"Daumen runter für die Roten Teufel: Belgische Nationalmannschaft unterliegt Marokko und muss um den Einzug ins Achtelfinale bangen", so der große Aufmacher beim GrenzEcho. "Am Donnerstag geht es gegen Kroatien um alles oder nichts", zieht L'Avenir Bilanz nach der 0:2-Niederlage im zweiten WM-Spiel der Belgier in Katar. "Fiasko in Doha, Krawalle in Brüssel", greift Het Belang van Limburg auch die teils schweren Ausschreitungen in Belgien auf. "Trauer und Schande", liest man dazu bei Le Soir.
"Enttäuschend" – das ist das Wort, das man im Zusammenhang mit den Roten Teufeln gestern in Endlosschleife hört, schreibt La Dernière Heure in ihrem Leitartikel. Die Niederlage war nicht ungerechtfertigt, unsere Nationalmannschaft ist einfach nicht auf der Höhe, Marokko hat den Sieg im Großen und Ganzen verdient. Aber dieser Sieg ist durch die Ausschreitungen vermiest worden. Diese falschen Fans zerstören aus purer Lust am Zerstören, ihr Ziel war schlicht und einfach Krawall, der Ausgang des Spiels war egal. Wie so oft waren sie eine Minderheit unter den feiernden marokkanischstämmigen Menschen. Aber eben leider auch wieder eine Minderheit, die sämtliche Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat, beklagt La Dernière Heure.
Die Bahn gibt ein tödliches öffentliches Bild ab
Ein weiteres Thema in den Leitartikeln sind die anstehenden Streiks bei der Bahn. Diese werden ab heute Abend zu drei Tagen starken Einschränkungen führen. Man muss schon Respekt haben vor den Menschen, die auch heute wieder öffentliche Verkehrsmittel nutzen, giftet Gazet van Antwerpen. Manche von ihnen tun das aus Überzeugung, andere, weil sie keine andere Wahl haben. Aber egal wie, Komfort und Zuverlässigkeit gehören jedenfalls sicher nicht zu ihren Beweggründen.
Das hängt nicht nur den Reisenden zum Hals raus, sondern auch den Gewerkschaften. Sie wollen nun aufmerksam machen auf den hohen Arbeitsdruck, das veraltete Material und das Ausbleiben brotnötiger Investitionen. Staus auf den Straßen schaden bekanntermaßen sowohl unserer Gesundheit als auch unserer Wirtschaft. Aber was sollen dann die Alternativen zum Auto sein? Das Fahrrad kommt nur in Städten wirklich infrage. Bleibt also nur der Öffentliche Verkehr. Der aber ist in einem erbärmlichen Zustand, die Probleme sind strukturell. Ja, es gibt Versprechungen über Investitionen. Aber die sind in etwa so zuverlässig wie die Zugverbindungen, wettert Gazet van Antwerpen.
Man muss schon weit zurückgehen, um eine so schlechte Situation bei der Bahn zu finden wie heute, hebt Het Nieuwsblad hervor. Manche sprechen von einem "perfekten Sturm", weil wirklich alles, was schieflaufen könnte, auch schief zu laufen scheint. Schon geraume Zeit fehlt es an ausreichend Personal, um alle Züge fahren zu lassen. Hinzu kommt, dass es ohnehin zu wenige einsatzbereite Züge gibt. Die Pendler haben wieder das Nachsehen, oft bleiben sie in Kälte und Regen stehen, wenn mal wieder ein Zug gestrichen wird. Und wenn doch einer kommt, können sie nur hoffen, dass sie sich noch irgendwie reinquetschen können. Was hier gerade passiert, ist tödlich für das öffentliche Bild der Bahn. Die durch Corona verlorenen Passagiere zurückzugewinnen, wird so sehr schwierig. Neue Reisende anzulocken quasi eine Herkulesaufgabe – dabei muss das geschehen, nicht nur des Klimas wegen, sondern auch wegen der Zukunft unserer Mobilität, betont Het Nieuwsblad.
Separatismus im Schafspelz
Unter anderem Het Belang van Limburg kommentiert Äußerungen des N-VA-Vorsitzenden Bart De Wever. Der hatte angekündigt, dass seine Partei nach den nächsten Wahlen nur an einer föderalen Regierungskoalition teilnehmen werde, wenn der belgische Staat zum Konföderalismus übergehe. Konföderalismus würde bedeuten, dass Flandern und die Wallonie nicht nur eigene Verfassung und Sozialsystem bekommen könnten, sondern auch finanzielle und fiskale Autonomie. Damit könnten sie dann selbst darüber bestimmen, was mit ihren Steuergeldern geschehen soll.
Unterschiedliche Systeme und Regeln könnten aber das Wohlstandsgefälle vergrößern. Das könnte zu Blockaden in den verbleibenden föderalen Zuständigkeiten führen, der Konföderalismus also zu einem Trittbrett werden für eine Spaltung des Landes. Eine Scheidung von der Wallonie würde viel Zeit und Geld kosten und könnte, wie man am Brexit sieht, zu einem politischen Vakuum führen. Und was soll mit der belgischen Staatsschuld passieren? Was mit Brüssel, der Hauptstadt Europas, die 20 Prozent des Nationaleinkommens erwirtschaftet? Was mit dem Königshaus? Was mit den Roten Teufeln? Hinzu kommt, dass Flandern an genau den gleichen "Krankheiten" leidet, die es Belgien so gerne ankreidet. Diese Krankheiten lassen sich nicht mit Konföderalismus heilen, stichelt Het Belang van Limburg.
Wollen wir wirklich noch mehr davon?
Es ist doch genau die jahrzehntelange Fokussierung auf Staatsreformen, die das Land dahin gebracht haben, wo es heute steht, schreibt De Morgen. Sie ist schuld am aufgeblähten Staatsapparat und der schlechten Erfüllung der Kernaufgaben. Wollen wir wirklich noch mehr davon? Konföderalismus ist eine Sinnestäuschung: Es gibt auf der ganzen Welt kein Land, in dem ein solches System funktionieren würde, Konföderalismus ist nicht mehr als ein kurzer Zwischenstopp auf dem Weg zur Scheidung des Landes, Separatismus im Schafspelz, warnt De Morgen.
Wie sein Konföderalismus in der Praxis aussehen soll, das erzählt uns Bart De Wever bisher nicht, ergänzt De Standaard. Blitzartig soll er Entscheidungsprozesse verändern und die Blockaden in den belgischen Strukturen auflösen. Wer daran auf frankophoner Seite mitwirken soll: unbekannt. De Wever setzt einfach auf eine weitere Verelendung Belgiens. Damit sein Ausweg – egal, ob im Guten oder im Bösen – unvermeidlich wird, meint De Standaard.
Boris Schmidt