"Verhandlungs-Start am heutigen Montag in Brüssel: Größter Prozess der belgischen Geschichte", so die Überschrift beim GrenzEcho. "Heute Beginn des Terrorprozesses: Die 32 ausgelöschten Leben", erinnert Het Laatste Nieuws an die 32 Todesopfer der Anschläge vom 22. März 2016 am Flughafen und in der Metro von Brüssel. "Warum Abrini und Krayem abgesprungen sind", befasst sich La Dernière Heure mit den zwei überlebenden Selbstmordattentätern.
Die zehn Angeklagten müssen sich wegen 32 terroristischer Morde und 695 versuchter terroristischer Morde und beziehungsweise oder wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verantworten, fasst La Libre Belgique in ihrem Leitartikel zusammen. Dieser außergewöhnliche, auf mindestens sechs Monate ausgelegte Prozess wird zweifelsohne in die belgische Justizgeschichte eingehen. Und es ist essenziell, dass dieser Prozess stattfindet. Zunächst einmal, um an die Schicksale der Opfer zu erinnern und um sie und ihre Angehörigen zu Wort kommen zu lassen. Aber auch, weil wir in einer Demokratie und in einem Rechtsstaat leben. Die einzige Antwort auf blinde Barbarei und Terrorismus muss Recht und Gerechtigkeit lauten. Natürlich werden während dieses Prozesses immer Emotionen präsent sein – das kann auch gar nicht anders sein angesichts der verabscheuungswürdigen Taten, über die geurteilt werden muss. Aber das Ganze muss innerhalb eines ruhigen und unabhängigen gerichtlichen Rahmens ablaufen – einem anderen Pfeiler unseres demokratischen Systems. Es wird unerlässlich sein, dass alle, inklusive Angeklagte und Anwälte, Würde und Respekt zeigen. Denn die Augen der ganzen Welt werden auf Belgien gerichtet sein, betont La Libre Belgique.
Keine zu hohen Erwartungen
Ein Budget von 35 Millionen Euro, hunderte Zeugen, eine Dauer von sechs bis neun Monaten – nach dem Fehlstart rund um die Glasboxen für die Angeklagten und der dadurch verursachten Verzögerung ist jetzt alles bereit, damit dieser historische Prozess unter den bestmöglichen Bedingungen stattfinden kann, schreibt La Dernière Heure. Damit Recht gesprochen werden kann, damit die Opfer Antworten auf die Fragen bekommen können, die sie seit sieben Jahren quälen.
Was ist von diesem Prozess zu erwarten?, fragt L'Avenir. Er wird nicht organisiert für die Opfer und die Zivilparteien, sondern, um über die Angeklagten zu urteilen. Dennoch wird die Prozedur natürlich eine Gelegenheit sein, um die Opfer zu ehren und daran zu erinnern, wer sie waren. Für sie ist es auch wichtig, dass sie zu Wort kommen können, auch wenn sich die Verteidiger der Angeklagten fragen, warum die Terroranschläge von Brüssel und Paris nicht gemeinsam verhandelt werden konnten. Die Erwartungen rund um diesen Prozess sind hoch. Zu große Hoffnungen auf Erkenntnisse, die über das hinausgehen, was die Ermittlungen bereits enthüllt haben, sind aber eher fehl am Platz, meint L'Avenir.
Individuelle Verantwortungen korrekt umreißen
Wozu so ein Prozess? Sechs, sieben, acht Monate lang? Es ist doch offensichtlich, dass sie alle schuldig sind? Solche Äußerungen hört man oft, so De Morgen. Aber ist das wirklich so offensichtlich? Die Hauptverdächtigen Salah Abdeslam und Sofien Ayari saßen zum Zeitpunkt der Brüsseler Anschläge im Gefängnis. Normalerweise wird so etwas bei Straftaten als mehr als ein eindeutiges Alibi akzeptiert. Jetzt aber soll das nicht mehr gelten. Sie hätten über die Anschläge Bescheid gewusst und nichts dagegen unternommen, lautet der Vorwurf. Das stimmt. Vielleicht. Oder vielleicht auch nicht. Bei anderen Angeklagten, die wegen angeblicher Hilfsdienste jetzt mit vor Gericht stehen, kann man sich Fragen stellen, wie gerechtfertigt das wirklich ist. Auch vor dem Prozess um die Terroranschläge von Paris gab es Menschen, die "lebenslang" für alle forderten. Im Laufe des Prozesses wurde dann klarer, wie es überhaupt zu dem ganzen Drama gekommen war – und auch, wie ernüchternd klein die Bedeutung eines einzelnen Individuums in einem so globalen Konflikt sein kann. Wenn auch der Brüsseler Terrorprozess zu einem diesbezüglichen Erkenntnisgewinn führt, wenn er den Opfern eine Stimme gibt und die individuellen Verantwortungen korrekt umreißt – dann wird das geschehen, was geschehen muss. Innerhalb des Rahmens eines Rechtsstaats, wie wir ihn auch nach dem 22. März 2016 erhalten wollten, unterstreicht De Morgen.
Russisches Öl – es steht furchtbar viel auf dem Spiel
De Standaard befasst sich mit Öl aus Russland, denn das darf ab heute nur noch in Ausnahmefällen in die Europäische Union importiert werden. Ebenfalls heute tritt ein Preisdeckel der EU und der G7 von 60 US-Dollar pro Barrel russischem Rohöl in Kraft. Bislang haben die europäischen Staaten rund 500 Milliarden Euro ausgegeben, um den Schock der Energiekrise zu dämpfen, so die Zeitung. Die Inflation gefährdet den Wohlstand, was Zentrumspolitiker unter Druck setzt und Wind in den Segeln der Extremen insbesondere von rechts ist. Anders gesagt: Es steht furchtbar viel auf dem Spiel bei diesem neuen Versuch, Russland wirtschaftlich zu erschöpfen. Es ist möglicherweise die schwerste bisher beschlossene Sanktion gegen Putin. Aber es ist auch eine kalkulierte Wette, die Europa hier macht, denn es will das Heft wieder in die Hand bekommen, ohne sich damit in den eigenen Fuß zu schießen. Es gab auch gar keine andere Wahl, als diese Sanktion durchzusetzen. Dass sie nicht schärfer ausfällt, ist zwar bitter, aber letztlich dem politischen Realismus geschuldet, analysiert De Standaard.
Boris Schmidt