In gleich mehreren Zeitungen sieht man am Dienstag den Biostatistiker Tom Wenseleers. Der hat alles andere als beruhigende Aussichten. Wenn Belgien sich mit seiner Booster-Kampagne nicht beeile, dann werde die Omikron-Variante noch vor Ende Dezember 90 Prozent aller Infektionen ausmachen.
Dann sei eine Coronawelle in der Größenordnung der ersten oder zweiten Welle zu befürchten. Dann bestehe die reelle Gefahr, dass der der Druck auf das Gesundheitssystem zu groß werde. Besonders erschreckend ist - wie immer wieder betont - die Geschwindigkeit, mit der sich die neue Virusvariante ausbreitet, sprich wie hochansteckend sie ist.
Verzehnfachung der Omikron-Fallzahlen innerhalb einer Woche
Aktuell zeichnet Omikron für drei Prozent der bestätigten Corona-Infektionen in Belgien verantwortlich, so der Mikrobiologe Emmanuel André in der RTBF. Das klinge zwar nicht nach viel, sei aber eine Verzehnfachung innerhalb einer guten Woche.
Um zu sehen, wie schnell es dann gehen kann, reicht ein Blick ins europäische Ausland. In London etwa sind bereits die Hälfte aller Neuinfektionen auf die Omikron-Variante zurückzuführen. Auch in Dänemark macht die Variante bereits die Hälfte aller Ansteckungen aus.
Beide Fälle zeigen laut Wenseleers, dass selbst ein hoher Impfgrad keinen ausreichenden Schutz gegen Omikron bietet. Das bedeutet natürlich nicht - wie manche behaupten -, dass die Corona-Impfstoffe generell nicht wirken würden. Die Schutzwirkung hält aber offensichtlich nicht so lange vor, wie anfangs gehofft, deswegen ja auch die Auffrischung.
Die wissenschaftlichen Untersuchungen sind noch in vollem Gange, denn so lange haben wir die neue Variante ja noch nicht auf dem Schirm. Aber es beginnt sich doch langsam ein Bild zu formen, wie die Infektiologin Charlotte Martin in der RTBF erklärte:
Drei Dosen reichen offenbar für ausreichende Schutzwirkung gegen Omikron
Zwei Dosen reichten nicht, aber drei Dosen würden offenbar für eine ausreichende Schutzwirkung gegen Omikron sorgen. Es sei am besten, sich im Zweifelsfall für eine vorsichtige Vorgehensweise zu entscheiden, also auf drei Dosen zu setzen, anstatt abzuwarten und zu beobachten, wie sich die Lage entwickle.
Dies praktizierten ja bereits übrigens auch viele andere Länder. Denn es sei einfach umzusetzen und man müsse nicht erst auf die Entwicklung neuer Impfstoffe warten. Ein Teil der Bevölkerung habe ja auch bereits seine Auffrischimpfung bekommen, was ein weiterer Vorteil sei, so Martin.
Das ist eine Meinung, die viele andere - auch belgische - Experten ebenfalls teilen. Der Virologe Marc Van Ranst etwa hat sich dafür ausgesprochen, die Wartezeit bis zur dritten Dosis zu verkürzen. Aktuell gilt für viele Belgier ja noch eine Wartezeit von sechs Monaten zwischen zweiter und dritter Dosis. So könne man quasi durchimpfen, argumentiert Van Ranst. Angesichts einer ansteckenderen Variante sei es vielleicht besser, schneller zu schalten als sklavisch an den sechs Monaten festzuhalten.
Charlotte Martin ihrerseits hat zwar nichts dagegen einzuwenden, die Wartefristen zu verkürzen, plädiert aber vor allem dafür, sich jetzt darauf zu konzentrieren, die Infrastruktur auszubauen, um die Kapazitäten zu erhöhen.
Tom Wenseleers spricht sich ebenfalls dafür aus, so schnell wie möglich allen Menschen eine Auffrischimpfung zu geben. Das könne dabei helfen, den Schaden zu begrenzen.
Frage nach Schwere der Erkrankung durch Omikron weiter offen
Aktuell steht aber vor allem noch die große Frage nach der Virulenz im Raum, wie Emmanuel André betont, also wie krankmachend die Omikron-Variante - jenseits ihrer höheren Ansteckungsfähigkeit - ist. In dieser Hinsicht seien zumindest bisher die Daten aus Südafrika eher beruhigend: Oft scheine der Krankheitsverlauf milder zu sein, mit kürzeren Krankenhausaufenthalten, außerdem habe es dort kaum damit zusammenhängende Todesfälle gegeben.
Allerdings, unterstrich André, habe Südafrika auch eine deutlich jüngere Bevölkerung. Deswegen sei es besser, zu sehen, was die ersten Studien aus Dänemark und Großbritannien in dieser Hinsicht sagten. Denn die seien insgesamt natürlich viel besser mit Belgien vergleichbar als Südafrika.
In Belgien würden außerdem große Anstrengungen unternommen, um bestimmte Omikron-Cluster unter Kontrolle zu halten. Das habe es erlaubt, einige Tage zu gewinnen. Im Vergleich zu Großbritannien und Dänemark hinke die Omikron-Variante in Belgien rund zehn Tage hinterher, so André. Das erlaube es auch, zu sehen, wie sich die Lage dort entwickle.
Boris Schmidt