"Arizona atmet wieder", so die Schlagzeile von Gazet Van Antwerpen. "Vooruit kehrt an den Verhandlungstisch zurück", schreibt nüchtern das GrenzEcho. "Dies allerdings mit großen Zweifeln", fügt Het Nieuwsblad hinzu.
Die Arizona-Koalition ist wieder im Spiel. Regierungsbildner Bart De Wever hatte vor einigen Tagen ein neues Eckpunktepapier unterbreitet. Und Freitagmittag gaben die flämischen Sozialisten Vooruit bekannt, dass sie bereit sind, auf dieser Grundlage zu verhandeln. Die neue Note stelle eine Öffnung dar, begründet Vooruit-Chef Conner Rousseau diesen Schritt. Nun gebe es tatsächlich Verhandlungsspielraum, um am Ende eine ausgewogenere Lastenverteilung erreichen zu können. Das bleibe der erklärte Wille der flämischen Sozialisten. "Sollte diese Tür wieder zugeschlagen werden, dann war's das", sagt Rousseau. Auf der anderen Seite des Tischs ist das Vertrauen aber auch nicht unbedingt größer: "Der schnellste Weg hin zu einer Regierung, das ist der ohne Vooruit", sagt der MR-Vorsitzende Georges-Louis Bouchez auf Seite eins von Het Laatste Nieuws.
Aus dem Koma erwacht
Arizona ist also nun aus dem Koma erwacht, konstatiert nüchtern Het Belang van Limburg in seinem Leitartikel. Und was lernen wir daraus? Auch in der Politik kann man nicht durch eine Mauer laufen, wenn dort keine Tür ist. Besagte Tür hat Regierungsbildner Bart De Wever installiert: Seine neue Note tendierte wesentlich deutlicher nach links als die Vorgängertexte.
Vooruit-Chef Conner Rousseau hatte wohl geglaubt, dass sein MR-Kollege Georges-Louis Bouchez das Papier aus diesem Grund zurückweisen würde. Dann wäre der Schwarze Peter an die Blauen gegangen. Bouchez tappte aber nicht in diese Falle und damit blieb Rousseau nichts anderes übrig, als anzubeißen. Wie dem auch sei: Jetzt bleibt nur noch zu hoffen, dass es bei den nun anstehenden Gesprächen nicht mehr um besagten Schwarzen Peter geht, sondern um ein Koalitionsabkommen.
"Vooruit!"
Man sollte jetzt dem Namen der flämischen Sozialisten alle Ehre machen, mahnt De Tijd: "Vooruit!", "Vorwärts!". Und das geht tatsächlich auch nur, wenn die vier anderen Arizona-Partner wirkliche Empathie zeigen angesichts der Situation, in der sich der rote Partner befindet. Denn auch Vooruit wird das Koalitionsabkommen am Ende seiner Basis zur Abstimmung vorlegen und seinen Mitgliedern verkaufen müssen. In jedem Fall ist jetzt wirklich keine Zeit mehr zu verlieren. In den USA ziehen dunkle Wolken auf, was gerade für eine kleine, offene und exportorientierte Wirtschaft keine gute Nachricht ist. Darüber hinaus gehört Belgien zu den schlechtesten Haushalts-Schülern innerhalb der EU, was tiefgreifende Reformen umso nötiger macht, insbesondere im Rentensystem. Deswegen jetzt bitte: Volle Kraft voraus!
"Jetzt bitte schnell eine neue Regierung!", fordert auch Le Soir. Günstiger werden die Bedingungen jedenfalls nicht mehr. Die Kommunalwahlen sind jetzt aus den Füßen, die fünf Arizona-Parteien wurden dabei im Übrigen noch einmal bestätigt. Vooruit hat sich jetzt auch noch einmal öffentlich und weithin sichtbar positionieren können. Jetzt müssen alle zusammen den Sprung machen. Der Wind steht günstiger, als man vielleicht glauben könnte. Dies auch - und man muss es betonen - weil Regierungsbildner Bart De Wever bei alledem vorbildliche Ruhe bewahrt hat. Ein Scheitern ist jetzt nicht mehr erlaubt.
Jetzt gibt es wirklich kein Zurück mehr, ist Gazet Van Antwerpen überzeugt. 160 Tage hat es gedauert, bis die fünf Parteien wirklich zum Kern der Sache kommen konnten. Mit Vooruit hat Freitag der letzte Partner Grünes Licht gegeben. Wenn das Ganze jetzt noch scheitert, dann wäre das wirklich niemandem mehr zu verkaufen. Grundvoraussetzung ist allerdings, dass die beiden Ober-Streithähne, nämlich Conner Rousseau und Georges-Louis Bouchez, jetzt mal ihr Ego ein wenig zurücknehmen. Hoffentlich haben die beiden inzwischen verstanden, dass vor allem die Kommunikation am Verhandlungstisch zählt und nicht ihre zwanghafte Außendarstellung.
Ein ideologischer Streit
De Morgen hält diese Analyse für etwas zu oberflächlich. Natürlich geht es in der Politik um Egos, natürlich spielt bei jeder Entscheidung oder Nicht-Entscheidung Kommunikation eine zentrale Rolle. Man mag es Spektakel-Politik nennen, aber das ist im vorliegenden Fall nicht das Problem. Man muss sich vielmehr einfach nur vor Augen halten, vor welchen Herausforderungen die nächste Regierung steht: Sie muss gleich durch drei brennende Reifen springen, muss den Haushalt sanieren, nachhaltige und tiefgreifende Reformen in Gang setzen und außerdem noch für ein günstiges Investitionsklima sorgen.
Den Streit über das "Wie?", den kann man nicht mehr auf Egos reduzieren, hier geht es schlicht und einfach um Ideologie. Einfach nur zu behaupten, dass das Ganze an der Persönlichkeit einzelner Parteipräsidenten scheitert, ist schädlich. Eben weil man damit ausblendet, dass die Politik vor einer gigantischen Herausforderung steht.
Belgien ist nicht unregierbar - Packen wir's an!
Wenn man sich den Rest der Welt so anschaut, dann sind die belgischen Probleme aber inzwischen eigentlich fast schon harmlos, meint De Standaard. Immerhin geht es hierzulande noch um rein politische, inhaltliche Probleme. Natürlich sorgt das für zum Teil tiefe Meinungsverschiedenheiten. Doch heißt das nicht, dass Belgien dafür unregierbar wäre. Diese ewige Feststellung von Bart De Wever, die meist mit einer Drohung verbunden war, läuft inzwischen ins Leere.
Die Niederlande standen am Freitag wirklich kurz vor der Unregierbarkeit, in Deutschland droht nach der vorgezogenen Bundestagswahl das gleiche, in Frankreich regiert eine Minderheitsregierung, die zu einem erheblichen Maß vom Gutdünken der Rechtsextremisten abhängt; und allein die Profile der neuen US-Regierung erwecken das Bild einer dekadenten Republik, in der die Interessen des Staates zweitrangig geworden sind. Vor diesem Hintergrund ist die belgische Hängepartie dann plötzlich gar nicht mehr zu furchtbar. Die Arizona-Parteien müssen sich "nur" auf den Weg einigen, wie sie die Herausforderungen angehen wollen. Packen wir's an!