"Brüssel: Chaotische Räumung eines besetzten Hauses sorgt für Kritik und Polemik – zahlreiche Personen müssen die Nacht auf der Straße verbringen", so das GrenzEcho auf Seite eins. "Für die 'Besetzer' des Palais des Droits heißt es zurück auf die Straße", titelt Le Soir. "60 Zelte am Petit-Château", beschreibt Het Laatste Nieuws die neue Lage am Brüsseler Asylzentrum.
Die Räumung des größten besetzten Hauses des Landes, des Palais des Droits in der Rue des Palais, hat in einem Fiasko geendet, stellt La Libre Belgique in ihrem Leitartikel fest. Mehr als tausend Personen hatten sich zuletzt in dem Gebäude aufgehalten, darunter viele Asylsuchende. Aber die unhaltbaren sanitären und sicherheitstechnischen Zustände ließen am Ende keine andere Wahl, als das Gebäude in der Brüsseler Stadtgemeinde Schaerbeek evakuieren zu lassen. Die Behörden versprachen, alle Menschen anderweitig unterzubringen. Aber am Mittwochabend landeten 200 von ihnen doch auf der Straße, trotz der Verpflichtung des Staats, Obdach und Verpflegung zu stellen. Zurück auf Start also, stöhnt La Libre Belgique.
Die eigene Lächerlichkeit organisiert
Le Soir prangert an, wie lange die himmelschreienden Zustände in dem besetzten Gebäude von den Behörden ignoriert wurden und dass diese Zeit nicht sinnvoll genutzt wurde. Nämlich für einen ordentlichen Ablauf der Evakuierung. Und um den rassistischen Feuern der Extremisten nicht noch mehr Nahrung zu geben, allen voran denen des Vlaams Belang. Beides ist gescheitert. Der Palais des Droits wird mittlerweile als Symbol für das Nichtfunktionieren der belgischen Institutionen ins Feld geführt, als Beispiel für ihre unendliche Komplexität – oder doch zumindest für die Unfähigkeit der politisch Verantwortlichen, das System so gut es eben geht am Laufen zu halten, so Le Soir.
Was neben dem absolut schändlichen Gezerre um Menschen am stärksten im Gedächtnis bleibt, ist die miserable Vorgehensweise, schreibt De Standaard. Auch wenn es niemand geglaubt hat, aber offensichtlich war die Identifizierung von ein paar hundert Personen und ihr ordentlicher Transport ein unmöglicher Auftrag. Drei Tage hat die Räumung letztlich gedauert, drei Tage Chaos und politische Grabenkämpfe. Auf allen Ebenen war der Konsens offenbar, nur das Allernotwendigste zu tun im engsten Rahmen der eigenen Zuständigkeiten und den Rest zu Problemen anderer zu machen. Aus einer simplen logistischen Herausforderung wurde so ein Versagen des politischen Systems: Wir haben die Ineffizienz und Lächerlichkeit unserer eigenen Politik organisiert, giftet De Standaard.
Absichtliches Chaos?
Die Unterbringung von Flüchtlingen in unserem Land hat so einen Tiefpunkt erreicht, dass man vermuten könnte, das Ganze sei Absicht, schreibt Het Belang van Limburg. Ein Damm sozusagen gegen den so oft beschworenen "Ansaugeffekt". Soll das Chaos also Menschen von Belgien fernhalten? Dann müsste der Zustrom an Flüchtlingen ja eigentlich zurückgehen, denn die Unterbringungskrise dauert schon eine ganze Weile. Aber die Zahlen verändern sich kaum, betont Het Belang van Limburg.
Wir leben in einem Rechtsstaat, Punkt, unterstreicht L'Echo. Das bedeutet, dass die Gesetze respektiert werden müssen – auch die, die vorschreiben, dass die Behörden Asylsuchende unterbringen und versorgen müssen. Und ja, die Politik hat auch schon etwas getan, zum Beispiel in puncto mehr Aufnahmeplätze. Aber das ist letztlich nur Flickwerk an einer Bresche: Weil es wahltechnisch ein sehr undankbares Thema ist, mangelt es stets an politischem Willen, die Herausforderung auch wirklich anzugehen. Das Migrationsproblem wird auch nicht verschwinden, deswegen muss Belgien in effiziente und dauerhafte Maßnahmen investieren. Und Europa muss endlich zu einem integrierteren und leistungsfähigeren Umgang mit dem Problem finden, fordert L'Echo.
Nur ein erster Schritt im Kampf gegen die Drogen-Hydra
Zweites großes Thema in den Kommentaren ist die Ankündigung eines neuen Sieben-Punkte-Plans, mit dem die Föderalregierung die Drogenkriminalität in Belgien stärker bekämpfen will: Durch die Einberufung des Nationalen Sicherheitsrats hat die Regierung zumindest gezeigt, dass es ihr ernst ist, räumt Gazet van Antwerpen ein. Auch wenn das durchaus früher hätte passieren können. Der Plan für den Kampf gegen den Narco-Terrorismus ist ehrgeizig, zugegeben. Aber bekanntermaßen stehen zwischen Versprechen und der Umsetzung dieser Versprechen noch viele Hindernisse. Aber wir sollten nicht zu negativ sein: Wenn die Politik einsieht, dass das nur ein erster Schritt sein kann und weitere folgen müssen, dann könnte das endlich der Beginn einer Drogenpolitik sein, die auch tatsächlich etwas erreichen könnte, hofft Gazet van Antwerpen.
Es gibt keine "Silver Bullet", keine allein seligmachende Wunderwaffe im Kampf gegen das vielköpfige Drogenmonster, hebt De Tijd hervor. Die verkündeten Maßnahmen sind alle noch nicht perfekt, noch gar nicht ausgeführt oder haben ihre Wirkung noch nicht entfalten können. Wir werden auch erst sehen müssen, ob sie ausreichen werden. Klar ist aber: Der Kampf gegen die Hydra muss kollektiv und umfassend geführt werden – bevor sie sich noch weiter ausbreiten kann, warnt De Tijd.
La Dernière Heure geht spezifisch auf eine der Maßnahmen ein, deutlich empfindlichere Strafen von bis zu 1.000 Euro für Kokainbesitz. Das reicht nicht, findet die Zeitung, das sieht man schon bei der Problematik von anderen Drogen am Steuer. Die Strafen sind einfach nicht schwer genug, um Wiederholungstäter abzuschrecken. Natürlich sollte Prävention die erste Wahl bleiben im Kampf gegen Drogen. Aber wenn wir schon zur Repression greifen, dann brauchen wir wirklich einschneidende Strafen. Nulltoleranz wäre eine effektive Waffe – wenn sie denn angewandt würde, beklagt La Dernière Heure.
Boris Schmidt