Die Zeitung L'Echo gab sich die Mühe, bei der Lütticher PS und der Lütticher MR nachzufragen, was an dieser Meldung dran sei. Denn die Wahl von Targnion soll von den beiden Mehrheitsparteien gemeinsam beschlossen worden sein. Bei beiden Parteien gab es keinen Kommentar zu der Personalie.
Dabei ist die Wahl von Targnion – sollte sie sich denn bestätigen – gelinde gesagt nicht ohne Brisanz. Denn Targnion gilt als eine Vertraute von Stéphane Moreau. Dieser Stéphane Moreau wiederum gilt als Architekt des Systems, das aus der Interkommunalen Publifin ein international tätiges Wirtschaftsunternehmen gemacht hat. Dank des operativen Arms von Publifin, des Tochterunternehmens Nethys.
Publifin und Nethys waren vor knapp zwei Jahren in den Strudel eines großen Skandals gekommen. Köpfe rollten, Regierungskoalitionen gingen in die Brüche, die Regionalregierung in Namur kündigte eine grundlegende Neustrukturierung von Publifin und Nethys an. Bislang ist das alles nur halbherzig umgesetzt worden. Auch deshalb, wie einige meinen, weil Stéphane Moreau weiter bei Nethys die Fäden in den Händen halte.
Stéphane Moreau
Denn anders, als von einigen gefordert, ist Moreau nicht von Nethys entfernt worden. Besonders stört das Alda Greoli, wallonische Vize-Ministerpräsidentin und Chefin der Lütticher CDH. "Einige behaupten ja: Ohne Stéphane Moreau würde Publifin zugrunde gehen. Aber hat es so etwas wirklich schon mal gegeben, dass irgendjemand in so einem Maße unersetzlich gewesen wäre? Wenn er tatsächlich in diesem hohen Maße unersetzlich ist, dann bedeutet das, dass er das ganze System so gestaltet hat, um unersetzlich zu werden", sagt Greoli der RTBF.
Greoli wirft Moreau vor, Nethys für seine persönliche Bereicherung zu missbrauchen. Deshalb trete er auch nicht freiwillig zurück – trotz aller Kritik an seiner Person. "Stéphane Moreau bleibt, weil er rund 700.000 Euro im Jahr verdient und weil er keine Lust hat, sein Gehalt zu verlieren", sagt Greoli.
Aus der PS war Moreau im Zuge des Skandals zwar selbst zurückgetreten – eher auf Druck denn aus freien Stücken. Auf die Unterstützung seiner damaligen Parteigenossen und auch von Politkern anderer Lager kann er sich wohl aber immer noch verlassen. Das meint zumindest Greoli. "Eins ist klar: Stéphane Moreau wird politisch unterstützt."
"Keine Änderung"
Und weil dies so sei, der Einfluss von Moreau in der Lütticher Politik bei PS und MR wohl immer noch groß sei, sei auch die Wahl von Muriel Targnion als neue Publifin-Präsidentin nicht unschuldig. Targnion hatte schon vor einem Jahr gegenüber der Zeitung L'Echo angegeben, nicht viel von den Neustrukturierungsplänen der wallonischen Regierung für Publifin und Nethys zu halten.
Wenn so eine Frau quasi zur obersten Chefin von Publifin und damit auch von Moreau wird, ist davon auszugehen, dass die Interkommunale von sich aus nicht viel tun wird, um Konsequenzen aus dem Skandal von vor zwei Jahren zu ziehen. Ganz im Gegenteil: Es darf vermutet werden, dass es weitergehen wird mit Mauscheleien und Zuschustereien.
Nicht nur Greoli sieht das so. Auch der Grüne Stéphane Hazée und der Ex-CDH-Politiker Cédric Halin, der den Publifin-Skandal damals ins Rollen gebracht hat, äußern sich im Interview mit L'Echo sehr skeptisch zur Personalie Muriel Targnion. Man darf gespannt sein, wie PS und MR die Ernennung von Targnion rechtfertigen, wenn sie denn offiziell werden sollte.
Kay Wagner
Schlussendlich wird die PTB von den Skandalen bei den Wahlen in 2019 profitieren. Und Stéphane Moreau wird so lange wie moeglich an der Spitze bleiben und sein Gehalt kassieren. Der hat sich rundum abgesichert. Die Politik hat hier eindeutig versagt. Es fehlt der Mut zum konsequenten Handeln.