"Zwischen ambitionierten Zielen und vagen Zahlen und Versprechen - die Pläne der neuen wallonischen Regierung im Fokus", titelt das GrenzEcho. "Die neue wallonische Regierung will eine Straßenvignette – nicht das erste Mal, dass dieser Vorschlag auf dem Tisch liegt", schreibt Gazet van Antwerpen. "Ist eine wallonische Vignette realistisch?", fragt L'Echo. "Auto-Vignette: Wer wird auf den Straßen der Wallonie zahlen", lautet die Überschrift bei La Dernière Heure. "Nach der Einigung jetzt die haarige Wahl der Minister", blickt La Libre Belgique voraus.
Wohl kaum eine Koalition hat in der Vergangenheit die Latte so hoch gelegt wie die neue wallonische Regionalregierung, kommentiert das GrenzEcho. Dass die Bildung von neuen Koalitionen für belgische Verhältnisse derart einfach erscheint, ist aber an sich noch keine Erfolgsgarantie. Für die Mittelklasse und für junge Menschen in Arbeit sollen in der Wallonie Steuern und Abgaben um 1,5 Milliarden Euro verringert werden. Gleichzeitig soll aber das Haushaltsdefizit bis zum Ende der Legislatur um die Hälfte gedrückt werden. Das klingt sehr gut, aber für euphorische Jubelschreie über das "Ende der Tabus" oder die Abkehr vom vermeintlichen "PS-Staat" ist es noch viel zu früh. Denn woher sollen die Mittel kommen für diese finanzpolitischen Vorstellungen? Kürzungen bei der Anzahl Minister und weniger öffentliche Ausgaben sind richtig, angesichts der Milliardenlöcher aber nur symbolischer Natur, meint das GrenzEcho.
MR und Les Engagés dürfen nicht auf Konflikt setzen
La Dernière Heure listet drei Probleme des neuen Regierungsprogramms auf: Erstens eine sehr vage Finanzierung. Die Reduzierung des Personals wird jedenfalls nicht reichen, um das Haushaltsloch zu stopfen. Zweitens: Immer noch nichts für die Klimawende und den Kampf gegen PFAS. Und das, obwohl beides essenzielle Themen sind. Drittens Spannungen: Die Pläne für das Bildungswesen treiben die Lehrer schon jetzt auf die Barrikaden, es droht ein neuer "Schulkrieg". Und schließlich ist da auch noch die Idee einer Straßenvignette. Die macht zwar budgetär betrachtet Sinn. Aber wird kaum eine Rolle spielen, wenn es sich um einen wallonischen Alleingang handelt, kritisiert La Dernière Heure.
Die Ankündigungen der Chefs von MR und Les Engagés sind ja schön und gut, schreibt sinngemäß L'Echo. Aber die Wallonie braucht mehr als nur politische Slogans. Beide Parteien müssen schnell eine realistische industrielle Vision für die Region liefern, der Arbeitsplätze fehlen. Wenn die Wallonie bis 2030 einen Beschäftigungsgrad von 80 Prozent erreichen will, muss sie außerdem 300.000 zusätzliche Menschen in Arbeit bringen. Das sind 70.000 mehr als es aktuell Arbeitslose gibt. Um das zu schaffen, dürfen MR und Les Engagés nicht auf Konflikt setzen. Sie müssen stattdessen alle Akteure mit ins Boot holen und an allen Stellschrauben drehen. Nur so wird es gelingen, einen Weg zu nachhaltigem Wachstum zu entwerfen, ist L'Echo überzeugt.
Die neue Koalition muss ein Gleichgewicht finden, appelliert auch Le Soir. MR und Les Engagés müssen die Akteure überzeugen, die geplanten Reformen zu unterstützen. Und dabei Befürchtungen entkräften, dass die Reformen mehr schaden als nutzen. Das Ganze mit der prekären Haushaltssituation im Nacken. Die Parteien sollten sich auch immer vor Augen halten, dass der Weg zu einer Modernisierung der Wallonie nicht über eine Schwächung des öffentlichen Dienstes führen darf, warnt Le Soir.
