Das große Feuerwerk an der Place des Palais: Das traditionelle Ende des Nationalfeiertages. Und oft ist das auch gleichzeitig der Startschuss für die politische Sommerpause. Oft. Diesmal hat König Philippe aber der politischen Klasse gewissermaßen noch nicht seinen Segen gegeben.
In seiner Rede zum Nationalfeiertag hatte das Staatsoberhaupt den politischen Parteien ungewöhnlich deutlich ins Gewissen geredet. Er sei sich zwar dessen bewusst, dass der Wähler die Karten sehr kompliziert gelegt habe, sagte Philippe sinngemäß.
Außerdem appellierte er auch eindringlich für Zusammenarbeit und vor allem für Dialog. Einen offenen Dialog, bei dem man aufeinander zugeht, selbst wenn man die Überzeugungen des jeweils anderen nicht teilt. Dialog auch und vor allem in gegenseitigem Respekt.
Die Botschaft ist offensichtlich nicht ganz auf taube Ohren gestoßen. "Natürlich sollte man mitaneinander reden", sagte PS-Chef Elio Di Rupo am Rande der Festlichkeiten zum Nationalfeiertag. Zugegeben: Bislang sei das noch nicht der Fall. Aber, anscheinend hätten die königlichen Informatoren die Absicht, in nächster Zeit Rundtischgespräche zu organisieren. "Wenn wir dazu eingeladen werden, dann werden wir das Angebot selbstverständlich nicht ausschlagen", sagte Di Rupo in der RTBF.
Solche Aussagen rufen dann natürlich gleich diverse Vogelflugdeuter auf den Plan. Allgemein wurde Di Rupos Aussage jedenfalls als Öffnung bewertet. Er schließt jedenfalls ein Gespräch mit der N-VA nicht mehr grundsätzlich aus. Wohlwissend, dass "Gespräche" ja längst nicht gleichbedeutend sind mit "Verhandlungen".
Und, klar ist auch, dass derselbe Di Rupo, oder auch die N-VA, diese Aussicht mit einem Sätzchen auch gleich wieder zerschlagen können. Aber, bis auf weiteres ist es zumindest denkbar geworden, dass die beiden stärksten Parteien des Landes doch wenigstens mal miteinander reden.
Bezeichnend ist, zugegeben, dass das knapp zwei Monate nach der Wahl schon ein kleines Ereignis ist. Wer weiß: Vielleicht werden die Sommerferien also genutzt für Kontakte, und wenn sie nur "informeller" Natur sind.
Liberaler Bruderkrieg
Doch auch anderswo gibt es - trotz des anstehenden Urlaubs - noch mächtig Gesprächsbedarf. Gleich beide liberale Parteien leisten sich jetzt nämlich zumindest den Beginn eines Bruderkrieges, mit potentiell erheblicher selbstzerstörerischer Wirkung.
Beginnen wir mal im Norden des Landes. Bei den flämischen Liberalen OpenVLD scheint der Stuhl der Vorsitzenden Gwendolyn Rutten immer mehr zu wackeln. Auch die OpenVLD hatte am 26. Mai vom Wähler einen Dämpfer verpasst bekommen. Für die Liberalen kam der Rückschlag aber eher überraschend.
Und wie beim Fußball kriegt dann schnell der Trainer die Schuld. Seit Wochen rumort es. Die Regierungsbildung in Brüssel hatte dann aber für eine erste wirkliche Dramatisierung gesorgt. Der Brüsseler Open-VLD-Mann Sven Gatz setzte sich offen über eine Order der Parteispitze hinweg, was als klare Desavouierung der Chefin gedeutet wurde.
Wirkt die Chefin einmal angeschlagen, dann weckt das natürlich oft Begehrlichkeiten. Der Ex-Minister und Bürgermeister von Kortrijk, Vincent Van Quickenborne, jedenfalls hat in Presseinterviews Fundamentalkritik an der derzeitigen Parteiführung geäußert. "Es ist Zeit für einen Wechsel an der Spitze", zitiert ihn Het Laatste Nieuws. Und er selbst würde auch nicht Nein sagen, wenn man ihn für das Amt des VLD-Chefs vorschlagen würde. Das riecht nach einem waschechten Flügelkampf.
Bei den frankophonen Kollegen könnte die Stimmung auch besser sein. "Unruhe bei der MR", schrieb heute jedenfalls die Zeitung Le Soir. Demnach gibt es Stimmen innerhalb der Partei, die dafür plädieren, dass Charles Michel möglich schon im September seinen Stuhl als Parteichef räumt.
Michel übernimmt ja Ende des Jahres den Posten des EU-Ratsvorsitzenden. Und es sei nicht wünschenswert, dass Michel bis zum 1. Dezember am Ruder bleibe. Diese Ansicht vertreten, wie Le Soir schreibt, "sechs Minister, Ex-Minister und Parlamentarier", die zum jetzigen Zeitpunkt noch anonym bleiben wollen.
Wer soll das sein? Rätselraten bei den Blauen, die allesamt beteuern, dass es bei den diversen Vorstandssitzungen bislang keine derartigen Misstöne gegeben habe. Anonymität? Wer das nötig hat, der steht offensichtlich nicht zu seinen Ideen, oder hat ganz einfach schlechte Ideen.
Und in einem solchen Fall bleibt Anonymität besser anonym, so die doch kreative Formel des amtierenden wallonischen Regionalministers Jean-Luc Crucke. Wer was zu sagen hat, der sollte das tun, fordert auch Sabine Laruelle, die neue Interimsvorsitzende des Senats. Sie habe jedenfalls keine Lust auf Zorros mit Maske.
Später stellten sich 45 MR-Persönlichkeiten hinter ihren Vorsitzenden. Für den Beginn einer Sommerpause sind es aber in jedem Fall bewegte Zeiten.
Roger Pint