Beeindruckende 14 Abgeordnete hatten Fragen an Premierminister De Croo (OpenVLD) und an den Minister für Volksgesundheit, Frank Vandenbroucke (SP.A), angemeldet - wohlgemerkt allein zum Themenkomplex Corona-Krisenmanagement und Impfstrategie. Dafür fiel dieser Teil der Sitzung fast schon erstaunlich ruhig aus. Gerade, wenn man sich vor Augen hält, welchen Wirbel Gesundheitsminister Vandenbroucke mit seinen Äußerungen über die Schließung der nicht-essentiellen Geschäfte ausgelöst hatte. Die frankophonen Liberalen, die ja mit in der Regierung sitzen, hatten sich durch heftige öffentliche Attacken auf den Gesundheitsminister hervorgetan. Abgesehen davon, dass die MR auch an den Corona-Regeln für die Feiertage rüttelte und einen neuen Konzertierungsausschuss für Mitte Dezember forderte.
Von diesen Verwerfungen innerhalb der Vivaldi-Regierungskoalition war am Donnerstag fast schon plakativ nichts zu merken und auch die Opposition war vergleichsweise zahm, auch wenn sich weder Défi, noch der Vlaams Belang Spitzen über die MR-Vorstöße beziehungsweise Äußerungen Vandenbrouckes ganz verkneifen wollten. Beide wiesen aber auch auf die sogenannten Kontaktberufe hin, die ja nicht wieder hatten öffnen dürfen. Die N-VA hielt sich auch eher zurück, die CDH ihrerseits zeigte sich überrascht über die Impfunwilligkeit vieler Belgier.
Sorgen um die Sicherheit der Impfstoffe, Angst vor möglichen Nebenwirkungen und generell das große Misstrauen von Teilen der Bevölkerung thematisierten auch viele andere Abgeordnete. Transparenz gerade, was die Verträge mit den Pharmakonzernen angeht, war denn auch nicht nur eine Forderung der PTB.
De Croo warnt vor zu viel Euphorie
Premierminister De Croo warnte trotz der Fortschritte rund um die Corona-Impfungen vor zu viel Euphorie. Auch wenn es jetzt endlich Hoffnung, eine Perspektive und Licht am Ende des Tunnels gebe, seien weitere Anstrengungen erforderlich. Die Impfung so vieler Menschen werde ihre Zeit brauchen, das werde Geduld erfordern, warnte De Croo. Aber die jetzige Hoffnung sei nicht nur ein unglaublicher Triumph der Wissenschaft, sondern auch der Kooperation, gerade auf europäischer Ebene.
Er wies nachdrücklich darauf hin, wie wichtig in der Tat Transparenz in der Kommunikation mit der Bevölkerung sei. Ohne sie könne man weder überzeugen, noch Vertrauen gewinnen. Die Schließung der nicht-essentiellen Geschäfte sei auf eindeutige Empfehlung der Experten in einer sehr schlechten Corona-Lage erfolgt, verteidigte De Croo die kontroverse Entscheidung. Und die Experten hätten auch von einer Wiederöffnung für die Kontaktberufe abgeraten. Die entsprechenden Beschlüsse seien aber sicher nicht auf die leichte Schulter genommen worden. Es würden besonders große Opfer von bestimmten Gruppen verlangt, stellte De Croo klar. Aber diese sehr ungleich verteilten Opfer hätten dazu beigetragen, Belgien aus der Gefahrenzone zu bringen.
Weihnachten und Menschlichkeit
Er verstehe auch die Enttäuschung der Menschen über die Einschränkungen zu Weihnachten. Aber trotzdem bitte er darum, nicht in vier Tagen das zunichtezumachen, was man in den vergangenen vier bis sechs Wochen erreicht habe, appellierte De Croo.
Die Menschen begriffen aber, warum diese Anstrengungen und Opfer von ihnen verlangt würden - und zwar immer mehr. Das zeigten laut De Croo auch die jüngsten Umfragen. Auch für diejenigen, die der Regierung Unmenschlichkeit bei den strengen Weihnachtsregeln vorwerfen, hatte der Premier eine Antwort: Sei es nicht das Menschlichste, wenn sich alle gemeinsam an Regeln hielten, die die Schwächsten der Gesellschaft schützten? Gerade zu Weihnachten und Silvester hoffe er, dass das die einzige Botschaft sei, die viele Menschen aussenden würden.
Informieren und zuhören
Gesundheitsminister Vandenbroucke seinerseits führte nicht nur Details zu verschiedenen Aspekten der Impfstrategie aus beziehungsweise versuchte, Bedenken zu entkräften, er wiederholte auch die Aussagen des Premiers, insbesondere über die weiter notwendige Geduld und Anstrengungen. Auch ihm sei bewusst, wie viele Opfer von den Menschen verlangt worden seien und noch würden. Dennoch gebe es jetzt Hoffnung, wenn auch die kommende Zeit noch schwierig werde und Lockerungen nur sehr vorsichtig gewährt werden könnten.
Informieren und zuhören, das seien die zentralen Elemente, so Vandenbroucke - und zwar sowohl, was die im Gesundheitswesen Beschäftigten, als auch die Bevölkerung allgemein anginge.
Er sei überzeugt, dass man dank des wissenschaftlichen Fortschritts und vor allem der Solidarität gewinnen werde, unterstrich Vandenbroucke. Man müsse durchhalten, dann werde alles gut werden, zitierte der Gesundheitsminister die Abschiedsworte der langjährigen VRT-Nachrichtensprecherin Martine Tanghe.
Impfstrategie vorgestellt: Drei verschiedene Phasen ab Januar
Boris Schmidt