Das Momentum nutzen
La Libre Belgique greift die positive Überraschung in Flandern über die Regierungsbildung im frankophonen Landesteil auf: Dieses Momentum darf nicht verschwendet werden. Unsere politisch Verantwortlichen müssen das vielmehr dazu nutzen, um die Verbindungen zwischen den Landesteilen und den schon fast toten Konzertierungsausschuss wiederzubeleben. Denn das ist nicht nur im Interesse des Föderalstaates, sondern auch im Interesse aller Bürger, unterstreicht La Libre Belgique.
Het Belang van Limburg macht sich Gedanken über mögliche Konsequenzen der wallonischen Pläne für Flandern, insbesondere in puncto einer potenziellen Abschaffung der Provinzen: Es wird interessant sein zu sehen, was die nächste flämische Regionalregierung in Kürze dazu zu sagen haben wird. Eines ist sicher: Die aktuelle Begräbnisstimmung rund um die Provinzen tut niemandem gut. Die Macht und die Zuständigkeiten der Provinzen sind über die Jahre immer weiter ausgehöhlt worden, im Grunde wird hier über nichts Wichtiges mehr gesprochen. So weiterzumachen wie bisher und so zu tun, als ob nichts gewesen wäre, das wäre jedenfalls aus Sicht der Bürger reine Geldverschwendung. Aber die Provinzen einfach mit einer Unterschrift wegzufegen, so wie es die Wallonie will, beinhaltet auch Gefahren. Nicht zuletzt für Provinzen an der Peripherie wie Limburg, mahnt Het Belang van Limburg.
Den Teufelskreis durchbrechen
De Standaard greift sich einen anderen Punkt heraus: Die neue Regierung in der Wallonie und in der Französischen Gemeinschaft will ein Totalverbot von Smartphones in der Grundschule und in den ersten drei Jahren der Sekundarschule. So ein Verbot kann Eltern dabei helfen, den Smartphone-Konsum ihrer Kinder besser zu steuern. Außerdem hat ein generelles Verbot den Vorteil, dass sich die Schulen nicht individuell mit dieser Diskussion befassen müssen. Und es verbessert auch die Situation auf den Pausenhöfen. Auch wenn die Realität natürlich ist, dass sich das Rad der Zeit nicht zurückdrehen lässt und technische Neuerungen nicht ungeschehen gemacht werden können, bedauert De Standaard.
Endlich passiert etwas beim Umgang mit Smartphones in der Schule, jubelt hingegen ohne Einschränkung Het Nieuwsblad. Man kann nur hoffen, dass Flandern dem wallonischen Beispiel schnell folgen wird. Denn Smartphones sind ein schleichendes Gift, das eine ganze Generation junger Menschen verdirbt. Die Menschheit wird eines Tages zweifellos zurückblicken und sich an den Kopf fassen angesichts der Tatsache, dass wir Kindern und Jugendlichen massenhaft und unkontrolliert den Zugang zu Smartphones erlaubt haben. Denn die abhängig machenden Algorithmen dieser Maschinen und Apps haben nur ein Ziel: Die Gehirne von Heranwachsenden so umzubauen, dass sie die Kassen der Technologiekonzerne klingeln lassen. Es ist auch kein Zufall, dass Smartphone-freie Schulen gerade im Silicon Valley besonders beliebt sind. Die Ingenieure der Tech-Konzerne wissen selbst am besten um die toxischen Ergebnisse ihrer Arbeit. Dabei muss man doch nur die Schuldirektoren, Lehrer und Eltern fragen: Smartphone-Verbote führen zu weniger Mobbing, die Schüler treiben mehr Sport und verbessern allgemein die Atmosphäre deutlich. Und jetzt nicht mit dem Argument kommen, dass Smartphones doch auch nützlich sein können. Die allermeisten Kinder und Jugendlichen verbringen ihre Stunden am Smarthone nicht mit dem Verfolgen von Weltnachrichten. Sondern mit dem hirnlosen Scrollen von einem belanglosen Filmchen zum nächsten. Dieser Teufelskreis muss endlich durchbrochen werden. Und das beginnt in der Schule, wettert Het Nieuwsblad.
Boris Schmidt