"Van Peteghem will 16,6 Milliarden Euro einsparen", titeln De Standaard und Het Nieuwsblad. Der CD&V-Vizepremier und Haushaltsminister wird in den kommenden Tagen und Wochen viel zu tun haben. Ab Montag beginnt die Koalition nämlich mit ihren Arbeiten am Budget für das kommende Jahr. Die Zahlen sind bekanntlich blutrot. Einsparungen in Höhe von 16,6 Milliarden Euro sind für belgische Verhältnisse enorm. Die Haushaltsberatungen könnten die Arizona-Koalition denn auch auf eine harte Probe stellen.
Eine neue Umfrage könnte die Nervosität noch vergrößern. Veröffentlicht wird die von den Zeitungen Het Laatste Nieuws und Le Soir. Zwei Schlagzeilen fassen die wichtigsten Erkenntnisse zusammen. "Der Vlaams Belang ist jetzt größer als die N-VA", notiert Het Laatste Nieuws; "Die PTB erobert in Brüssel die Spitze", schreibt Le Soir. Die Entwicklung in Brüssel zeigt sich auch zumindest im Ansatz in der Wallonie: Die marxistische PTB hat offensichtlich den Wind in den Segeln, die Sozialisten haben sich erholt und die Liberalen verlieren an Boden.
Der Schatten des Vlaams Belang
Het Laatste Nieuws beschäftigt sich in seinem Kommentar – naturgemäß – mit der Lage in Flandern. Über der Föderalregierung hängt immer deutlicher der Schatten des Vlaams Belang, meint das Blatt. Und dafür müssen die Rechtsextremisten noch nicht einmal übermäßig präsent sein in der öffentlichen Debatte. Dieser Prozess findet fast schon im Hintergrund statt. Dass die N-VA jetzt in Umfragen vom Vlaams Belang entthront wird, dürfte innerhalb der Partei von Premierminister Bart De Wever für eine gewisse Nervosität sorgen. Während die neue Vorsitzende Valerie van Peel sich vor allem auf das politische Zentrum konzentriert, blutet die N-VA auf ihrer rechten Seite. Noch ist das kein Problem; eine Umfrage ist eben nur eine Umfrage, nicht weniger, aber auch nicht mehr. Dennoch darf man den Vlaams Belang eben nicht vergessen. Und wie kann man den Rechtsextremisten am besten den Wind aus den Segeln nehmen? Durch eine gute Politik, geführt von einer geschlossenen Equipe. Das sollten sich auch die Koalitionspartner hinter die Ohren schreiben. Unnötiger Knatsch innerhalb der Koalition nützt am Ende nur den Extremisten.
Ein Ort, an dem sich Gegner in die Augen schauen können
Viele Leitartikler beschäftigen sich aber auch mit der Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York. "Die Vereinten Nationen sind geschwächt, aber sie haben standgehalten", meint etwa Le Soir in seinem Kommentar. Allen voran US-Präsident Donald Trump hat mal wieder eine Breitseite auf die UNO abgefeuert: "ineffizient", "teuer", letztlich "unnötig". So weit, so erwartet. Aber immerhin hat Trump keine weitere Senkung der amerikanischen Beitragszahlungen angekündigt und auch keinen Rückzug aus der UNO, denn auch das konnte man im Vorfeld nicht mehr ausschließen. Es stimmt: Wie der Multilateralismus steckt auch die UNO in einer existenziellen Krise. Letztlich sind die Vereinten Nationen nur das, was ihre Mitglieder aus ihr machen. Die Reden von Trump und auch von Netanjahu können aber nicht die der vielen anderen in den Schatten stellen, die eine Lanze gebrochen haben für Zusammenarbeit und Respekt.
