Die MR will den vorgeschlagenen Gesetzestext für mehr Klimaschutzmaßnahmen nicht mittragen. Jedenfalls nicht in der Form, in der er vorliegt. Das machte die MR am Dienstag im zuständigen Kammerausschuss deutlich und versetzte einer schnellen Verabschiedung des Gesetzes damit quasi den Todesstoß.
Crux für die frankophonen Liberalen ist die Forderung, den Klimaschutz als gemeinsame Aufgabe des Föderalstaates und der Gebietskörperschaften in der Verfassung zu verankern. Denn das würde bedeuten, dass der Föderalstaat wieder federführend bei der Politikgestaltung für Klima, aber auch Energie und Verkehr würde, und nicht mehr die Regionen, sagte MR-Kammerfraktionschef David Clarinval.
Kompetenzverteilung
So eine Debatte über Zuständigkeiten sei aber gefährlich, weil dadurch die Frage der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Regionen wieder auf den Tisch käme. Die flämischen Nationalisten von der N-VA würden auf so eine Diskussion nur warten. "Wieder mehr Kompetenzen in Sachen Klima, Energie und Verkehr für den Bund, das würde sich die N-VA teuer bezahlen lassen", so Clarinval.
Die MR stellt sich jedoch nicht grundsätzlich gegen das neue Klimagesetz. Neue Klimamaßnahmen sollten aber nicht über eine Verfassungsänderung erreicht, sondern vielmehr in einem Kooperationsvertrag zwischen Bund und Regionen festgeschrieben werden. "Der Staatsrat, der sich zu dem Klimagesetz ja schon geäußert hat, schlägt genau diese Möglichkeit vor", erinnert Clarinval.
Schon die N-VA und die OpenVLD hatten sich skeptisch gegenüber dem vorgeschlagenen Klimagesetz geäußert. Sie würden es nicht mittragen, ließen sie verlauten. Jetzt stellt sich auch die MR dagegen. Und auch die CD&V scheint nicht viel Lust zu haben, das von den Grünen vorgeschlagene Gesetz zu unterstützen.
Entrüstung bei den Grünen
Bei Ecolo ruft das natürlich Entrüstung hervor. Co-Parteivorsitzender Jean-Marc Nollet wettert dabei vor allem gegen die MR. "Ihre Alternative ist im Grunde keine", sagt er. "Sie schlagen ja eine Zusammenarbeit zwischen den Regionen und der Föderalregierung vor. 20 Jahre arbeiten wir schon an so einer Absprache, also an der Alternative der Liberalen. Aber es ist ja offensichtlich: Dieses Modell funktioniert nicht."
Gleicher Ton bei Laurette Onkelinx von der PS. "Ein Kooperationsvertrag zwischen Bund und Regionen, dafür braucht man immer unheimlich viel Zeit. Es dauert Jahre, bis man irgendetwas unterzeichnen kann. Aber beim Klima herrscht jetzt Eile."
Dass die MR sich gegen das Klimagesetz stellt, darin sieht der Grüne Nollet eine Geringschätzung der besorgten Bürger, die in den vergangenen Wochen und Monaten für eine bessere Klimapolitik auf die Straße gegangen sind. "Die MR zeigt diesen Menschen quasi den Stinkefinger", sagte Nollet.
Anuna De Wever: "Eine Beleidigung"
Dass diese Menschen das tatsächlich so empfinden, das verdeutlichte die Reaktion von Anuna De Wever. Die flämische Schülerin, die als Kopf des belgischen Schülerprotestes für eine bessere Klimapolitik gilt, sagt in einem Video auf Twitter: "Seit über zehn Wochen erklären mir Politiker, wie ehrgeizig sie beim Thema Klimawandel seien und wie sehr auch sie möchten, dass die Dinge sich ändern."
"Und jetzt, wo sie die Chance haben, etwas zu tun, nämlich das Klimagesetz zu unterzeichnen, da weigern sie sich. Das ist eine Riesen-Beleidigung für all die tausend jungen Menschen, die seit Wochen immer wieder auf die Straße gehen." Wenn es den Politikern wirklich ernst sei mit ihrer angeblichen Sorge um das Klima, dann sollten sie jetzt das Klimagesetz unterzeichnen, fordert Anuna De Wever.
Kay Wagner