"Corona ist vollkommen zurück", fasst De Morgen die epidemiologische Situation zusammen. "Flämische Regierung entscheidet sich für dritte Spritze statt für Ausweitung des Corona-Passes", schreibt Gazet van Antwerpen. "'Wir müssen hoch auf 85 Prozent Geimpfte'", zitiert Het Laatste Nieuws den Virologen Pierre Van Damme von der Taskforce "Impfung".
"Sciensano", "Quarantänen", "geschlossene Klassen", "Explosion", "vierte Welle", "dritte Dosis", "Masken", "Covid-Safe-Ticket", "Experten", "Konzertierungsausschuss". Da sind sie wieder, die bekannten Schlüsselworte, seufzt La Dernière Heure. Der Kampf gegen Covid ist so anstrengend, wie er endlos scheint. Dennoch hat sich die Art des Kampfes verändert – und zwar zu unserem Vorteil. Im Gegensatz zu 2020 kennen wir den Feind und haben unsere Waffen geschärft. Mundschutzmasken drinnen, Barrieregesten und vor allem die Impfung. Ist das der ultimative Schutzschild? Nein. Ist es unser bestes Mittel, um zu retten und zu beschützen? Mit Sicherheit. Die Herausforderung der nächsten Wochen und Monate wird sein, die zu überzeugen, die noch immer zweifeln – und zwar ohne Zwang und ohne Schelte, fordert La Dernière Heure.
Frustrierendes Jo-Jo-Spiel
Für De Standaard ist diese vierte Welle auch die Schuld der Politik. Mit Versprechungen über das "Reich der Freiheit" und großen Reden über die Impfstoffe sind bei den Menschen falsche Erwartungen geweckt worden. Die Bürger haben gedacht, dass wieder alles erlaubt ist – gerade im Norden des Landes. Die flämische Regionalregierung hat jetzt mit ihrer Ankündigung einer Auffrischimpfung für alle die Flucht nach vorne angetreten. Dass sie das getan hat, ohne dafür überhaupt eine wissenschaftliche Basis zu haben, ist bezeichnend für das unselige Sammelsurium an Maßnahmen im belgischen Gesundheitswesen. Das Mindeste, was wir verlangen können, das ist doch wohl ein langfristiger Plan. Am liebsten einen ernsthaften und nuancierten. Ohne wilde Versprechungen, kritisiert De Standaard.
Ist dieses Jo-Jo-Spiel, dieses ständige Hin und Her frustrierend? Absolut, bestätigt De Morgen. In einer idealen Welt wäre das Szenario, das wir jetzt haben, schon deutlich angekündigt worden, als im Sommer die Tore zum Reich der Freiheit aufgestoßen wurden. Leider haben die meisten Politiker das nicht aussprechen wollen – weil die meisten von uns das lieber nicht hören wollten, unterstreicht De Morgen.
Het Laatste Nieuws hat eine eindeutige Meinung: Wenn es sinnvoll ist, überall das Covid-Safe-Ticket einzuführen, dann bitte! Viel lieber zeige ich überall meinen QR-Code, als mich beim Metzger wieder mit Mundschutzmaske zwischen meine geimpften Nachbarn stellen zu müssen. Oder sollen wir wirklich unser allerschönstes Körperteil, unser Gesicht, wieder verstecken, weil eine kleine Gruppe alle Fake News über Impfstoffe in den Sozialen Medien glaubt? 92 Prozent der erwachsenen Flamen, 81 Prozent der Wallonen und 66 Prozent der Brüsseler haben sich ihrer Verantwortung gestellt im Kampf gegen das Virus. Sie haben getan, was von ihnen verlangt worden ist. Von ihnen dürfen wir nicht noch mehr verlangen. Wohl aber von den anderen. Worauf warten wir noch?, donnert Het Laatste Nieuws.
Wie schwierig kann es sein, eine Und-und-Geschichte statt eines Entweder-oders zu schreiben?, fragt Het Belang van Limburg. Ist es wirklich so schwierig, nicht gleich ein ganzes Paket an Maßnahmen zu nehmen? Also Pflichtimpfung für das Pflegepersonal und die Kontaktberufe, dritte Impfung für alle, die das wollen, sei es nun beim Apotheker, Arzt oder im Impfzentrum und Covid-Safe-Ticket. Die Widerstandskraft der Menschen ist allmählich aufgebraucht. Jetzt schon wieder hinter den Entwicklungen herzurennen, ist keine Option, warnt Het Belang van Limburg.
