"Flandern färbt sich in dieser Woche wieder rot", titelt Het Laatste Nieuws. Die Zahl der Corona-Neuinfektionen ist in den letzten Tagen kontinuierlich gestiegen. Zuletzt steckten sich jeden Tag im Durchschnitt 3.500 Menschen mit dem Coronavirus an. Auf der europäischen Karte wird sich Flandern wahrscheinlich ab Mittwoch wieder rot einfärben. Dann ist ganz Belgien wieder rote Zone. "Es gebe aber keinen Grund zur Panik", sagt der Sciensano-Virologe Steven Van Gucht in Het Laatste Nieuws. Wegen der hohen Impfquote in Belgien drohe keine Überbelastung der Krankenhäuser. Der föderale Gesundheitsminister Frank Vandenbroucke zeigt sich in einigen Zeitungen dennoch besorgt. "Die Situation ist beängstigend", sagt er etwa in La Dernière Heure. Deswegen sollten die bestehenden Maßnahmen umso konsequenter durchgesetzt werden.
"Keine Verschärfung in der DG", notiert seinerseits das GrenzEcho. Trotz erhöhter Inzidenzen in Ostbelgien bleibt es zunächst bei den bestehenden Maßnahmen. Die Situation solle aber regelmäßig bewertet werden.
"Das Spiel ist noch nicht gewonnen", kann La Dernière Heure in ihrem Leitartikel nur feststellen. Wir dürfen nicht vergessen, dass auch die Impfung leider keine 100-prozentige Sicherheit garantiert. Ein neuer Lockdown ist zwar eher ausgeschlossen, aber in Ausnahmefällen kann man trotz Impfung immer noch im Krankenhaus landen. Die steigenden Infektionszahlen sollten uns denn auch daran erinnern, dass die Gefahr nicht vollständig gebannt ist. Weiterhin ist Vorsicht geboten.
Ansturm auf die Impfzentren bleibt aus
"Der Corona-Pass hebt die Impfquote in der Wallonie auf über 70 Prozent", titelt derweil De Standaard. Gemeint ist hier die Impfabdeckung in der Gesamtbevölkerung. In den letzten Tagen hat man hier einen Schub beobachten können. Grund ist wohl die Ankündigung der wallonischen Regionalregierung den Einsatz des Covid-Safe-Tickets ab dem 1. November auf weite Teile des öffentlichen Lebens auszudehnen.
Das Gleiche hatte man auch schon in Frankreich gesehen, notiert De Standaard in seinem Kommentar. Nachdem Präsident Emmanuel Macron die Einführung des Corona-Passes angekündigt hatte, gab es einen regelrechten Ansturm auf die Impfzentren. Millionen klickten sich noch schnell einen Impftermin. In Brüssel haben wir das leider nicht gesehen. In der Hauptstadt muss man seit dem vergangenen Freitag vielerorts das Covid-Safe-Ticket vorzeigen. Trotzdem hat sich die Impfquote so gut wie nicht bewegt. "Warum?", mag man sich fragen. Nun, der Grund ist wohl vor allem, dass die Brüsseler Verantwortlichen hier allzu halbherzig vorgegangen sind, indem man unter anderem schnell hatte durchblicken lassen, dass sich die Kontrollen durchaus in Grenzen halten würde.
"State ohne Union"
Einige Zeitungen sorgen sich um den Zustand der föderalen Koalition. Vivaldi ist destabilisiert, glaubt etwa Le Soir. Am Wochenende hat sich einmal mehr gezeigt, wie sehr einige Koalitionspartner an verschiedenen Strängen ziehen. Kaum war die Tinte des Haushaltsabkommens trocken, da beschwerten sich schon einige Parteipräsidenten über all die Punkte, die nicht berücksichtigt wurden. Auf der rechten Seite gilt das in erster Linie für den MR-Vorsitzenden Georges-Louis Bouchez. Auf der linken Seite, insbesondere bei der PS, herrscht aber auch alles andere als eitel Sonnenschein. Die frankophonen Sozialisten sind hörbar unzufrieden; an der Basis beginnt es zu rumoren. Am stahlblauen Vivaldi-Himmel ziehen langsam aber sicher dunkle Gewitterwolken.
"Man nennt die Regierungserklärung gerne auch die "State of the Union" nun, was wir hier sehen, das ist ein "State ohne Union", frotzelt Het Laatste Nieuws. Das Grundproblem dieser Föderalregierung ist, dass die Partner den Unterschied nicht sehen zwischen ihren jeweiligen Wunschzetteln und Ambition. Ambition, das ist ein höheres Ziel, hinter das sich alle scharen. Und das ist in der Regel nicht die Summe der Wünsche aller Koalitionspartner. Vielmehr steht das Endziel fest, und alle suchen gemeinsam nach Wegen, um das dann auch zu erreichen. Von dieser gemeinsamen Ambition ist leider nicht viel zu sehen.
Politische Hochspannung in der Gaskraftwerken-Saga
Mehrere Blätter beschäftigen sich noch einmal mit der letzten Episode in der Saga um die Gaskraftwerke. Am vergangenen Freitag hatte die flämische Umwelt- und Energieministerin Zuhal Demir die Baugenehmigung für eine solchen Anlage im limburgischen Tessenderlo verweigert. Das obwohl nahezu alle Gutachten positiv waren. Es war bereits das zweite Mal, das die N-VA-Politikerin ein solches Vorhaben blockiert hat. "Demirs Manöver sorgt für politische Hochspannung", konstatiert Het Laatste Nieuws.
Die Argumente, die die flämische Umweltministerin ins Feld führt, sind immer weniger vertretbar, urteilt Het Nieuwsblad in seinem Leitartikel. Der Verdacht steht im Raum, dass die N-VA der Föderalregierung Steine in den Weg legen will, da die Nationalisten ja auf der föderalen Ebene in der Opposition sitzen. Es mag so aussehen, als nutze die N-VA ihre regionalen Hebel, um ihre föderale Agenda durchzusetzen. Die N-VA ist gegen den Bau von Gaskraftwerken: Schön und gut! Diese Haltung ist natürlich nicht verboten. Doch ist es von größter Wichtigkeit, dass jetzt endlich klare Weichenstellungen für die Zukunft vorgenommen werden. Hier brauchen wir keine grünen Dogmen, aber auch keine politischen Spielchen einer Oppositionspartei von einer andere Machtebene aus.
Roger Pint