"Regierung De Croo unter Dauerbeschuss", titelt das GrenzEcho. "Wer glaubt noch an die Vivaldi-Regierung?", heißt es bei De Tijd auf der Titelseite. "Marghem heizt der Vivaldi-Koalition ein", notiert L'Echo auf Seite eins.
Aktuell gibt es mal wieder viel Knatsch innerhalb der Regierungskoalition. Die Zeitungen beschäftigen sich damit ausführlich in ihren Leitartikeln. Im Zentrum steht dabei ein Gesetzesvorschlag der MR-Abgeordneten Marie Christine Marghem. Mit ihrem Vorschlag will Marghem erreichen, dass die Laufzeit von mehreren Atommeilern in Belgien verlängert wird. Dafür hatte sie die Unterstützung der Oppositionsparteien N-VA und Défi bekommen. Die Zeitungen gehen davon aus, dass MR-Parteichef Georges-Louis Bouchez hinter dem Vorschlag von Marghem steckt.
L'Avenir kommentiert dazu: Wie zu erwarten, war der Aufschrei gerade bei CD&V und den Grünen groß, als sie von Marghems Vorschlag erfahren haben. Die Grünen haben sogar mit dem Bruch der Regierungskoalition gedroht. Schnell hat dann Georges-Louis Bouchez das Ganze beendet. Unterstützung aus der Opposition werde seine Partei nicht suchen, sagte er. Man fragt sich bloß: Hat Belgien solche politischen Spielchen wirklich nötig in Zeiten, wo Tausende Bürger Schwierigkeiten haben, ihre Energierechnung zu bezahlen, fragt verärgert L'Avenir?
"Schlimmes Spiel der MR"
Auch Le Soir findet: Das ist ein schlimmes Spiel, was Georges-Louis Bouchez und die MR da spielen. Sie wollen die Atomenergie mithilfe einer alternativen Mehrheit im Parlament verlängern. Was für ein Verfall der Sitten in der Politik. Wenn man innerhalb der Regierungskoalition nicht das bekommt, was man will, versucht man es einfach zusammen mit der Opposition zu erreichen. Das gab's noch nie in der Politik. Es zerstört nicht nur das Vertrauen in die MR als Koalitionspartner, sondern auch das Vertrauen allgemein in die Politik, schimpft Le Soir.
Verblüfft fragt sich auch De Standaard: Was sollte das alles? Nach alldem, was man von MR-Chef Bouchez mittlerweile weiß, ist zu vermuten, dass es ihm nur darum ging, im Gespräch zu bleiben. Aber sein Spiel mit dem Feuer zerstört die Politik. So kann es nicht weitergehen. Alle, die die Eskapaden von Bouchez weiter stillschweigend ertragen, machen sich damit für den Schaden, den Bouchez anrichtet, mitverantwortlich, urteilt De Standaard.
Het Belang van Limburg stellt fest: Es läuft gerade gar nichts rund in der Regierung. Europa kritisiert den Haushalt, die MR sucht neue Verbündete außerhalb der Koalition, die CD&V stellt die Neutralität der Mehrwertsteuersenkung auf Energie in Frage. So wie es aussieht, wird der neue Tarifvertrag im Frühjahr 2023 das Waterloo für Alexander De Croo und seine bunte Koalition werden, prophezeit Het Belang van Limburg.
Deckel passt (noch?) nicht
L'Echo kommentiert zur Debatte um einen Gaspreisdeckel in Europa: Es ist zum Verzweifeln. Da lässt sich die EU schon so lange Zeit, um einen konkreten Vorschlag für einen Gaspreisdeckel auf den Tisch zu legen. Und dann fällt dieser völlig unzureichend aus. Jetzt soll weiterverhandelt werden. Als ob die Zeit nicht drängt. Einer der Hauptleidtragenden ist Belgien. Hier hatte die Regierung auf Europa gewartet, wo andere Länder schon selbst Initiativen ergriffen hatten. Kann die Regierung es sich noch erlauben, weiter auf Europa zu warten?, zweifelt L'Echo.
La Dernière Heure schreibt zum Streit um die "One-Love"-Armbinde bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Katar: Außenministerin Hadja Lahbib hat Belgiens Ehre gerettet. Sie trug ganz offen die "One-Love"-Armbinde, als sie beim Spiel der Roten Teufel neben FIFA-Boss Infantino saß. Das ist ihre erste sichtbare politische Geste als Außenministerin. Das begrüßen wir. Schade, dass die Roten Teufel selbst nichts dergleichen gemacht haben, bedauert La Denière Heure.
100 Prozent hetero und M23
Gazet van Antwerpen erinnert: Auch im europäischen Fußball sind die Ölscheichs aus Katar und anderen Golfstaaten stark präsent. Ihnen gehören einige der größten Fußballclubs. Und Fußballprofis dort sind auf wundersame Weise zu 100 Prozent hetero. Wenn man ein Zeichen für mehr Toleranz setzen will, gäbe es auch hier Möglichkeiten, betont Gazet van Antwerpen.
La Libre Belgique beschäftigt sich mit der Situation im Ostkongo und erklärt: Ab heute Abend 18 Uhr sollen die Waffen im Konflikt zwischen der kongolesischen Armee und den M23-Rebellen ruhen. Darauf haben sich die Verantwortlichen des Kongo, Ruandas, Burundis, Angolas und Kenias geeinigt. Das Problem dabei ist, dass keiner der M23-Rebellen mitverhandelt hat. Der Kongo geht davon aus, dass die Rebellen von Ruanda gesteuert werden. Aber um dauerhaft Frieden in der Region zu haben, muss man auch direkt mit den M23 sprechen. Das will der Kongo aber nicht, weil es sich um Terroristen handele. Eine Lösung kann so nicht gefunden werden, weiß La Libre Belgique.
Kay Wagner