In der 34. Ausgabe des Motivationsbarometers bestätigt sich ein Trend, der bereits bei der letzten Erhebung Mitte August hervorgestochen war: Es existiert ein echter Graben zwischen Geimpften und Nicht-Geimpften.
Zweiter Befund: Die Geduld der Geimpften mit den Nicht-Geimpften nimmt immer weiter ab. Das schlägt sich unter anderem in der Unterstützung des Covid-Safe-Tickets (CST) nieder. 60 Prozent der Geimpften betrachten es als etwas Positives. Viele denken auch, dass seine Einführung im Horeca-Sektor eine gute Idee wäre.
Allerdings unterstützen selbst die Geimpften eine Ausweitung dieses Corona-Passes nicht bedingungslos. Sie sprechen sich vielmehr für eine gezielte und selektive Anwendung und schrittweise Ausweitung aus. Für sie soll das Covid-Safe-Ticket vor allem in Hochrisikosituationen zum Einsatz kommen. Dazu gehören Großveranstaltungen, Reisen und das Nachtleben. Als Zugangsvoraussetzung für die Arbeit oder die Sekundarschulen können sie sich das hingegen viel weniger vorstellen.
Neu in dieser Umfrage ist eine regionale Aufschlüsselung der Daten: Dabei fällt auf, dass die Brüsseler Geimpften bei allen erwähnten möglichen Anwendungsgebieten des Covid-Safe-Tickets vehementer sind als die Wallonen oder Flamen. Rund 66 Prozent der befragten Brüsseler Geimpften befürworten etwa die Einführung des Corona-Passes für den Horeca-Sektor – elf Prozent mehr als in den anderen Regionen.
In Brüssel glauben 50 Prozent der Geimpften, dass es am Arbeitsplatz helfen würde, 60 Prozent können sich das sogar für den Besuch der Hochschule vorstellen. Jeweils deutlich mehr als in Flandern und der Wallonie.
Olivier Klein, seines Zeichens Sozialpsychologe an der Freien Universität Brüssel (ULB) und Mitautor der Studie, sieht eine mögliche Erklärung für dieses Phänomen darin, dass in Brüssel das wahrgenommene Gesundheitsrisiko größer ist als andernorts. Außerdem könne es sein, dass die Geimpften hier das Covid-Safe-Ticket nicht nur als Mittel sehen, um Risiken in bestimmten Situationen zu reduzieren, sondern auch, um die restliche Bevölkerung dazu zu bewegen, sich endlich impfen zu lassen.
In der Hauptstadtregion ist der Impfgrad bekanntermaßen besonders schlecht. Außerdem steigen die Corona-Zahlen in der Folge auch besonders stark. Die Situation in der Hauptstadt bewirkt außerdem, dass die Menschen hier motivierter und bereit sind, sich strenger an die Regeln zu halten als Flamen und Wallonen.
Dass das Covid-Safe-Ticket nützlich ist, davon sind auch die Geimpften im Rest des Landes überzeugt: 70 Prozent glauben, dass das Werkzeug einen hohen Informationswert bietet, dass es dazu beiträgt, die Risiken in bestimmten Situationen hervorzuheben und dass es geeignet ist, um die Menschen zu überzeugen, sich impfen zu lassen.
Das sehen die Ungeimpften wenig überraschend immer noch ganz anders: 92 Prozent bezeichnen das Covid-Safe-Ticket als Druckmittel, um sie zur Impfung zu zwingen. 96 Prozent glauben sogar, dass das Zertifikat zu zwischenmenschlichen Konflikten führen könne, hebt Klein hervor. Das ist eine Ansicht, die im Übrigen auch 60 Prozent der Geimpften teilen.
Die Forscher stellen auch fest, dass das Vertrauen der Menschen in die politisch Verantwortlichen immer weiter bröckelt. Das gilt unter anderem für die Strategie, um mehr Menschen zur Impfung zu bewegen. Immer weniger Menschen glauben, dass die funktioniert. Das scheinen auch die Zahlen zu bestätigen: Danach befragt, ob sie sich impfen lassen würden, wenn sie noch einmal dazu eingeladen würden, antworteten beinahe 92 Prozent der Ungeimpften mit Nein.
Die Skepsis der Geimpften gilt nicht nur für die Impfmotivations-Strategie, sondern für die gesamte Herangehensweise. Einer von zwei geimpften Flamen habe angegeben, dass er nicht mehr an das globale Corona-Krisenmanagement glaube, so Maarten Vansteenkiste in der VRT. Er ist der Hauptverantwortliche für die Untersuchung und Psychologe an der Universität Gent. Das ist deutlich mehr als noch vor dem Sommer.
Mit 51 Prozent ist diese Haltung in Flandern sogar noch etwas stärker als in Brüssel und in der Wallonie, wo respektive 50 beziehungsweise 48 Prozent der Geimpften nicht mehr an die belgische Anti-Covid-Strategie glauben. Die Skepsis schlägt sich aber dennoch nur bedingt in der Motivation der Geimpften in puncto Corona-Regeln nieder, wie Vansteenkiste ausführt: Sechs von zehn geimpften Flamen sind nämlich bereit, sich trotzdem weiter an die Corona-Regeln zu halten.
Boris Schmidt