Nach vier Wochen ist die Osterpause nun vorbei. Wobei sich die Gesundheitsexperten einig sind, dass sie nicht oder nur bedingt für die erhoffte Abkühlung des Infektionsgeschehens gesorgt hat.
Ende März hatte der Konzertierungsausschuss schweren Herzens beschlossen, das Rad dann doch nochmal ein paar Zähne zurückzudrehen: Am 27. März mussten die nicht-medizinischen Kontaktberufe schließen und mussten die nicht-unentbehrlichen Geschäfte wieder auf Terminshopping umschalten. Das Ganze war von Anfang an auf vier Wochen angelegt - die sind jetzt um. Die Geschäfte können also wieder in Normalmodus schalten - es wird sogar erlaubt sein, zu zweit shoppen zu gehen, unter der Bedingung, dass beide Personen demselben Haushalt angehören. Auch die körpernahen Dienstleistungen können ihre Arbeit wieder aufnehmen, also etwa Friseur- und Beautysalons, oder Bräunungs- und Tätowier-Studios. Aktivitäten unter freiem Himmel sind jetzt in Gruppen mit maximal zehn Personen möglich - bislang durften sich nur vier Menschen unter freiem Himmel versammeln...
Der oder die eine oder andere Verantwortliche wird jetzt wohl die Luft anhalten. Am 8. Mai stehen ja schon die nächsten Lockerungen an. Dann dürfen insbesondere die Horeca-Terrassen wieder öffnen. Das ist in weniger als zwei Wochen. Bis dahin kann man eigentlich noch nicht abschätzen, ob, beziehungsweise inwieweit die ab Montag geltenden Lockerungen das Infektionsgeschehen wieder befeuert haben. Epidemiologisch gesehen ist das also ein schmaler Grat, dessen ist sich jeder bewusst.
Premierminister Alexander De Croo hebt denn auch bei jeder Gelegenheit die tragende Rolle der Impfungen hervor. Pro Woche werden im Moment 500.000 Dosen verabreicht; heißt: Bis zum 8. Mai sind das nochmal eine Million Impfungen obendrauf.
Gemeinschaftspolitischer Streit
Aber, apropos Impfungen. Da droht jetzt tatsächlich ein handfester gemeinschaftspolitischer Streit zwischen Flamen und Frankophonen. Man kann da nämlich durchaus Unterschiede zwischen der Situation im Norden und im Süden des Landes erkennen.
Das gilt weniger für das Tempo der Impfkampagne an sich. Böse Zungen würden sagen, dass die Flamen immer nur dann diesen Aspekt zur Sprache bringen, wenn sie gerade mal schneller unterwegs sind. Offensichtlich impft man im Moment in Flandern etwas schneller - das war aber auch schon umgekehrt.
Anders verhält sich das mit der Akzeptanz. Während in Flandern die übergroße Mehrheit der Bürger die Impfung regelrecht herbeisehnt, gibt es da in der Wallonie und vor allem in Brüssel doch nennenswerte Widerstände. Allgemein wird das dadurch erklärt, dass die Frankophonen oft und gerne nach Frankreich schauen, wo die Impfgegner in der öffentlichen Diskussion wesentlich sicht- beziehungsweise hörbarer sind. Im Grunde hatte sich das schon früh angedeutet, nämlich gleich zu Beginn der Impfkampagne, als sich zeigte, dass viele Pflegekräfte in den Wohn- und Pflegezentren vor allem in der Hauptstadt eine Impfung verweigerten.
Fakt ist jedenfalls, dass die Impfquote bei den bisher geimpften Priorisierungsgruppen im frankophonen Landesteil deutlich niedriger liegt als in Flandern. In der Altersgruppe der Über-74-Jährigen liegt diese Quote in Brüssel bei rund 70 Prozent, in der Wallonie bei um die 75 Prozent, in Flandern demgegenüber bei über 90 Prozent.
Nun ist es so, dass gewisse Öffnungen eben durch diese Impfquote konditioniert sind. Also grob gesagt: Gewisse Lockerungen werden wahrscheinlich nur möglich sein, wenn eine gewisse Impfquote erreicht ist. So erklärte Premierminister Alexander De Croo am Freitag, dass Öffnungen im Kultursektor im Juni unter anderem an die Bedingung geknüpft sein werden, dass 80 Prozent der Menschen, die Risikogruppen zugeordnet werden, geimpft sind.
Vor diesem Hintergrund werden in Flandern Stimmen laut, die für eine Vorgehensweise "nach Region" plädieren. Wenn in Flandern aufgrund der Fortschritte bei der Impfkampagne Lockerungen möglich wären, die man aber zurückstellen müsste, weil die Frankophonen noch nicht weit genug sind, dann wäre das schwer zu verkaufen, sagte der flämische Ministerpräsident Jan Jambon in der VRT. Wenn die Schere zwischen den Regionen des Landes in nächster Zeit eher größer werde, dann werde man jedenfalls das Thema ankarten und auch entsprechende Entscheidungen treffen müssen, sagt Jambon.
Diese Aussage ist naturgemäß im Süden des Landes gar nicht gut angekommen. Dass man jetzt versuche, aus der sanitären Krise ein gemeinschaftspolitisches Problem zu machen, sei erbärmlich, wird der MR-Vorsitzende Georges-Louis Bouchez zitiert. Bei einem so kleinen Land müsse man dafür sorgen, dass überall einheitliche Regeln gelten. Der wallonische Regionalminister Christophe Collignon sieht das genauso. Und er fügt hinzu: Belgien befinde sich im Krieg gegen das Virus, nicht gegen Zahlen.
Roger Pint