Astrazeneca - allein der Name des britisch-schwedischen Konzerns beziehungsweise seines Coronavirus-Impfstoffs reicht schon, um vielen die Zornesröte ins Gesicht zu treiben. Nicht unbedingt immer aus den gleichen Gründen, aber eines kann wohl keiner bestreiten: Kein anderes in Europa zugelassenes Vakzin hat schon für so viele Kontroversen und emotionelle Debatten gesorgt.
Eines zeichnet sich immer klarer ab: Egal wie sachlich und eindringlich Politik und Wissenschaft versuchen, die Menschen zu überzeugen - bei vielen ist der Astrazeneca-Impfstoff einfach ein für allemal unten durch. Erst am Sonntagnachmittag etwa musste das Impfzentrum Namur Expo einen öffentlichen Aufruf starten. Gesucht: 3.000 Impfwillige aus der Region über 41 Jahre. Denn anders schien das Impfzentrum Tausende Dosen Astrazeneca nicht unters Volk zu bekommen. Die Reserve- und Wartelisten waren nämlich bereits abgeklappert - obwohl der medizinische Direktor nicht müde wurde, zu betonen, wie gut der Impfstoff doch sei und dass er nicht verstehe, warum dessen Ruf so schlecht sei. Ähnliche Geschichten hört und liest man immer wieder, weit über Belgien hinaus im Übrigen. Astrazeneca scheint sich mancherorts wirklich nur dann loswerden zu lassen, wenn man quasi alle Vorbedingungen kippt. Anders gesagt: Die Leute nehmen Astrazeneca oft nur dann, wenn sie andernfalls noch eine Weile nicht regulär an die Reihe kämen.
Auch EU-Justizkommissar Didier Reynders machte am Montag noch einmal deutlich, dass Europa nicht etwa an der Wirksamkeit oder der Sicherheit des Impfstoffs zweifle. Es sei ein gutes Vakzin, das in den Mitgliedsstaaten eingesetzt werde, so Reynders in der RTBF. Aber die EU habe ein echtes Problem mit dem Konzern, erklärte der Justizkommissar bereits am Sonntag in der VRT. Man habe kein Vertrauen mehr und deshalb könne man nicht mehr von diesem Impfstoff kaufen. Bei den Problemen zwischen EU und Astrazeneca gehe es aber definitiv nicht um die Qualität des Impfstoffs. Sondern um die Zuverlässigkeit der Lieferungen durch den Pharmakonzern. Deswegen verzichte die EU eben auf die Option, weitere Dosen bei Astrazeneca zu bestellen. Zumindest für den Augenblick.
Bekanntermaßen habe die EU deswegen in Brüssel rechtliche Schritte gegen den Konzern eingeleitet, um die bereits versprochenen Lieferungen zu bekommen. Da hat sich Astrazeneca beim besten Willen nicht mit Ruhm bekleckert: Im ersten Quartal sind nämlich nur 30 statt 100 Millionen Dosen geliefert worden. Im zweiten Quartal will Astrazeneca immerhin 70 bis 100 Millionen liefern - aber auch das wären weit weniger als die zugesagten 300 Millionen.
Keine Auswirkung auf die belgische Impfkampagne
Das werde aber keinerlei Auswirkung auf die belgische Impfkampagne haben, hat der föderale Gesundheitsminister Frank Vandenbroucke (Vooruit) am Montag bereits versichert. Belgien habe insgesamt 7,5 Millionen Dosen des Astrazeneca-Präparats gekauft, so Vandenbroucke per Kommuniqué. Der Impfstoff sei absolut vertrauenswürdig und spiele eine essenzielle Rolle beim Kampf gegen das Virus. Neue Astrazeneca-Dosen würden aber erst dann konkret verplant, wenn man sie erhalten habe. Es sei absolut gesichert, dass genug Dosen da seien, um allen, die bereits ihre erste Astrazeneca-Spritze bekommen hätten, auch termingerecht die zweite geben zu können, so Vandenbroucke.
Sabine Stordeur von der föderalen Impf-Task-Force gibt an, dass diese Woche 72.000 Astrazeneca-Dosen erwartet werden, nächste Woche 82.000 und in der Woche vom 24. Mai sogar 370.000. Mit diesen Lieferungen werde man weiterhin Über-41-Jährigen ihre erste Vakzin-Dosis geben. Nach und nach, sprich mit Fortschreiten der Kampagne, werde sich dann aber das Reservoir an potenziellen Impflingen im geeigneten Alter erschöpfen. Deswegen rechne sie damit, dass im Juni keine Erstimpfungen mehr mit Astrazeneca durchgeführt würden.
Bisher hätten fast eine Million Menschen in Belgien einen ersten Pieks mit Astrazeneca bekommen, unterstreicht Stordeur. Vergangene Woche sei die Verabreichung der zweiten Dosen angelaufen. Bis Montag seien hierzulande 2.500 Menschen vollständig mit Astrazeneca immunisiert worden. Um sicherzustellen, dass alle auch ihre zweite Impfung mit Astrazeneca bekämen, würde dieses Vakzin wie ursprünglich geplant wohl noch bis in den August hinein verimpft werden, so Stordeur.
Was sich allerdings ändert, das ist der Zeitraum zwischen der ersten und der zweiten Astrazeneca-Impfung. Der ist in Brüssel bereits von zwölf auf acht Wochen verkürzt worden. Der Rest des Landes könnte bald folgen, wenn die interministerielle Konferenz grünes Licht gibt. Hierbei geht es aber nicht etwa um die Wirksamkeit des Impfstoffs. Sondern um organisatorische Aspekte. Der Impfschutz sei gleich gut, egal, ob die zweite Dosis nun nach zwei oder drei Monaten erfolge. Um den Astrazeneca-Vorrat schneller aufzubrauchen und die Impfkampagne zu beschleunigen, mache diese Verkürzung aber Sinn, heißt es.
Boris Schmidt