"Das Leben wird sehr schnell sehr viel teurer", titelt Het Laatste Nieuws. Die Inflationsrate hat in diesem Monat einen neuen Höchststand erreicht und steht jetzt bei 12,3 Prozent - so hoch wie seit knapp 50 Jahren nicht mehr. "Das Leben ist innerhalb eines Monats schneller teurer geworden als sonst in einem Jahr", sagt ein Experte in Het Laatste Nieuws. Und da ist offenbar kein Ende in Sicht. Het Nieuwsblad nennt "fünf Gründe, warum die Preise auch in den kommenden Monaten weiter steigen werden".
Die wirtschaftspolitische Großwetterlage steht auch im Mittelpunkt eines Interviews, das die beiden Wirtschaftszeitungen De Tijd und L'Echo mit dem PS-Vorsitzenden Paul Magnette geführt haben. De Tijd zitiert ihn mit einer Aussage, die im Norden des Landes nicht so gut ankommen dürfte: "Wir werden auf der föderalen Ebene nicht das tun, was das rechte Flandern will", sagt der PS-Vorsitzende.
Auf der Titanic mit dem Kopf im Sand
De Tijd übt denn auch in ihrem Leitartikel scharfe Kritik an der Haltung von Paul Magnette. Die galoppierende Inflation stellt die Unternehmen in diesem Land vor gigantische Probleme. Wegen der automatischen Indexierung müssen viele Firmen im Januar die Gehälter ihrer Mitarbeiter mit einem Schlag um 11,5 Prozent anheben. 11,5 Prozent! Wie soll man denn da noch die Wettbewerbsfähigkeit gewährleisten? Entweder, man streicht seine Margen zusammen, oder man reicht die Kosten an die Kunden weiter. Die Folge ist dann eine sogenannte "Lohn-Preis-Spirale", bei der also beide Faktoren sich gegenseitig befeuern.
Und die Politik? Die steckt auf der Brücke der Titanic den Kopf in den Sand. Schlimmer noch! PS-Chef Paul Magnette brüstet sich noch damit, dass die Föderalregierung im Bereich Beschäftigung nichts tue, was im Sinne des rechten Flanderns wäre. Nichts beweist wohl mehr die absolute Abwesenheit jegliches Dringlichkeitsgefühls. Die frankophonen Sozialisten tun weiter, was sie immer getan haben: Geld ausgeben und die Rechnung an die kommenden Generationen weiterreichen.
"Ein Genie oder ein Totengräber?"
Viele Leitartikler beschäftigen sich aber auch mit der Übernahme des Kurznachrichtendienstes Twitter durch den Milliardär Elon Musk. Der Gründer insbesondere der Unternehmen Tesla und SpaceX hat für Twitter 44 Milliarden Dollar gezahlt.
Letztlich ist Elon Musk ein Geschäftsmann wie jeder andere, meint L'Avenir. Dass der reichste Mann der Welt nun Twitter kauft, das macht er wohl in erster Linie, weil er glaubt, dass das gut fürs Geschäft ist. Andere Internet-Milliardäre haben es ja vorgemacht, etwa Amazon-Chef Jeff Bezos, der ja die Washington Post übernommen hat. Musk allerdings ist zudem davon überzeugt, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung absolut sein müsse. Dass Twitter etwa Donald Trump verbannt hat, als Reaktion auf den Sturm auf das Kapitol, empfindet Musk als unerträgliche "Zensur". Nur wird er auch auf die Werbekunden Rücksicht nehmen müssen. Die könnte man abschrecken, wenn sich Twitter wieder in den Wilden Westen verwandeln würde.
"Ist der Mann nun ein Genie oder ein Totengräber?", fragt sich L'Echo. Muss man Elon Musk bewundern oder fürchten? Fakt ist, dass Musk ein glühender Anhänger der absoluten Meinungsfreiheit ist. In der Vergangenheit hat er etwa kritisiert, dass die russischen Propaganda-Medien von Twitter verbannt wurden. Rein politisch betrachtet hat er auch nicht immer durch unbedingten Durchblick geglänzt, etwa als er eine Internet-Umfrage über eine Friedenslösung zwischen Russland und der Ukraine organisieren wollte. Jetzt wird dieser Mann also Chef von Twitter, vielleicht nicht der größten, aber doch mit der einflussreichsten Internet-Plattform. Das Resultat kann ein wunderbares Abenteuer sein - oder aber auch ein Marktplatz des Hasses.
Musk könnte die jahrelangen Anstrengungen, um auf Twitter zumindest eine Basishygiene durchzusetzen, mit einem Schlag wieder zunichte machen - und das wäre dramatisch, warnt Het Belang van Limburg; "Der Vogel wurde befreit", jubelte Musk, nachdem der Deal unter Dach und Fach war. Mit dem "Vogel" ist natürlich Twitter gemeint. Der selbsternannte Prophet der freien Meinungsäußerung hat dann auch gleich eben die Leute entlassen, die bei Twitter für ein Mindestmaß an Verhaltensregeln gesorgt hatten. Immerhin hat die EU-Kommission schon eine deutliche Warnung ausgesprochen: "In Europa müsse der Vogel nach europäischen Regeln fliegen". Die Zukunft wird zeigen, was Musk gemeint hat, als er sagte, dass er aus Twitter einen "digitalen Dorfplatz" machen wolle.
Wenn der Abflussgeruch wieder hochkommt…
Man darf in jedem Fall die potenziell zerstörerische Wirkung der Sozialen Netzwerke nicht unterschätzen, warnt sinngemäß La Libre Belgique. Gut geölte Desinformationskampagnen können unsere Demokratien schwächen, Wähler beeinflussen, Regierungen destabilisieren und sogar Volksaufstände heraufbeschwören. Die Moderation der Inhalte ist ohnehin schon eine fast nicht zu stemmende Herausforderung. Geschweige denn für ein Medium wie Twitter, das ja vor allem für Unmittelbarkeit und Schnelligkeit steht, für den Moment.
De Morgen fasst das Thema breiter und beschäftigt sich mit der zunehmenden Verrohung des gesellschaftspolitischen Klimas. Immer häufiger werden Politiker offen bedroht, müssen manchmal sogar unter Polizeischutz gestellt werden. Eine nicht unwesentliche Rolle spielen hier Soziale Netzwerke. Und häufig wird gerade Twitter als der Brandbeschleuniger der Verrohung gesehen. Nicht umsonst hat der Kurznachrichtendienst in den letzten Jahren Anstrengungen unternommen, um seinen Ruf etwas aufzupolieren. Jetzt, nach der Übernahme von Twitter durch einen Mann wie Elon Musk, jetzt besteht die reelle Gefahr, dass der Abflussgeruch wieder stärker durchdringen könnte. Aber sagen wir's mal so: Twitter war bislang ein Ort, in dem klassisches Thekengeschwätz verbreitet wurde. Ein Café, das nach Gosse stinkt, wird aber nicht lange gut besucht sein...
Roger Pint
Zu Paul Magnette: Den Kopf in den Sand stecken ist eine Sache, den Karren Belgien gegen die Wand fahren ist eine andere. Wenn er sich weiter weigert eine überfällige Staatsreform einzuleiten dann wird Magnette dafür die Quittung erhalten, nicht bei seinen Wählern, aber in Flandern. Besser wäre es wirklich sich an einen Tisch zu setzen oder erneut ein schönes Schloss auszusuchen und dann für 2030 eine Staatsreform auf den Weg zu bringen.