"Vivaldi will mehr Atommeiler länger am Netz halten", titelt De Tijd. "Nun sollen auch die ältesten Atommeiler weiterlaufen", so die Schlagzeile von Het Belang van Limburg. "Atomenergie? Die Regierung will sie wieder", heißt es bei L'Avenir auf Seite eins.
Das Kernkabinett der Föderalregierung hat am Freitag beschlossen, eine Laufzeitverlängerung der Atommeiler Doel 1 und 2 sowie Tihange 1 prüfen zu lassen. Eigentlich sollten sie 2025 abgeschaltet werden. Jetzt möchte die Regierung sie bis 2027 weiter am Netz lassen, um die Stromversorgung des Landes zu sichern.
De Tijd kommentiert dazu: Dieses ganze Hin und Her mit dem eigentlich geplanten Ausstieg aus der Kernenergie und der jetzt Stück für Stück vollzogenen Kehrtwende hätte vermieden werden können. Und im Grunde ist es unverzeihlich, dass Belgien bei einer so wichtigen Frage wie der Energieversorgung einen solchen Schlingerkurs fährt. Nur wegen den Dogmen der Grünen. Hätte Belgien früher und entschlossener gehandelt, hätten wir das Debakel von heute vermeiden können. "Es ist sowieso fraglich, warum es das Gesetz zum Ausstieg aus der Atomenergie immer noch gibt. Wo jetzt doch reihenweise die Laufzeit von Atommeilern verlängert wird und sogar Studien in Auftrag gegeben werden zur neuesten Generation der Minireaktoren", ärgert sich De Tijd.
Zu viele Fähnchen im Wind
Het Laatste Nieuws bemerkt: Man muss den Grünen schon Respekt zollen, dass mit ihnen in der Regierung diese Kehrtwende bei der Atomenergie gemacht wird. Aber man darf nicht vergessen, dass auch die anderen Parteien keinen gradlinigen Kurs beim Thema Atomenergie verfolgt haben. Zu stark haben auch sie ihr Fähnchen nach dem Wind gerichtet. Das Alles führt dazu, dass der AKW-Betreiber Engie jetzt in einer wahnsinnigen guten Position sitzt. "Premier De Croo und Energieministerin Van der Straeten müssen sich für die Gespräche mit Engie warm anziehen", prophezeit Het Laatste Nieuws.
L'Avenir analysiert: Was wir gerade erleben, ist schlicht und ergreifend die Folge von fehlender Voraussicht. Als unsere Politiker den Atomausstieg beschlossen hatten, hatte sich niemand die Mühe gegeben einen Plan aufzustellen, wie es ohne Atomenergie weitergehen könnte. Bis heute gibt es diesen Plan nicht. Diesen Fehler der Vergangenheit sollten wir jetzt nicht wiederholen. Unsere Politiker sollten dringend eine Langzeitstrategie entwickeln für die Energieversorgung unseres Landes. "Das wäre auch ein Zeichen gegenüber den Bürgern: Eine solche Strategie würde die Glaubwürdigkeit in die Effizienz unseres demokratischen Systems wieder stärken", meint L'Avenir.
Kalender ist in der Schublade geblieben
Das GrenzEcho beschäftigt sich mit dem Verhältnis der Ukraine zur EU und führt aus: Für eine Mitgliedschaft in der EU sind die Hürden sehr hoch. Und die Ukraine erfüllt diese Anforderungen noch bei weitem nicht. Bezeichnend dafür sind die Diskussionen um Korruption in dem Land und die Frage, ob westliche Hilfen ausreichend davor geschützt sind. Dass die ukrainische Regierung zu Beginn der letzten Woche dem Rücktritt mehrerer Gouverneure zugestimmt und vier Vizeminister entlassen hat, ist ein wichtiges Signal -v mehr aber auch nicht. "Waffenhilfe ja, aber kein blindes Vertrauen", betont das GrenzEcho.
Ähnlich wertet Le Soir: Die EU bleibt für die Ukraine trotz aller aufmunternden Worte seitens führender EU-Politiker noch in weiter Ferne. Denn der Weg zum Beitritt ist lang und steinig. Eine Mitgliedschaft muss man sich verdienen. Bei ihrem Besuch in Kiew haben die EU-Spitzen die "deutlichen Bemühungen" der Ukraine begrüßt. "Aber der Kalender, durch den der Beitrittsprozess beschleunigt worden wäre, und um den Kiew gebeten hatte, ist in der Schublade geblieben", bemerkt Le Soir.
"Big Oil" als Krisengewinner - jetzt scheint es klar
De Morgen beschäftigt sich mit einer Folge des Ukraine-Kriegs und berichtet: Der Mineralölkonzern Shell hat im vergangenen Jahr 37 Milliarden Euro Gewinn gemacht. Ein absoluter Unternehmensrekord. 51 Milliarden Euro sind es sogar bei ExxonMobil, Chevron kommt immerhin auf 35,5 Milliarden Euro. Diese Gewinne haben die Konzerne nicht durch Innovationen erzielt, sondern einzig und allein wegen des Kriegs in der Ukraine. Während Bürger in großen Teilen der Welt durch explodierende Energiekosten an den Rand der Armut getrieben wurden, hat sich "Big Oil" die Taschen gefüllt. Es ist nur zu begrüßen, dass die EU sich dazu entschlossen hat, Übergewinne abzuschöpfen, die dank des Kriegs in der Ukraine gemacht worden sind. Angesichts der oben genannten Zahlen ist es zynisch, diese Maßnahme weiter zu kritisieren, schimpft De Morgen.
La Libre Belgique beschäftigt sich mit dem chinesischen Spionage-Ballon, der zurzeit über den USA fliegt und vergleicht: Dieser Vorfall erscheint wie eine Parodie auf die Zeiten des Kalten Krieges, aber sie spricht auch Bände über das Verhältnis der beiden Mächte China uns USA. Dieses Verhältnis ist nämlich sehr angespannt, und gerade als der US-Außenminister mit einem Besuch in Peking wieder für eine Annäherung sorgen wollte, fliegt jetzt der Ballon in der Luft. Das ist vor allem schlecht für China. Denn die Annäherung an die USA ist damit erstmal wieder geplatzt. Und Russland fällt als Verbündeter wegen des Kriegs in der Ukraine weiterhin aus. China bleibt blockiert im Spiel der Großmächte, stellt La Libre Belgique fest.
Kay Wagner