Seit 1928 ertönen diese Klänge jeden Abend um 20:00 Uhr in Ypern zum Gedenken an die Toten: die Toten der Dritten Flandernschlacht. Ihre Namen sind im Menen-Tor verewigt, der Ort, an dem täglich der sogenannte "Last Post" geblasen wird.
Am Sonntag fand die Zeremonie in großem Rahmen statt. Rund 400 Personen hatten sich am Menen-Tor versammelt. Geladene Gäste, darunter König Philippe und Königin Mathilde sowie das britische Prinzenpaar William und Kate. Länger als sonst dauerte die Zeremonie, denn zur Feier des Tages wurden Reden gehalten.
Bewegende Worte, unterstrichen von Musik, fand König Philippe. "Jedes Mal", sagte er, "wenn wir hier unter dem Menen-Tor stehen, fühlen wir uns überwältigt von der Größe des Opfers der Männer, von deren Namen wir umgeben sind. Und wenn ein frischer Wind durch die Bögen weht, wird irgendetwas in jedem von uns berührt. Es ist so, als ob die Gefallenen uns sagen würden: Wir haben das für euch getan."
Große Show am Großen Markt von Ypern
Auch Prinz William durfte das Wort ergreifen. Seitens der Alliierten stellten die Briten das größte Kontingent an Soldaten. Soldaten, die nicht nur in Belgien starben, sondern auch hier begraben liegen. William sagte: "Im Ersten Weltkrieg standen Großbritannien und Belgien Schulter an Schulter. 100 Jahre später stehen wir immer noch zusammen, und versammeln uns, wie das so viele jeden Abend tun, um diesem Opfer zu gedenken. Danke für die Ehre, die Ihr uns erweist."
Die Zeremonie am Menen-Tor war allerdings erst der Auftakt für eine große Show am Großen Markt von Ypern, die bis 23:00 Uhr rund 8.000 Besucher vor Ort und zahlreiche TV-Zuschauer in Atem hielt. Besonders auch in Großbritannien. Die BBC hatte die Show organisiert, finanziert und nicht gekleckert. Viel besinnliche Musik, eine aufwendige Lichtshow und Stars wie die Schauspielerin Helen Mirren machten aus dem Gedenken ein großartiges Spektakel. Texte von Augenzeugen wurden verlesen, um das Grauen der Schlacht in Erinnerung zu rufen. Wie die folgende Passage: "Passchendaele war das Grab der Infanterie. Wir nannten es 'das Schlachthaus'".
Ästhetisierung und Verharmlosung
Die Zeitung De Morgen kritisiert in ihrer heutigen Ausgabe die Art dieser aufwendigen Erinnerung mit Lichtspektakel und Show. Das grenze an Ästhetisierung und damit an Verharmlosung. Sterben für das Vaterland bekäme unter den Augen von König und Prinz jetzt wieder den Anstrich des "Glorreichen". Dabei sei an der Schlacht nichts zu verharmlosen. Es sei ein sinnloses Abschlachten und Sterben von Menschen gewesen, ein Tiefpunkt in der jüngeren Geschichte Europas.
Zur Erinnerung an diesen Tiefpunkt waren auch Hinterbliebene von Opfern und Teilnehmern an der Schlacht nach Ypern gekommen, viele aus Großbritannien. So, wie diese Frau. Sie sagte: "Mein Großonkel Edward wurde in Passchendaele getötet am 20. Oktober 1917. Er gehörte zu meiner Familie. Er war mein Großonkel. Und ich denke, ich sollte mich daran erinnern. Und an ihn."
Oder dieser Mann, dessen Vater an der Frontlinie gekämpft und überlebt hatte. Er sagt: "Mein Vater hat mir von der Schlacht erzählt. Und er sagte, eine der schlimmsten Sachen war, Gruppen von Männern an die Frontlinie zu führen, die schon durch Gasattacken blind waren. Wir sind heute hier um uns daran zu erinnern, was er tat, und natürlich an all diejenigen zu denken, die die Große Schlacht nicht überlebt haben."
Die Schlacht von Passchendaele gehört zu einer der blutigsten und verlustreichsten Schlachten des Ersten Weltkriegs: In der Nähe von Ypern in Westflandern starteten die Alliierten unter Führung der Briten eine große Offensive gegen die deutschen Truppen. Ziel war es, die belgischen Nordseehäfen von der deutschen Besatzung zu befreien. Drei Monate dauerten die Kämpfe, mehr als 500.000 Soldaten verloren ihr Leben.
Die Schlacht endete mit der Eroberung des Dorfes Passchendaele durch die Alliierten, rund acht Kilometer nordöstlich von Ypern. Damit konnten die Briten und ihre Verbündete zwar eine strategisch wichtige Anhöhe erobern, ihr Ziel, die belgischen Seehäfen aus deutscher Hand zu befreien, gelang aber nicht.
Unter dem Namen Dritte Flandernschlacht oder auch Schlacht von Passchendaele ist diese Offensive in die Geschichtsbücher eingegangen. Eine Schlacht, die mehr als viele andere noch heute für die Grausamkeit und die Sinnlosigkeit des Krieges steht.
Kay Wagner - Bilder: Nicolas Maeterlinck/Alain Rolland/Benoit Doppagne/BELGA