"Jeder Vierte würde für den Vlaams Belangs stimmen", titelt Het Laatste Nieuws. "Wahlbarometer: Ecolo stürzt in Brüssel ab", so die Schlagzeile von Le Soir.
Die beiden Zeitungen haben gemeinsam mit RTL und VTM wieder eine Umfrage zur Beliebtheit der Parteien und Politiker gemacht. In Flandern erobert dabei der rechtspopulistische Vlaams Belang Platz eins mit gut 25 Prozent Wahlintention und verdrängt die flämischen Nationalisten der N-VA auf Platz zwei. In der Wallonie und in Brüssel ist neben dem Absturz der Grünen besonders der Zugewinn der kommunistischen PTB bemerkenswert.
Le Soir bringt es auf den Punkt: Wenn morgen gewählt würde, würde jeder vierte Flame eine rechtsextreme Partei wählen. Und fast jeder zweite eine Partei, die die Spaltung des Landes möchte. Auf frankophoner Seite festigt die PTB ihren Platz als dritte politische Kraft hinter den Sozialisten der PS und den Liberalen der MR. Dieses Ergebnis kann man durchaus so werten, dass viele Menschen mit den Regierungen in unserem Land unzufrieden sind. Viele Bürger haben den Eindruck, dass diese Regierungen nicht genug tun, um Lösungen für die aktuellen Probleme zu finden. Diese Regierungen, die sich zumeist deshalb gebildet haben, um den extremen Parteien etwas entgegenzuhalten, haben noch anderthalb Jahre Zeit, um diesen Eindruck zu korrigieren, mahnt Le Soir.
Zwergenpartei lässt Premier schrumpfen
Het Laatste Nieuws beschäftigt sich in seinem Leitartikel mit dem Abschneiden der Liberalen und Sozialisten im Wahlbarometer und stellt fest: Die Partei des Premierministers, die OpenVLD, ist zu einer Zwergenpartei geschrumpft. Sie erreicht nur noch 9,3 Prozent. Alexander De Croo ist mit dieser Partei im Rücken nicht mehr der Große. Im frankophonen Landesteil schafft es die Schwesterpartei MR nicht, die Massen zu bewegen. Trotz des umtriebigen Georges-Louis Bouchez als Parteichef. Die PS stagniert in der Wallonie und in Brüssel an der Spitze. Die einzige Partei, die wirklich zulegt, aus der Vivaldi-Koalition sind die flämischen Sozialisten von Vooruit, mit ihrem jungen Parteichef, Connor Rousseau, beobachtet Het Laatste Nieuws.
Der US-Pharmakonzern Pfizer hat gestern bekanntgegeben, 1,2 Milliarden Euro in sein Werk im belgischen Puurs zu investieren. Dazu kommentiert De Standaard: Damit gehört Belgien zu den wirtschaftlichen Gewinnern der Covid-Pandemie. Pfizer hat in Puurs Impfstoff produziert und von da aus in die Welt verschickt.
Für Belgien ist das natürlich eine gute Nachricht. Sie hat aber auch ihren Preis: Die Pharma-Lobby hat unsere Politiker gefügig gemacht. Gut zu erkennen war das an der Diskussion um die Patente auf die Corona-Impfstoffe. Zunächst war Premier Alexander De Croo dafür, die Patente aufzuheben, damit überall in der Welt schnell Impfstoff gegen Corona produziert werden konnte. Dann, so berichtet es das Politmagazin Politico, hat es einen Telefonanruf von Johnson & Johnson im Kabinett des Premiers gegeben. Und schon hatte er seine Meinung geändert. Pharmaunternehmen in Belgien werden auch in Zukunft in unseren Regierungen willige Verteidiger ihrer Anliegen finden, prophezeit De Standaard.
Dürfen "Wilde" schwarz sein?
Zum gleichen Thema notiert De Tijd: Für den Standort Belgien ist die Entscheidung von Pfizer natürlich hervorragend. Es ist allerdings bedauerlich zu sehen, dass gleichzeitig Belgien nicht in der Lage ist, erfolgreiche Start-up-Unternehmen im Land zu halten. Gerade erst sind der Datenspezialist Collibra in die Niederlande und die Internetplattform Deliverect in die USA umgezogen. Und warum? Weil es für großgewordene Start-ups unattraktiv ist, in Belgien zu bleiben. Das muss sich ändern. Reformen sind unerlässlich, fordert De Tijd.
Die Unesco hat gestern das Volkfest "Ducasse d'Ath" in der Provinz Hennegau von der Liste des immateriellen Kulturerbes gestrichen. Grund ist die Figur des schwarzen Wilden, der aufgrund seiner stereotypisierten Darstellung als rassistisch gewertet wird. L'Avenir fragt: Ist das jetzt eine richtige Entscheidung? Wird die "Ducasse d'Ath" tatsächlich rassistisch, weil sie ihren "Sauvage" mitlaufen lässt? Die Meinungen darüber gehen auseinander. Sicher ist jedoch, dass die Entscheidung der Unesco die Menschen in Ath nicht daran hindern wird, an ihrem traditionellen Umzug festzuhalten, weiß L'Avenir.
Kein Grund zum Schwarzsehen
Het Nieuwsblad schreibt zu den Siegesfeiern marokkanischer Fußballfans in Brüssel: Am Donnerstagabend hat eine Menschenkette verhindert, dass es wieder zu Gewalt gekommen ist. Gebildet wurde diese Menschenkette von Brüsseler Marokkanern oder marokkanischstämmigen Brüsselern, von Besitzern von Cafés, Geschäften oder einfach nur Fußballfans, die Gewalt nicht zulassen wollten. Als einige Vermummte mit Randale beginnen wollten, stellte sich diese Menschenkette zwischen die Hitzköpfe und die Polizei.
Diese Kette ist symbolisch für vieles: Zum Beispiel zeigt sie, dass in Brüssel nicht die Marokkaner das Problem sind, es aber Menschen mit guten und mit schlechten Absichten gibt. Die Kette symbolisiert auch das Versagen der Sicherheitspolitik in Brüssel, der Sozialarbeit und des Schulsystems, findet Het Nieuwsblad.
La Libre Belgique bemerkt zum Ausscheiden der belgischen Mannschaft bei der Fußball-WM in Katar: Viele von uns sind am Freitag mit einem Fußball-Kater aufgewacht. Desillusioniert und enttäuscht von der Leistung der Roten Teufel. Schwarzsehen muss man aber nicht für die Zukunft des belgischen Fußballs. Die vergangenen zehn Jahre, in denen der belgische Fußball auf internationaler Bühne geglänzt hat, wurden auch dazu genutzt, um in Belgien Strukturen zu schaffen. Die Arbeit der Clubs ist gut. Viele talentierte Jugendliche stehen bereit, ihren Vorbildern bei den Roten Teufeln nachzueifern. Es gibt also Hoffnung auf neue Fußball-Feste mit den Roten Teufeln, ist sich La Libre Belgique sicher.
Kay Wagner