De Standaard sieht das ähnlich. US-Präsident Donald Trump hat es sich auch diesmal nicht nehmen lassen, am Rednerpult der UNO eben gegen diese UNO vom Leder zu ziehen. Letztlich erreicht er damit aber das Gegenteil dessen, was er offensichtlich anstrebt. Denn je mehr sich Trump aus UN-Organisationen zurückzieht und je lauter er die Vereinten Nationen kritisiert, desto relevanter scheinen sie zu werden. Denn, so machtlos die UNO auch sein mag, es ist immer noch der einzige Ort, wo sich die Staats- und Regierungschefs der Welt auf nicht gewaltsame Weise treffen, wo sie sich persönlich gegenüberstehen, wo Gegner einander in die Augen schauen können. Das Gebäude ist eigens so konzipiert, dass man sich in den Wandelgängen quasi über den Weg laufen muss. Je mehr die Welt in Brand steht, desto wichtiger werden solche Begegnungsstätten. Und wer weiß? Vielleicht sind die Angriffe des US-Präsidenten auf die Institutionen eigentlich nur ein Weckruf, den die UNO nötig hatte, um den Mut zu haben, das zu tun, wofür sie gegründet wurde.
Europa als vernünftige Alternative
"Der Multilateralismus ist tot. Es lebe der Multilateralismus!", meint auch L'Echo. US-Präsident Donald Trump hat keinen Hehl daraus gemacht, dass er die Vereinten Nationen für nutzlos hält. Und damit verbunden auch die Weltordnung. Für ihn gibt es nur das Gesetz des Stärkeren. Wenn diese Weltsicht auch an vielen Orten des Globus immer mehr Anhänger findet, so bleibt sie doch eine Illusion. Denn in einer Welt, die derart verkettet und vernetzt ist, braucht es immer eine kollektive Regulierung. Isolation, auch wenn sie selbstgewählt ist, ist zwangsläufig zum Scheitern verurteilt. Die UNO ist also nötiger denn je. Klar: Das wird ein langer und steiniger Weg und der Multilateralismus wird nicht von selbst überleben. Wir Europäer sollten da entschlossen voranschreiten.
Für De Tijd ist das sogar von existenzieller Bedeutung für Europa. Trump hat in seiner Rede nicht nur Fundamentalkritik an der UNO geübt, sondern auch einen neuen Frontalangriff auf Europa gestartet. Einmal mehr wurde deutlich, dass er ein vereinigtes Europa als eine Gefahr für die amerikanische Dominanz betrachtet. Seit seinem Amtsantritt lässt er nichts unversucht, um den Alten Kontinent zu schwächen. Die transatlantische Freundschaft wirkt wie ein Relikt aus vergangenen Zeiten. Eben vor diesem Hintergrund müssen wir Europäer jetzt dringend näher zusammenrücken und zugleich unseren Blick auf die Welt erweitern, indem man etwa pragmatisch Partnerschaften auf anderen Kontinenten anstrebt. Erst recht in dieser, heutigen Welt mit einem tyrannischen Amerika und einem autokratischen China kann Europa zu einer vernünftigen Alternative werden.
Kein "Daddy Trump"
Unser belgischer Premierminister Bart De Wever ist da schon mit gutem Beispiel vorangegangen, findet Het Belang van Limburg. Er gab am Rednerpult eine starke Replik auf Trump und seine Weltsicht. Etwa, als er das aktuelle Dominanzdenken anprangerte, das er mit einem Satz des antiken griechischen Historikers Thukydides auf den Punkt brachte: "Die Starken tun, was sie können, und die Schwachen erleiden, was sie müssen". In einer solchen Welt wolle er nicht leben, bekräftigte De Wever. Stattdessen rief er auf zu gegenseitigem Respekt und Zusammenarbeit. In einer Welt, in der die mächtigste Person mit der Launenhaftigkeit eines Kleinkindes regiert und so ungefähr jeder schamlos nach deren Pfeife tanzt, war De Wevers Rede höchst willkommen: keine Verbeugung, keine Schmeicheleien und auch kein "Daddy Trump". Sondern deutlich machen, wofür wir Europäer stehen.
Roger Pint