Es ist mal wieder so ein EU-Gipfel, auf dem der Brexit alle anderen Themen überschattet. Bei Ankunft der EU-Staats- und Regierungschefs am Donnerstagnachmittag in Brüssel wurden die meisten von den Journalisten nur danach gefragt, wie sie denn jetzt zum Brexit stehen.
May will eine Verlängerung bis Ende Juni verhandeln. Doch schon am Mittwoch teilte EU-Ratspräsident Donald Tusk mit, dass so ein Aufschub nur unter einer Bedingung zugestanden werden könnte. Der Bedingung nämlich, dass die Briten zuvor den Austrittsvertrag annehmen. Die EU also sicher sein kann, dass die Briten im Juni auch tatsächlich die EU verlassen.
Genau diesen Standpunkt nahm auch Charles Michel am Donnerstag ein, als er das EU-Ratsgebäude betrat. "Wir als 27 verbleibende EU-Mitgliedstaaten haben eine klare Position: Das britische Parlament muss klar sagen, was es will", so Michel. "Wir können den Briten möglicherweise auch mehr Zeit einräumen, aber wirklich nicht viel. Und das nur unter der Voraussetzung, dass das britische Parlament endlich den Austrittsvertrag unterstützt, der mit einer Zusatzerklärung ergänzt wurde."
Fast zeitgleich stellte Außenminister Didier Reynders in der Kammer den belgischen Standpunkt zum Brexit in nur leicht anderer Weise dar. Gefragt hatte der CD&V-Abgeordnete Vincent Van Petegehm. Dieser macht sich vor allem Sorgen um die flämischen Unternehmen. Sie würden unter einem harten Brexit ohne Vertrag wohl deutlich leiden.
Reynders konnte Van Peteghm immerhin ein bisschen beruhigen. "Der belgische Standpunkt lautet wie folgt: Belgien will keinen Austritt ohne Deal", so Reynders. "Belgien kann auch flexibel sein bezüglich einer kurzen oder längeren Verlängerung für den Brexit. Unter der Voraussetzung, dass ein klar definiertes Ziel dabei verfolgt wird. Und ohne, dass dadurch das reibungslose Funktionieren der EU gefährdet wird."
Mit dem reibungslosen Funktionieren der EU, damit deutete Reynders an, dass der Brexit vor den Europawahlen abgeschlossen sein muss, die am 23. Mai beginnen. Denn wenn dann die Briten noch in der EU wären, müssten sie eigentlich auch an den Wahlen teilnehmen. Träten sie kurz danach wieder aus, würde das die ganze Parlamentsarbeit durcheinanderbringen.
Andere Szenarien wären auch denkbar. Doch soweit wollen andere Gipfelteilnehmer noch gar nicht denken. Allen voran nicht die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel. Zu Spekulationen, was wenn wäre, sagte sie bei ihrer Ankunft im EU-Ratsgebäude: "Ich möchte mich mit diesen ganzen Fragen 'wenn, dann?' gar nicht so sehr beschäftigen. Wir wissen: Der 29. März ist das Austrittsdatum. Und wir sollten bis zum letzten Moment alles daransetzen, einen geordneten Brexit hinzubekommen."
Kay Wagner