"Heute 23 Grad – Frühjahr im Oktober", schreibt Het Laatste Nieuws auf Seite eins. Bei Het Nieuwsblad ist es ein Grad weniger: "22 Grad – Genauso warm wie in Griechenland", so die Schlagzeile. Temperaturen von 20 Grad und mehr sind für Ende Oktober natürlich ungewöhnlich. Einige Zeitungen bringen dennoch große Fotostrecken, die Menschen zeigen, die die aktuellen Wetterbedingungen genießen...
"Der Einlagensatz in der Eurozone erreicht 1,5 Prozent", titelt derweil die Wirtschaftszeitung L'Echo. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat gestern an der Zinsschraube gedreht. Die EZB hob den Leitzins um gleich 0,75 Prozentpunkte an. Und auch der sogenannte Einlagensatz, den Kreditinstitute erhalten, wenn sie Geld bei der EZB parken, steigt nach der gestrigen Entscheidung auf 1,50 Prozent.
Die Entscheidung war erwartet worden, stellt Het Belang van Limburg in seinem Leitartikel fest. Die EZB versucht damit, die galoppierende Inflation einzufangen. Wobei jeder weiß, dass Zinserhöhungen eher mittelfristig helfen können. Die EZB hat jedenfalls schon durchblicken lassen, dass das nicht die letzte Entscheidung dieser Art gewesen sein könnte. Da kann man sich natürlich fragen, warum man die Zinsen nicht energischer anhebt. Nun, das hat damit zu tun, dass das Spiel mit der Zinsschraube einem Drahtseilakt gleicht. Allzu abrupte Entscheidungen können der Wirtschaft allzu sehr schaden.
EZB auf schmalem Grad, Bel20 auf Höhenflug
"Zwischen Wachstum und Inflation ist ein sehr schmaler Grat", analysiert auch De Standaard. Und das erst recht in diesen unruhigen Zeiten, in denen längerfristige Prognosen fast unmöglich geworden sind. Und ob die Zinserhöhungen den gewünschten Effekt haben werden, kann im Moment niemand wissen. Aber das ist nun mal die einzige Waffe, über die eine Notenbank verfügt. Insbesondere die EZB steht vor ihrer bislang wohl größten Herausforderung. Sie muss den Mittelweg finden zwischen einer Zügelung der Inflation und der Förderung des Wachstums. Eben ein schmaler Grat...
Bei alledem kann man aber den einen oder anderen Silberstreif am Horizont erkennen, glaubt De Tijd. Es gibt Anzeichen dafür, dass die Wirtschaft doch widerstandsfähiger ist, als man das vielleicht hätte befürchten können. Beispiel Brussels Airlines: So mancher hatte die Fluggesellschaft vor einigen Monaten womöglich schon abgeschrieben. Und was sehen wir jetzt? Nach einem außerordentlich guten Sommer ist das Unternehmen quicklebendig und kann jetzt sogar die Staatshilfen aus der Corona-Zeit vollständig zurückzahlen. Und das ist nur ein Beispiel. Der Bel20-Index befindet sich seit drei Wochen in einem ununterbrochenen Höhenflug. Das nährt die Hoffnung, dass die anstehende Rezession nur von begrenztem Ausmaß sein wird. Ist die Krise damit also schon vorbei? Das nun auch wieder nicht. Es bleibt eine gefährliche Welt, in der der russische Präsident Wladimir Putin mit einem Fingerschnippen den Krieg in der Ukraine weiter eskalieren lassen kann. Aber anders als noch vor einigen Wochen scheint es nun doch wieder Anlass zu vorsichtigem Optimismus zu geben…
Putins Lügenmärchen
Apropos Krieg in der Ukraine: Einige Zeitungen beschäftigen sich einmal mehr mit der russischen Informationspolitik. "Man könnte ganze Bücher füllen mit russischen Lügen", glaubt etwa La Libre Belgique. Und die Unwahrheiten, die der Kreml verbreitet, werden schon immer hanebüchener. Jetzt schwadronierte Präsident Putin von einer angeblichen "schmutzigen Bombe", an der die Ukraine aktuell arbeite. Und was? Die würde die Ukraine dann auf ukrainischem Boden zünden und damit ihr eigenes Territorium verseuchen? Das glaubt doch keiner! Wenn die russische Propaganda-Maschine solche Ammenmärchen erfindet, dann mag das darauf hindeuten, wie verzweifelt man in Moskau angesichts des aktuellen Kriegsverlaufes ist. Davon abgesehen ist das ein weiterer Beweis dafür, dass das Regime von Wladimir Putin nicht mehr als verlässlicher Gesprächspartner angesehen werden kann.
L'Avenir stellt sich sogar die Frage, ob die Geschichte mit der schmutzigen Bombe nicht ein Hinweis auf die Pläne des Kreml sein könnte. Im Klartext: Wirft Russland nicht der Ukraine genau das vor, was man in Moskau selber plant? Die angeblichen Beweise, die der Kreml ins Feld führt, haben sich jedenfalls schon als grobe Fälschungen herausgestellt. Klar: Der Einsatz einer schmutzigen Bombe hätte keinerlei strategischen Nutzen. Es wäre eine reine Strafaktion. Aber jeder weiß, dass der Kreml in der Vergangenheit immer wieder dieses Register gezogen hat. Man denke nur an die blinde Bombardierung von Städten, die dem Erdboden gleichgemacht wurden. Oder an die barbarischen Kriegsverbrechen an der Zivilbevölkerung…
Streit um Asylheim ist peinlich für CD&V
Het Laatste Nieuws schließlich beschäftigt sich mit der Polemik um die Einrichtung einer Flüchtlingsunterkunft im westflämischen Jabbeke. Hier sehen wir einen typischen Fall von NIMBY: "Not in my backyard", "bloß nicht in meiner Nachbarschaft". Natürlich ist keine Gemeinde scharf darauf, dass auf ihrem Territorium ein neues Asylbewerberheim entsteht. Oder ein Gefängnis. Oder eine psychiatrische Einrichtung. Und fairerweise muss man sagen, dass Frank Casteleyn, der Bürgermeister von Jabbeke, durchaus auch einverstanden war, dass seine Gemeinde ihr Quäntchen beiträgt. Nur wurden zwischenzeitlich die Pläne geändert, weil es nun mal eine Dringlichkeit gibt. Und es mag so aussehen, als gehe es Frank Casteleyn gar nicht um die Sache. Vielmehr scheint es, als fühle er sich in seiner Ehre gekränkt. Für die CD&V ist das einmal mehr eine peinliche Episode. Denn ausnahmslos alle Beteiligten sind Mitglieder der flämischen Christdemokraten...
Roger Pint