämlich einer politisch gewollten Dauerkriese. Das Problem aller derzeitigen Kriesenursachen ist doch die seit den 90ger Jahren eingeführte unkonntrollierte Liberalisierung des Marktes... Das sind doch die Kiegs- und Preistreiber.... und nun wird die Politik diese Geister nicht mehr los, die sie aus der Flasche gelassen hat ! Den Wolf als Schaf zu verkleiden und diesen zum Experten zu proklamieren wird uns nur noch mehr Kriese bringen !