"PS erklärt E-Commerce den Krieg", titelt Het Nieuwsblad auf Seite eins. "Paul Magnette will E-Commerce in Belgien ein Ende bereiten", schreibt Le Soir. "PS-Vorsitzender provoziert: 'Lasst Belgien doch ein Land ohne E-Commerce werden'", bringt De Tijd das entsprechende Zitat aus einem Interview von Paul Magnette mit der flämischen Wochenzeitschrift "Humo".
Wenn eine intelligente Person eine überzogene Forderung stellt, dann ist das ein doppelter Schock, kommentiert Le Soir. Einmal wegen der Person selbst, ein zweites Mal wegen des eigentlichen Inhalts. Wie jetzt im Fall des Vorsitzenden der frankophonen Sozialisten PS, Paul Magnette. Gerade in den letzten zwei Jahren hat die Zahl der Belgier zugenommen, die online einkaufen, auch um die Schließungen der physischen Geschäfte zu kompensieren. Die Läden, die überlebt haben, haben dies vor allem ihren Online-Einkaufsmöglichkeiten zu verdanken. Das Internet ist auch die Startbahn für viele neue Unternehmer und auch ein virtuelles Schaufenster für lokale und europäische Produkte. Selbst aus Charleroi.
Indem er den E-Commerce ins Visier nimmt, schießt Magnette am Ziel vorbei. Abgesehen von einer doch riskanten Pointe: In Lüttich heißt die PS den chinesischen Internetgiganten Ali Express mit offenen Armen willkommen. In Charleroi und anderswo werden die städtischen Einkaufsstraßen durch Einkaufszentren ausgeblutet, die von Mehrheiten beschlossen worden sind, in denen die PS mit drinsitzt, erinnert Le Soir.
Kuba an der Nordsee
Wie nostalgisch kann man sein? Wie reaktionär als Sozialist?, fragt Het Laatste Nieuws. Die Bedenken Magnettes über eine Lockerung der Auflagen für die Arbeit im E-Commerce-Sektor sind teilweise berechtigt. Aber wer deswegen die Abschaffung des Sektors fordert, stellt nur seine eigene Machtlosigkeit zu Schau. Als ob Belgien hier alleine irgendetwas erreichen könnte. Als ob die im Internet bestellten Päckchen dann nicht einfach aus Utrecht oder Köln kommen würden. Wir können nur hoffen, dass der Vorstoß des "roten Ritters" aus Charleroi dazu gedacht ist, der euphorischen PTB einen linken Kinnhaken zu verpassen. Denn mehr Menschen müssen in Arbeit gebracht werden, um die hohen Schulden unter Kontrolle zu bekommen. Mehr Menschen müssen arbeiten, um die Soziale Sicherheit zu stärken und sie bezahlbar zu halten. Vor diesem Hintergrund ist es kein gutes Zeichen, dass Magnette die Arbeitslosigkeit und den Beschäftigungsgrad plötzlich nicht mehr als Problem sehen will, wettert Het Laatste Nieuws.
Während Paul Magnette von einem Kuba an der Nordsee träumt, hört die Evolution der Wirtschaft nicht auf, giftet De Morgen. Wenn er nicht will, dass Päckchen in Charleroi oder Hasselt gepackt werden, dann wird das eben in Maastricht oder Aachen passieren. Auch wenn der Vorstoß Magnettes keine Anordnung ist, so verheißt sie doch wenig Gutes für die Regierung De Croo. Die hofft ja nach wie vor darauf, den Beschäftigungsgrad steigern und damit die Wirtschaft ankurbeln zu können. Das ist der entscheidende Auftrag der Regierung, ihr Vermächtnis steht und fällt mit der wirtschaftlichen Wiederbelebung des Landes. Aber Magnette sagt jetzt eigentlich, dass die gar nicht mehr notwendig ist. Wenn sich das Ganze nicht als Schnapsidee des PS-Präsidenten herausstellen sollte, dann hat er damit der Hoffnung einen Genickschuss verpasst, noch etwas aus der Vivaldi-Koalition machen zu können, so De Morgen.
Gute Neuigkeit oder angebrachte Zweifel?
Diplomaten und Verteidigungsspezialisten sind sich allgemein in einem Punkt einig, schreibt L'Avenir zum Treffen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron mit seinem russischen Pendant Wladimir Putin: Die schlimmste Situation in einer Krise ist nicht unbedingt die Verkündung schlechter Neuigkeiten, sondern die Abwesenheit von Neuigkeiten. In dieser Hinsicht stellt der Besuch Macrons in Moskau eine gute Neuigkeit dar: Der Dialog über die Spannungen mit Russland wird fortgesetzt, auch wenn weiterhin niemand weiß, welche Ziele Putin wirklich verfolgt, analysiert L'Avenir.
Macron ist nicht eingeladen worden, in den Spannungen mit Russland den Vermittler zu spielen, hält La Libre Belgique fest. Er hat sich selbst dazu ernannt. Und niemand weiß, in welcher Funktion er in Moskau ist. Als Repräsentant der Europäischen Union, weil Frankreich die Ratspräsidentschaft innehat? Als französischer Präsident, der seinen eigenen Weg eines fortgesetzten Dialogs mit Russland seit 2017 verfolgt? Oder als Quasi-Kandidat, um sich für die Präsidentschaftswahl einen Vorteil gegenüber seinen Rivalen zu sichern?
Diese Unsicherheit bereitet Europa Sorgen, nicht zuletzt, weil Macron zuletzt zu "Zugeständnissen" und "Respekt" gegenüber Russland aufgerufen hat. Frankreich ist in keiner Position der Stärke gegenüber Moskau: In Mali und der Zentralafrikanischen Republik bringen die russischen "Wagner"-Milizen Frankreich in Verlegenheit. Bei den Atomverhandlungen mit dem Iran ist Paris auf Moskau angewiesen. Die französische Diplomatie ist traditionell nicht auf Zentral- und Osteuropa ausgerichtet. Daher sind Zweifel angebracht, ob sie die Interessen der betroffenen Menschen im Sinn hat, allen voran der Ukrainer. Wäre es nicht angebrachter, sich an sie, die europäischen Hauptopfer der russischen Machtdemonstration zu wenden?, fragt La Libre Belgique.
Aufgeschoben ist nicht aufgehoben
Das GrenzEcho greift die Impfpflicht für das Gesundheitspersonal auf: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben, weiß der Volksmund. Ob die Verschiebung der Fristen im Rahmen der für den 1. April geplanten Impfpflicht für das Pflegepersonal auf den 1. Juli nicht doch der Einstieg in den Ausstieg dieser Maßnahme ist? Darauf wetten möchte man angesichts der in der Frage der Impfpflicht tief gespaltenen Vivaldi-Koalition jedenfalls nicht. Was der Herbst an der Corona-Front bringt, weiß derzeit niemand. Da gebranntes Kind aber bekanntlich das Feuer scheut, wird man sich nach zwei Pandemiejahren in Brüssel für den Herbst das eine oder andere Türchen offenhalten. Auch das einer wie auch immer gearteten Impfpflicht, glaubt das GrenzEcho.
Boris Schmidt