"Korruption im Herzen des Europäischen Parlaments", schreibt L'Avenir auf Seite eins. "Der Korruptionsskandal zieht weitere Kreise", titelt das GrenzEcho. "Korruptionsverdacht gegen Katar – Die belgische Justiz inhaftiert eine Vize-Präsidentin des EU-Parlaments", so die Schlagzeile von La Libre Belgique.
Die föderale Staatsanwaltschaft hat im EU-Parlament eine regelrechte Bombe platzen lassen. Die Justiz untersucht den Verdacht, wonach das Emirat Katar Mitglieder des EU-Parlaments bestochen haben soll. Als Gegenleistung sollten sie wohl dafür sorgen, dass sich das Parlament möglichst wohlwollend gegenüber dem Golfemirat verhält. Laut Presseberichten befinden sich derzeit vier Personen in Untersuchungshaft. Darunter soll Eva Kaili sein, eine Vize-Präsidentin des EU-Parlaments. Ermittelt wird wegen Geldwäsche, Korruption sowie der Bildung einer kriminellen Vereinigung. "Die belgische Justiz sorgt für ein Erdbeben im EU-Parlament", so bringt es Le Soir auf den Punkt. "Dieser Korruptionsskandal ist eine Blamage für den Moralapostel EU-Parlament", so das Fazit von De Standaard.
Korruptionsprobleme rund um Katar – Nicht nur bei der FIFA
"Diese Affäre trifft Europa mitten ins Herz", ist La Libre Belgique in ihrem Leitartikel überzeugt. Mit dem EU-Parlament wird eine zentrale EU-Institution von einem ausgewachsenen Erdbeben erschüttert. Natürlich gilt die Unschuldsvermutung. Es mag aber sehr danach aussehen, als hätten Mitglieder des EU-Parlaments beziehungsweise Leute aus deren Umfeld dicke Geldbeträge angenommen, um dazu beizutragen, dass Image des Emirats Katar aufzupolieren. Dieser Skandal ist ein Segen für Populisten aller Couleur. Er ist Wasser auf den Mühlen illiberaler und rechtsextremer Kräfte, die die europäische Integration bekämpfen.
Die FIFA ist offensichtlich nicht die einzige Organisation, die ein Korruptionsproblem hat, meint sarkastisch L'Avenir. Laut Medienberichten sollen bei der Parlaments-Vize-Präsidentin Eva Kaili mehrere Taschen mit Bargeld sichergestellt worden sein. Schlimm genug, aber eigentlich ist das nicht wirklich überraschend angesichts der extrem aggressiven Lobby-Arbeit des Emirats Katar, dem offensichtlich alle Mittel recht sind, um in der Welt möglichst gut dazustehen. Tatsächlich hatte es in den letzten Wochen einige doch bemerkenswerte Redebeiträge im EU-Parlament gegeben, die die Fortschritte von Katar im Bereich der Menschen- und besonders der Arbeiterrechte hervorhoben. Das gilt unter anderem auch für den belgischen PS-Europa-Abgeordneten Marc Tarabella. Was natürlich nicht automatisch heißen muss, dass er dafür auch Geld kassiert hat.
Beängstigende Missstände beim EU-Parlament
Dennoch waren die Ausführungen Tarabellas für einen Sozialisten doch schon, sagen wir mal, "bizarr", hakt Het Belang van Limburg ein. Ein wallonischer Sozialist bescheinigt Katar Fortschritte im Bereich des Arbeitsrechts? Erstaunlich! Zumal Marc Tarabella bislang eher als Experte für Agrarpolitik bekannt war und sich selten zu internationalen Fragen äußerte. Eine wohlwollende Rede hier, ein positiver Standpunkt da, das alles kann natürlich dabei helfen, Meinungen und Eindrücke zu korrigieren. Dass das im EU-Parlament so einfach ist, das ist beängstigend.
