"Die Nacht, die das Wesertal veränderte", titelt das GrenzEcho. "Ein Jahr nach der Sintflut - keine Garantie, dass die wiederaufgebauten Häuser tatsächlich stehen bleiben dürfen", so die Schlagzeile von De Tijd. "Majestät, die Menschen fühlen sich nach wie vor im Stich gelassen", schreibt L'Avenir auf Seite eins.
Viele Zeitungen erinnern heute an die Flutkatastrophe, die vor genau einem Jahr vor allem in der Provinz Lüttich ihren Lauf nahm. Vor allem entlang der Weser und der Ourthe hinterließen die Überschwemmungen eine Schneise der Verwüstung. Insgesamt 39 Menschen kam dabei ums Leben. Tausende Bewohner der betroffenen Regionen verloren ihr Zuhause. Viele, vor allem regional ausgerichteten Zeitungen bringen heute mehrere Sonderseiten zur der Jahrhundertflut. Das Königspaar wird heute Mittag im Lütticher Stadtteil Chênée an einer zentralen Gedenkfeier teilnehmen.
Ein Jahr später und noch immer kein besserer Schutz
"Einigkeit macht stark", so lautet nicht umsonst das Landesmotto, meint La Dernière Heure in ihrem Leitartikel. Die Jahrhundertflut von vor einem Jahr hat sich auf ewig in das Gedächtnis aller Belgier eingebrannt. Die Naturgewalten haben insbesondere der Wallonie einen herben Schlag versetzt, von dem sich viele noch nicht erholt haben. Die Tragödie hat aber auch die Menschlichkeit zu Tage treten lassen. Buchstäblich unzählige freiwillige Helfer haben die Betroffenen in den letzten zwölf Monaten unentwegt unterstützt. Auch viele Niederländischsprachige waren dabei. Wobei doch die zwei großen flämischen Parteien eigentlich das Land spalten wollen. All diese Solidarität mag uns jedenfalls mit der menschlichen Natur versöhnen.
Für viele sind der 14. und der 15. Juli wohl Tage, die sie eigentlich aus dem Kalender streichen wollen, bemerkt nachdenklich L'Avenir. Heute beziehungsweise morgen kommen all die schrecklichen Erinnerungen wieder hoch. Wie unfassbar waren doch die Bilder von den Menschen, die auf ihren Dächern festsaßen und verzweifelt auf Hilfe warteten, Bilder von Häusern, die in Flammen standen, ohne dass die Feuerwehr sie erreichen konnte, Bilder von ganzen Dörfern, die in den Fluten verschwunden waren. Heute, ein Jahr danach, brechen bei vielen Betroffenen die Wunden wieder auf, erinnern sich viele Betroffene an jene schrecklichen Stunden. Heute, ein Jahr danach, bleibt aber auch der beängstigende Eindruck, dass wir nicht wirklich besser vor einer solchen Katastrophe geschützt wären als vor einem Jahr.
Ein Masterplan, der alle(s) miteinbezieht
Das GrenzEcho stellt einmal mehr die Frage nach der Verantwortlichkeit. Die Katastrophe an sich war wohl unvermeidbar. Nur sind an zu vielen Stellen zu viele Fehler gemacht worden. Das gilt insbesondere für die Weser-Talsperre, die man trotz aller Warnungen volllaufen ließ. Und dann kam, was kommen musste: Millionen Kubikmeter Wasser mussten abgelassen werden. Es ist schlimm, ja unverzeihlich, dass niemand für diesen Schlamassel geradestehen will. Die Verantwortung, so das Kalkül, verläuft sich. Die Opfer hätten Besseres verdient.
Wir müssen jetzt auch nach vorne blicken, mahnt Le Soir sinngemäß. Der Wiederaufbau in den gepeinigten Flusstälern darf aber nicht zu einer Summe von individuellen Lösungen werden. Vielmehr bedarf es eines Masterplans: Das Produkt eines kollektiven Engagements, in das man in erster Linie die Anwohner miteinbezieht, aber auch Architekten, Städteplaner sowie Vertreter der lokalen Behörden und der technischen Dienste der Wallonischen Region. Nicht zu vergessen die eigentlichen Hauptakteure, nämlich die Flüsse. Weser und Ourthe hatten an jenem unseligen 14. Juli eine klare Botschaft: Sie wollen ihren Platz in unseren Tälern, nicht anstelle der Menschen, sondern gemeinsam mit ihnen.
Ein denkbar unglückliches Signal
In Flandern sorgen offensichtliche Missstände im Bereich der Kleinkindbetreuung für Diskussionsstoff. Nach dem Tod eines Kleinkinds in einer Kinderkrippe im Genter Stadtteil Mariakerke Anfang des Jahres hatte ein Untersuchungsausschuss den Sektor unter die Lupe genommen. Die parlamentarische Kommission hat am Mittwoch ein vernichtendes Urteil gefällt: Der Bereich Kleinkindbetreuung gleiche einem Trümmerhaufen. Kurz und knapp: Die rechte Hand weiß nicht, was die linke tut.
Man sollte jetzt aber nicht das Kind mit dem Badewasser ausschütten, warnt sinngemäß Het Belang van Limburg. In den allermeisten der 6.340 Kinderkrippen in Flandern und in Brüssel wird phantastische Arbeit geleistet. Unsere Kinder sind dort sicher und werden mit sehr viel Liebe betreut. Das Problem ist nur, dass die wenigen schwarzen Schafe nicht schnell genug bemerkt werden können. Und das liegt allein an Managementfehlern auf der Führungsebene. Und doch will die verantwortliche Bereichsleiterin ihren Stuhl nicht räumen. Bislang ist erst ein Kopf gerollt: der des früheren flämischen Sozialministers Wouter Beke. Logisch ist das nicht.
Het Nieuwsblad sieht das ähnlich. Die Generalsekretärin Katrien Verhegge bleibt auf ihrem Posten. Allerdings stellt man ihr jetzt gleich zwei Krisenmanager zur Seite. Das zeigt wohl, wie wenig Vertrauen man noch in die Bereichsleiterin hat. Insgesamt ist das ein denkbar unglückliches Signal, auch und vor allem den Bürgern gegenüber. Hier geht's nicht um Personen, hier geht's um Verantwortung. Hartnäckig an seinem Stuhl kleben zu bleiben, das ist wohl nicht die beste Idee.
Der Inbegriff einer gewissen flämischen Verwaltungskultur
Was wir hier sehen, das ist letztlich der Inbegriff einer gewissen flämischen Verwaltungskultur, analysiert De Morgen. Jahrzehntelang haben insbesondere die Christdemokraten ein Labyrinth geschaffen, das es erlaubte, Verantwortlichkeiten zu verdünnen in einem Wust von Kommissionen, Arbeitsgruppen und Komitees. Und alle waren sie damit beschäftigt, den Regenschirm aufzuhalten, um die Verantwortung abperlen zu lassen.
Die flämische Regierung, allen voran Ministerpräsident Jan Jambon und Gesundheitsministerin Hilde Crevits, haben jetzt noch zwei Jahre Zeit, um das Vertrauen in die Kleinkindbetreuung wiederherzustellen, notiert Het Laatste Nieuws. Diese Aufgabe ist ebenso schwierig wie delikat, denn dieses Vertrauen ist auf allen Ebenen völlig zerrüttet. Wenn die flämische Regierung hier versagt, dann war die Arbeit des Untersuchungsausschusses umsonst.
Roger Pint