"Clash der Titanen – Evenepoel gegen Pogacar", titelt Gazet van Antwerpen. "Das Aufeinanderprallen der Kannibalen", kündigt La Dernière Heure an. Für Le Soir ist es "die Königsversion der Schlacht in den Ardennen". "Wird Remco Evenepoel in Lüttich triumphieren?", fragt De Morgen. "'Ich habe keine Angst vor Pogacar'", zitiert jedenfalls L'Avenir Evenepoel auf Seite eins.
Auf den Titelseiten der Zeitungen steht heute vor allem der Radklassiker Lüttich-Bastogne-Lüttich im Vordergrund, der morgen stattfinden wird. Für die Leitartikel gibt es aber fast nur ein Thema: die jüngsten politischen Skandale und ihre Folgen. Dabei steht vor allem die Kontroverse um die Pensionsboni für Parlamentarier im Mittelpunkt.
Bescheidenheit ist das Wort, das einem bei solchen Meldungen in den Sinn kommt, schreibt das GrenzEcho. Bescheidenheit ist etwas, das viele Politiker nie hatten oder das sie verloren haben, wenn sie sich – wie in aktuellen Fällen – wie im Selbstbedienungsladen aufführen. Was neben mehr Bescheidenheit außerdem helfen würde? Totale Transparenz. Finanzielle Vergünstigungen für Politiker lösen immer Emotionen aus und dürften auch in Zukunft von vielen Menschen als zu hoch empfunden werden. Das Mindeste wäre jedoch, dass alle Zahlen auf den Tisch kommen, damit jeder sich ein Bild machen kann. In diesem Sinne darf es nicht bei einigen Korrekturen bleiben, sondern das gesamte System gehört auf den Prüfstand, fordert das GrenzEcho.
Über gesunden Menschenverstand und Frösche
Das Frustrierende und eigentlich Unbegreifliche bei vielen dieser Affären ist, dass es oft nicht um Gesetze geht, die übertreten worden sind oder um Dinge, die Institutionen verlangen, kommentiert Het Nieuwsblad. Es geht um einen Reflex, der einfach nicht da ist. Für Politiker scheint es immer viel einfacher zu sein, für die Bevölkerung Regeln aufzustellen und Gesetze zu erlassen, als sich selbst daran zu halten. Es scheint oft einfach an gesundem Menschenverstand zu mangeln. Damit sollte man denn auch anfangen, mit dem Zurückbringen des gesunden Menschenverstandes. Nicht mit externen Kontrollorganen oder einer Verschärfung geltender Gesetze, meint Het Nieuwsblad.
La Libre Belgique fühlt sich an die anekdotische Geschichte mit dem Frosch im Topf mit dem kochenden Wasser erinnert: So wie der Frosch scheinen auch Politiker nicht zu merken, wie das zunächst lauwarme Wasser immer heißer und heißer wird. Bis es dann zu spät ist. Deswegen muss jetzt gehandelt werden, bevor der Politiküberdruss überkocht und unumkehrbar wird, bevor unsere Demokratie wirklich ins Wanken gerät, warnt La Libre Belgique.
"Demokratie ist die schlechteste aller Regierungsformen – abgesehen von all den anderen Formen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert worden sind", greift L'Echo in diesem Zusammenhang ein bekanntes Zitat von Winston Churchill auf. Denn trotz all seiner Fehler ist nicht unser System der repräsentativen Demokratie das eigentliche Problem, sondern die Aufrichtigkeit und Redlichkeit seiner Vertreter. Die Politik muss sich wirklich zusammenreißen, sich ihrer Verantwortung stellen und Transparenz und Kontrolle ganz obenan stellen. Denn wir dürfen nie vergessen, dass die erwähnten "anderen Regierungsformen" im Hinterhalt lauern, stets bereit, die Macht zu übernehmen, so L'Echo.
Weniger, aber besser!
