Als Staatssekretärin für den Haushalt ist es Eva De Bleekers Aufgabe, auf selbigen zu achten, das ist klar. Dass ihr Ziel für die Verhandlungen nach dem Sommer sein muss, den Haushalt aus den roten Zahlen zu bekommen, oder, realistischerweise, zumindest die Neuverschuldung zu begrenzen, ebenso. Aber als diplomatisch kann man ihre Wortwahl im ausführlichen Interview, das in der flämischen Zeitung "De Zondag" erschienen ist, wohl eher nicht bezeichnen. Sie hoffe, dass auch die PS-Minister vom Haushalt wachlägen, so De Bleeker etwa. Ansonsten werde sie sie schon wachschütteln.
Damit aber nicht genug, als nächstes nahm sie explizit PS-Staatssekretär für Wirtschaftsbelebung und Strategische Investitionen, Thomas Dermine, ins Visier. Der hatte zuvor gesagt, dass es beim wirtschaftlichen Wiederaufbau Belgiens nach der Corona-Krise kein Haushaltslimit geben dürfe. Dass das der Staatssekretärin für den Haushalt Magenschmerzen verursachen würde, lag auf der Hand. Dass sie die Aussagen Dermines aber als "Hokuspokus-Gerede" vom Tisch fegte und gelobte, das nicht zuzulassen, ist trotzdem eine Ansage - gerade in Richtung eines wichtigen Koalitionspartners.
Um das Ganze noch schön abzurunden, verkündete De Bleeker auch noch, dass die Corona-Unterstützungsmaßnahmen Ende September auslaufen würden - und nicht verlängert würden. Ausnahmen solle es nur geben, falls Belgien von einer neuen Virus-Welle verwüstet wird oder für Sektoren, die dann immer noch pandemiebedingt geschlossen bleiben müssen. Darüber werde sie streng wachen, so De Bleeker.
Genug für wirtschaftlichen Wiederaufbau tun
Inwiefern die Staatssekretärin für sich oder für ihre Partei, die flämischen Liberalen gesprochen hat, darüber kann man nur spekulieren. Dass die so herausgeforderten frankophonen Sozialisten das aber nicht unkommentiert lassen würden, war vorhersehbar. Für die PS steht jedenfalls ganz und gar noch nicht fest, dass Ende September Schluss mit den Corona-Unterstützungsmaßnahmen sein wird. Das hat Staatssekretär Dermine am Dienstagmorgen bei Radio Eén deutlich gemacht. Das größte Risiko heute sei nicht haushaltstechnischer Art, so Dermine, sondern nicht genug zu tun für den wirtschaftlichen Wiederaufbau des Landes und für die kommenden Generationen. Hier zieht Dermine auch Parallelen zur Finanz-Krise 2008. Damals habe man auf Austeritätspolitik gesetzt, also auf eisernes Sparen, und das habe dazu geführt, dass die Krise länger gedauert habe. Die USA hätten hingegen massiv investiert und das Land habe sich dadurch schneller erholen können.
Genau das müsse man also jetzt auch in Belgien tun. Was aber nicht bedeutet, dass die Sozialisten jegliche Haushaltsdisziplin über Bord werfen wollen. Ein Haushalt, der in Ordnung sei, sei auch für die Sozialisten wichtig, betonte Dermine. Aber kurzfristig müsse man sicherstellen, genug für die Wiederbelebung zu tun und dafür, dass niemand in dieser Krise zurückgelassen würde. Die Gesundheits-Krise habe manche Bevölkerungsgruppen und Wirtschaftssektoren besonders hart getroffen. Deshalb müsse man sicherstellen, dass alle es aus der Krise herausschafften, bevor die Unterstützungsmaßnahmen eingestellt werden.
Seit über einem Jahr laufe man eine Art Marathon. Jetzt, wo die Ziellinie in Sicht sei wäre es doch dumm, fünf Meter vor dem Ende aufzugeben, so Dermine. Was das für die Herbstverhandlungen über den Haushalt bedeuten wird, wird man sehen müssen. Das werde ein interessantes Gespräch innerhalb der Regierung werden. Die Koalition funktioniere gut und leiste zusammen gute Arbeit. Auch wenn sich die Partner nicht immer über alles einig seien. Aber das sei ja normal in einer Regierung.
Es werde im September zwar intensiver Arbeit bedürfen, um den Haushalt in Ordnung zu bekommen. Aber er sei sicher, dass das gut klappen werde, so Dermine. Er stehe jedenfalls zu seiner Überzeugung: Es müsse investiert werden. Weil das nicht ausreichend zu tun, würde auch Kosten zur Folge haben - ganz sicher auch für die nächste Generation.
Boris Schmidt
Diese Koalition von gegensätzlichen Parteien wird zusammen gehalten durch die Angst vor den flämischen Nationalisten und durch die noch größere Angst vor dem Verlust des "schönen Pöstchen".