"Sieben Monate können sich wie eine halbe Ewigkeit anfühlen". Die Zeitung Le Soir zieht am Dienstag eine erste Bilanz der Corona-Krise und stellt zunächst mal fest, dass diese Krise "erst" vor exakt sieben Monaten angefangen hat. Am 11. Januar meldete China den ersten Corona-Toten.
Sieben Monate später leben wir in einer anderen Welt - mit ähnlichen Problemen allerdings wie zu Beginn der Krise: Immer noch weisen die wichtigen Kurven nach oben - allerdings nicht mehr so steil wie noch vor einigen Tagen. In der letzten Sieben-Tages-Periode ist die Zahl der Neuansteckungen um 588 gestiegen. Das ist ein Zuwachs von "nur noch" elf Prozent im Vergleich zur Vorwoche.
Das sind also längst nicht mehr die Zuwachsraten von vor zwei, drei Wochen, die fast exponentiell waren. Heißt also: Die Entwicklung hat sich verlangsamt. Das ist eine gute Neuigkeit, wobei viele kritisieren, dass das nur die halbe Wahrheit sei.
Schaut man sich die regionalen Entwicklungen an, dann stellt man fest, dass die Steigerungsraten vor allem in Brüssel weiterhin durchaus besorgniserregend sind. Immerhin bleibt die Situation in den Krankenhäusern überschaubar.
Mehr Corona-Tests in Belgien
Dass die Zahl der Neuinfektionen so hoch liegt, das ist aber auch gewissermaßen ein gutes Zeichen, dass eben entsprechend viel getestet wird. Belgien gehört da inzwischen zu den guten Schülern. Die Kapazität liegt derzeit bei 70.000 Tests pro Tag. Das ist allerdings ein theoretischer Wert.
In der Praxis liegt die Zahl der durchgeführten Tests bei täglich höchstens 25.000. Hier muss irgendwo ein Flaschenhals sein. Und genau daran arbeitet gerade der zuständige Föderalminister Philippe De Backer. Das Resultat dieser Überlegungen steht am Dienstag in Le Soir. Demnach liegt jetzt ein neuer Aktionsplan vor.
Nach dem neuen Ansatz soll jetzt wieder mehr auf die klassischen klinischen Labore gesetzt werden. Zu Beginn der Krise standen die an der Seitenlinie, vor allem, weil es ihnen an personellen und materiellen Mitteln fehlte. Stattdessen hatte sich der Föderalstaat mit den Universitäten und den großen Pharmafirmen verbündet, um die Testkapazitäten zu erhöhen.
Die Pharmaunternehmen konzentrieren sich aber inzwischen wieder auf ihr Kerngeschäft, insbesondere auf die Forschung nach neuen Medikamenten und Impfstoffen. Deswegen sollen jetzt die klinischen Labore wieder an die Front: Die hätten nämlich inzwischen investiert, sagt De Backer: Vor allem hätten die Labore dafür gesorgt, dass ihnen jetzt ausreichend Reaktionsmittel zur Verfügung stehen.
Außerdem werde der Föderalstaat ihnen jetzt nochmal unter die Arme greifen. 50 Millionen Euro steckt der Föderalstaat in zusätzliche Ausrüstung und Reaktionsmittel. Das alles mit dem Ziel, die Zahl der Tests jetzt auch in der Praxis auf 70.000 anzuheben.
Dieses Ziel will man spätestens im Herbst auch erreicht haben. Denn dann wird es darum gehen, die klassischen Atemwegserkrankungen von Covid unterscheiden zu können. Deswegen brauche man dann auch wirklich alle verfügbaren Mittel, so Minister De Backer.
Aus vergangenen Fehlern lernen
"Testen, testen, testen", das ist ja schon die Maxime der Weltgesundheitsorganisation. Genauso wichtig ist aber das Prinzip "schützen, schützen, schützen". Zu Beginn der Krise gab es zwei große Probleme: Nicht nur, dass die Testkapazitäten viel zu niedrig waren, zudem gab es einen flagranten Mangel an Schutzmaterialien, angefangen bei den Mundmasken. Bekanntlich war die strategische Reserve leer.
Das jedenfalls soll nicht mehr passieren. In diesen Tagen wird im Antwerpener Hafen eine ersehnte Lieferung erwartet: 31 Millionen chirurgische Masken aus China. Damit wird der Vorrat "mal eben" verdoppelt. Ziel ist ein Bestand von 100 Millionen gegen Ende August, sagte Minister Philippe De Backer in der VRT.
Ausreichend Testkapazitäten und Schutzmaterialien: Beides soll bis zum Herbst gewährleistet sein. Wohl auch, damit niemand behaupten kann, man habe nicht aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt.
Strategische Reserve an chirurgischen Masken bald verdoppelt
Roger Pint