Die RTBF fühlte sich am Montag berufen, das Gerücht um Charles Michel an die große Glocke zu hängen. Was daran wahr ist oder nicht, bleibt bislang ein Geheimnis. Aus dem Umfeld von Michel gab es keine Bestätigung dafür, dass der Premierminister eventuell mit einer Kandidatur in Brüssel spielt.
Allerdings muss so etwas schon kurz vor der Sommerpause mal als Gerücht die Runde gemacht haben. Denn damals äußerte sich Didier Reynders zu dem Thema: Eine Kandidatur von Michel in Brüssel? "Der Premier wird ja wohl nicht die MR-Liste in Brüssel durcheinanderwirbeln wollen", sagte Reynders damals.
Doch so ganz sicher scheint das nicht. Denn für einige Beobachter würde das durchaus Sinn machen. "Das ist eine symbolische, eine wichtige Region. Wenn die MR dort eine Wahllokomotive wie Charles Michel hat, könnte er so eine Art Gegengewicht sein zu dem erwarteten Aufstieg von Défi bei den kommenden Wahlen und zu der immer stärker werdenden N-VA und Theo Francken, der vielleicht ja auch Kandidat in Brüssel sein wird", sagt der Politologe Pierre Verjans von der Universität Lüttich.
Michel also als populäres Gegengewicht gegen die Bedrohung von Défi und N-VA? Das hat einiges für sich. Doch muss man bedenken, dass die MR bislang schon einen auch nicht gerade unpopulären Politiker als Spitzenkandidat in Brüssel hatte: nämlich den eben schon erwähnten Didier Reynders.
Das Problem ist nur: Reynders und Michel sind bekanntlich keine großen Freunde. Michel hatte sich 2010 aktiv am Sturz von Reynders als MR-Parteipräsident beteiligt. Eine Kandidatur von Michel in Brüssel: eine weitere Aktion, um dem ungeliebten Parteifreund eins auszuwischen? Verjans schließt das nicht aus. "Das ist vielleicht eine Gelegenheit für die Mannschaft von Charles Michel, den Widerstand des ehemaligen Herausforderers von Michel zu testen. Vielleicht könnte man Reynders auf diese Weise in die Regionalpolitik abschieben."
Ein anderer Platz für Reynders könnte Europa sein, falls Michel ihn aus Brüssel verdrängen sollte. Im kommenden Jahr sind ja auch Europawahlen. Für den aktuellen Außenminister vielleicht eine interessantere Spielwiese, als die Regionalpolitik. Wer weiß.
Pascal Delwit, Politikwissenschaftler an der Universität Brüssel, sieht aber auch drei potentielle Gefahren, die eine Kandidatur von Michel in Brüssel mit sich bringen könnte. Erstens, so Delwit, könnte das die Position der MR in Wallonisch-Brabant schwächen. Denn auch dort ist Michel ein Zugpferd, er kommt ja daher. Die MR könnte ohne ihn einen der drei bisher gehaltenen Kammer-Sitze durchaus verlieren.
Zweitens sieht Delwit die Gefahr, dass Michel ein schlechteres Ergebnis einfahren könnte, als Reynders bei den vergangenen Wahlen. Das wäre bei der Konkurrenz, die zwischen den beiden herrscht, alles andere als prickelnd für Michel.
Und drittens würde Michel mit einer Kandidatur in Brüssel seine Partei, die MR, noch ein wenig weiter von der wallonischen Bevölkerung entfernen, die sich ja schon jetzt nur sehr ungenügend repräsentiert fühlt in einer sehr flämisch dominierten Föderalregierung.
Das alles ist zum jetzigen Zeitpunkt - wie gesagt - nur Spekulation. Ob wirklich etwas daran ist, wird die Öffentlichkeit spätestens nach dem 14. Oktober erfahren. Wenn die Parteien nach den Kommunalwahlen die Listen für die Föderalwahlen erstellen werden.
Kay Wagner