Glück im Unglück
So viele Impfungen wie möglich setzen und das Covid-Safe-Ticket so wenig wie möglich benutzen – das ist die Antwort der flämischen Regierung, fasst Gazet van Antwerpen zusammen. Das wirft durchaus Fragen auf. Man kann auch kritisieren, dass lieber schon wieder auf tausende von Freiwilligen gesetzt wird, um Millionen von Bürgern erneut zusammenzutrommeln, damit sich die alle hoffentlich wieder freiwillig impfen lassen. Anstatt der sehr kleinen Minderheit, die sich nicht impfen lassen will, irgendwelche Unannehmlichkeiten zu bereiten.
Hinzu kommen die üblichen Sticheleien zwischen den rechten flämischen Regierungsparteien und dem linken föderalen Gesundheitsminister. Leider gibt es eben keine Impfung gegen politische Spielchen. Das gilt im Übrigen auch für die Gewerkschaften, die sich weiterhin einer Pflichtimpfung des Pflegepersonals widersetzen. Die Auslastung der Krankenhäuser ist noch beherrschbar. Man kann es wohl Glück im Unglück nennen, dass wir – zumindest für den Augenblick – die Politik noch nicht brauchen bei diesem Wiederaufflammen der Epidemie, giftet Gazet van Antwerpen.
Het Nieuwsblad erinnert daran, dass demnächst die UN-Klimakonferenz stattfindet. Die gute Nachricht ist, dass unser Land sich für die COP26 in Glasgow dieses Mal auf Ziele geeinigt hat. Die schlechte Nachricht ist, dass sich unsere vier Klimaminister noch immer uneinig sind, wie sie die Ziele bis 2030 erreichen wollen. Unser Land steht vor einer entscheidenden Herausforderung. Es müssen Beschlüsse genommen werden. Dringend. Jetzt. Denn der Klimawandel geht schnell. Dem steht aber das Gekabbel zwischen der N-VA-Klimaministerin und ihren drei Ecolo-Amtskollegen im Weg.
Auch die Klimaschwänzer tragen erneut zu einer Polarisierung in der belgischen Gesellschaft bei. Statt sich gegenseitig den Schwarzen Peter zuzuschieben, sollten sie gemeinsam an einem Strang ziehen: für ein starkes, ehrgeiziges, aber gleichzeitig machbares und einmütiges Paket, fordert Het Nieuwsblad.
Ganz sicher noch nicht am Ziel
Le Soir befasst sich mit dem Thema sexuelle Gewalt vor allem gegen Frauen. Nach Berichten über Übergriffe und Vergewaltigungen in zwei Bars im Studentenviertel der Brüsseler Stadtgemeinde Ixelles ist es zu einer echten Schockwelle an Zeugenaussagen und Anschuldigungen gekommen. Das Wichtige ist zunächst einmal, dass den Opfern endlich zugehört wird: von den lokalen und auch föderalen Behörden, von der Politik, von der Polizei, von der Justiz, von den Medien – und auch von den Besitzern gewisser Bars. Aber das reicht nicht: Das Zuhören muss zum Handeln führen. Wir sind zwar nicht mehr ganz am Anfang, aber ganz sicher auch noch nicht am Ziel, unterstreicht Le Soir.
Das GrenzEcho zieht Bilanz nach dem EU-Gipfel: Die EU-Staats- und Regierungschefs hatten reichlich Gesprächsstoff. Heraus kam allerdings herzlich wenig. Über Polen und die Flüchtlingspolitik wurde lange und ergebnislos gestritten. Bei den durch die Decke schießenden Preisen für Energie und Rohstoffe einigte man sich darauf, die Ursachen der Krise näher zu analysieren. Beim Thema Digitales kam nichts weiter heraus als ein paar hohle Floskeln. Die EU verkommt immer mehr zu einer Geldumverteilungsbude, in der es schon lange keinen Platz und keine Gemeinsamkeiten mehr für große Themen gibt, wettert das GrenzEcho.
Boris Schmidt