Der Schaden ist enorm, meint denn auch De Standaard. Und dass in dieser Affäre bislang ausschließlich Sozialisten genannt werden, kann sich auch für die heimische Innenpolitik zum Problem entwickeln. Hier scheinen sich jedenfalls alle Vorurteile gegen die Roten wieder zu bestätigen. Für die PS ist diese Geschichte so willkommen wie Zahnschmerzen.
Wird Paul Magnette gelingen, woran Di Rupo gescheitert ist?
Der PS-Vorsitzende Paul Magnette durfte das am Wochenende in einigen Fernsehstudios schon am eigenen Leib erfahren, bemerkt De Morgen. Eigentlich wollte Magnette über sein neues Buch sprechen. Stattdessen ging es bei den Interviews fast ausschließlich um Skandale. Denn neben dem Korruptionsskandal im EU-Parlament sorgt ja auch der Vorsitzende des wallonischen Parlaments, Jean-Claude Marcourt, für Negativschlagzeilen. Der PS-Politiker steht unter anderem wegen einer überteuerten Auslandsreise in der Kritik. Die frankophonen Sozialisten werden ihr dubioses Image einfach nicht los. Mal schauen, ob Magnette entschlossener mit den faulen Äpfeln umgehen wird als sein Vorgänger Elio Di Rupo.
Le Soir widmet den jüngsten Ereignissen im wallonischen Parlament einen außergewöhnlich giftigen Kommentar. Das Schauspiel, das da in Namur gerade zum Besten gegeben wird, ist schlicht und einfach erbärmlich, meint die Brüsseler Zeitung. Da wird offensichtlich Geld zum Fenster rausgeworfen, ohne dass der Parlamentsvorstand es für nötig fände, einzugreifen. Dabei ist dieses Gremium eigentlich zuständig für die Kontrolle der Ausgaben. Doch was sehen wir? Einer nach dem anderen geben sie den Pilatus, waschen sie ihre Hände in Unschuld, zeigen sie mit dem Finger auf andere. Nach dem Motto: "Bevor ich zurücktrete, musst Du erst mal den Hut nehmen". Ernsthaft? Merken die Damen und Herren in Namur nicht, dass die Bürger die Nase voll haben von derlei politischen Spielchen? Sehen sie nicht, wie sehr Antipolitik und Populismus den Wind in den Segeln haben? Bei der nächsten Wahl ist es für Reue zu spät.
Einen Monat lang keine Verkehrsbußen mehr
Bemerkenswerte Schlagzeile schließlich noch auf Seite eins von Het Laatste Nieuws: "Einen ganzen Monat lang keine Verkehrsbußen", schreibt das Blatt. Das ist offensichtlich kein Weihnachtsgeschenk. Vielmehr handelt es sich um eine Protestaktion der Polizeigewerkschaften, die der Föderalregierung nach wie vor Wortbruch vorwerfen. Zwischen dem 15. Dezember und dem 15. Januar soll demnach also die Polizei kleinere Vergehen nicht mehr ahnden, wie zum Beispiel die Nutzung des Handys am Steuer oder das Nichtanlegen des Sicherheitsgurts. In Het Laatste Nieuws gibt sich ein Gewerkschafter entschlossen: "Sollte die Politik nicht einlenken, dann ziehen wir diese Protestaktion durch bis 2024".
Roger Pint
Was ist das für ein Kommentar?. "Dieser Skandal ist ein Segen für Populisten aller Couleur". Wenn man als politsche Partei gegen Korruption und Klüngel ist, ist man populistisch! Sowas von weltfremd ist schon beängstigend! Geht "europäische Integration" also nur durch Korruption? Nein, denen im EU-Selbstbedienungsladen geht die "Düse", da wirft man schon mal mit "Dreck".
Als perfektes Beispiel unterstreicht der erste Kommentar in diesem Kommentarbereich direkt wunderbar die Stichhaltigkeit des Satzes „Dieser Skandal ist ein Segen für Populisten aller Couleur“... Man hätte es nicht besser veranschaulichen können.