150 Kammerabgeordnete plus zehn kooptierte Senatoren plus 124 flämische, 75 wallonische, 89 Brüsseler und 25 deutschsprachige Parlamentarier. Macht zusammen 473 Parlamentsmitglieder, rechnet Het Laatste Nieuws vor. Minister und Provinzräte noch nicht mitgezählt. Auf die Bevölkerung umgerechnet brauchen nur wenige andere Länder in Europa so eine hohe Politikerdichte, um sich regieren zu lassen. Analysen gehen davon aus, dass sich die Zahl der Sitze in allen Parlamenten um rund ein Drittel reduzieren ließe. Aber weil die Menschen, die am meisten von diesem großzügigen System profitieren, auch darüber abstimmen müssten, sind alle entsprechenden Vorstöße bisher im Sand verlaufen. Es ist an der Zeit für weniger, aber bessere Politiker. Wir brauchen eine kompaktere, aber engagierte Gruppe von Berufspolitikern aller Couleur mit Visionen, die hart arbeiten wollen, um das Land besser zu machen. Politiker, die transparent und konsequent sind bezüglich ihrer Bezüge. Politiker, die nicht immer nur nach Hintertürchen und Sonderregelungen suchen. Politiker, die dann auch eine Entlohnung verdienen, wie sie Spitzenmanagern im Privatsektor gegönnt wird, wünscht sich Het Laatste Nieuws.
De Tijd scheint in die gleiche Kerbe zu schlagen: Das Problem ist nicht, dass Politikern zu viel bezahlt wird. Schließlich ist es normal, dass das Tragen großer Verantwortung auch gut – aber vor allem auch transparent – bezahlt wird. Dennoch verdient beispielsweise ein Premierminister oder Ministerpräsident leicht zehn Mal weniger als der Geschäftsführer eines an der Börse geführten belgischen Topbetriebs. Eine Gesellschaft bekommt immer die Politiker, die sie verdient. Und man muss festhalten, dass echte Talente in der belgischen Politik immer rarer gesät sind. Wer wirkliches Potenzial hat, wird oft abgeschreckt durch das Image eines festgefahrenen Systems, eines Zirkus, in dem sich ohnehin nichts mehr erreichen lässt. Nur Versager scheinen sich noch für eine Karriere in der Politik zu entscheiden. Der Vorschlag eines Systems mit weniger, aber besser bezahlten Politikern liegt also nahe. Wobei Transparenz natürlich an oberster Stelle stehen muss. Wir brauchen starke Politiker, die mutige und gute Entscheidungen treffen und langfristige Antworten auf die hochkomplexen Probleme unserer Gesellschaft erarbeiten können. Solche Politiker wären ihr Geld mehr als wert, findet De Tijd.
Warum noch über Selbstverständlichkeiten debattieren?
Neben den Pensionsboni schlägt aber auch die Logo-Affäre von Staatssekretärin Sarah Schlitz unübersehbar Wellen: Solange sie dafür ihr eigenes Geld oder das ihrer Partei verwenden, dürfen Politiker gerne so viel Wahlkampf führen, wie sie wollen, hält Gazet van Antwerpen fest. Und gerade in Belgien ist es eigentlich schon ein Skandal, wie viel Geld zur Verfügung gestellt wird, um Politiker und ihre Arbeit anzupreisen. Da muss es doch wirklich nicht mehr sein, dass Politiker für ihre Eigenwerbung auch noch offizielle Dokumente und Bekanntmachungen benutzen. Sarah Schlitz war aber auch noch mutig oder dumm genug, knallhart darüber zu lügen. Weil sie dabei erwischt worden ist, hängt ihr Schicksal nun am seidenen Faden – und das ist eigentlich nicht nachvollziehbar. Eine Staatssekretärin, die dreist lügt, verdient die Entlassung. Es ist unbegreiflich, dass sich das Parlament nun noch damit befassen muss. Eigentlich ist ein Rücktritt unter solchen Umständen doch eine Selbstverständlichkeit. Oder sollte es zumindest sein, giftet Gazet van Antwerpen.
Boris Schmidt