"Polexit: Die EU befindet sich auf unbekanntem Terrain", titelt Le Soir. "In der EU bleiben oder austreten? Was will Polen wirklich?", fragt sich La Libre Belgique auf Seite eins.
Der polnische Verfassungsgerichtshof hat am Donnerstag eine Bombe gezündet. Das Gericht erklärte Teile der EU-Verträge für verfassungswidrig. Das bedeutet also, dass für die Richter das polnische Recht Vorrang gegenüber europäischem Recht hat. Genau das widerspricht aber allen Prinzipien der Staatengemeinschaft. Polen attackiert hier einen Grundpfeiler der EU.
Warschauer Kriegserklärung
"Das ist eine Kriegserklärung Polens an die Europäische Union", wettert Le Soir in seinem Leitartikel. Die Zeitung zitiert hier aber eigentlich den Leitartikler der polnischen Zeitung Gazeta Wyborcza, der seiner Wut offensichtlich freien Lauf gelassen hat: "Schluss damit!", tobt der Journalist und spricht von einem "Pseudourteil, gefällt von Pseudorichtern eines Pseudotribunals". Tatsächlich hat Polen die EU in eine extrem gefährliche Krise gestürzt. Indem man jetzt den Vorrang des europäischen Rechts in Frage stellt, rüttelt man an den Grundfesten der Union. Diese ultimative Provokation kann auf zwei Ebenen bekämpft werden. Zunächst intern: Die Polen, die sich laut Umfragen zu 80 Proent EU-freundlich zeigen, könnten jetzt ihre politischen Führer desavouieren. Aber auch von außen gibt es Druckmittel. Jetzt ist die EU-Kommission gefragt. Sie muss Polen in seine Schranken verweisen. Ansonsten droht nicht mehr und nicht weniger als ein Auseinanderbrechen des europäischen Integrationsprojekts.
La Libre Belgique sieht das genauso. Angesichts der juristischen Kriegserklärung aus Warschau bedarf es jetzt einer angemessenen Antwort aus Brüssel. Das Primat des europäischen Rechts ist der Grundpfeiler der Europäischen Union. Gleiche Regeln für alle! Kein Rosinenpicken! Dieses Prinzip ist nicht verhandelbar! Ansonsten würde die Union ihre Existenzberechtigung verlieren und könnte schlichtweg nicht mehr funktionieren. Deswegen müssen die EU-Kommission und der Europäische Gerichtshof aber auch das Europäische Parlament und die Mitgliedsstaaten den Polen sehr deutlich machen, dass sie zu weit gehen. Wenn Polen tatsächlich, wie unter anderem Ministerpräsident Morawiecki beteuert, nicht aus der EU austreten will, gut, dann sollte sich das Land aber auch entsprechend verhalten. Und sollte sich vor allem nicht aufführen, wie ein blinder Passagier, der auf den europäischen Grundwerten herumtrampelt. Die EU muss jetzt reagieren! Schnell und entschlossen!
Haushaltsberatung - funktioniert Belgien oder nicht?
Einige Zeitungen beschäftigen sich heute auch wieder mit den derzeit laufenden Haushaltsberatungen. "Vivaldi auf der Suche nach einem Neustart", schreibt etwa das GrenzEcho auf Seite eins. Nicht nur, dass die Koalition einen Haushalt für das kommende Jahr ausarbeiten muss, die Regierung will auch ihrer ursprünglichen Ambition gerecht werden und eine Reihe von Strukturreformen präsentieren können.
Für Vivaldi ist es doch schon ein Wochenende der Entscheidung, analysiert sinngemäß De Tijd. Wobei man noch den Eindruck haben kann, dass diese Equipe ihre selbstgesteckten Ziele nicht erreichen wird. Nur ein Beispiel: Man ist auf der Suche nach lediglich zwei Milliarden Euro, die also eingespart werden sollen. Das ist ein Bruchteil des derzeitigen Haushaltsdefizits, dass sich auf rund 20 Milliarden Euro beläuft. Klar! Das hat natürlich mit Corona zu tun. Nur wird eben diese Corona-Krise in diesen Zeiten sehr gerne als Ausrede missbraucht, um nötige Reformen auf die lange Bank zu schieben. Man vermisst hier definitiv die Einsicht, dass Probleme dringend angegangen werden müssen. Das gilt zum Beispiel für den Arbeitsmarkt. Premierminister Alexander De Croo hatte die Parole ausgegeben, dass man beweisen wolle, dass Belgien funktioniert. Nach diesem Wochenende wird sich zeigen, ob das wirklich so ist.
Die Klimaaktivisten und ihre Wahrnehmung
Einige Zeitungen blicken auch schon auf morgen: In Brüssel wollen tausende, vor allem junge, Menschen wieder für eine entschlossenere Klimaschutzpolitik auf die Straße gehen.
Wir brauchen tatsächlich einen Systemwechsel, ist De Standaard überzeugt. Und es reicht nicht, wenn jeder für sich seine Gewohnheiten ändert. Vielmehr müssen die Regierungen im Zusammenspiel mit der Wirtschaftswelt einen Rahmen vorgeben. Die jungen Menschen geben hier die Richtung vor. Und das ist legitim. Schließlich werden sie am stärksten mit den Folgen des Klimawandels konfrontiert sein. Indem man immer wieder ihre Wortführer angreift und diabolisiert, setzt man eigentlich nur negative Energie frei. Wir sollten aber im Gegenteil entschlossen und zuversichtlich an diese Jahrhundertaufgabe herangehen.
De Morgen kritisiert aber seinerseits den Ton, den die Klimaaktivisten mitunter an den Tag legen. Viele ihrer Führungsfiguren werden immer ruppiger, benutzen eine immer härtere Sprache. Aus ihrer Sicht, angesichts ihrer wachsenden Enttäuschung, mag das verständlich und legitim sein. Doch so holt man die Menschen nicht ab. Das ist ein strategischer Irrtum, inzwischen ist bewiesen, dass man allein mit apokalyptischen Horrorvisionen am Ende die Menschen nicht mehr erreicht.
Die Wirtschaftszeitung L'Echo fragt sich ihrerseits, warum Unternehmer oder Vertreter aus der Wirtschaftswelt morgen wohl nicht unter den Klimademonstranten sein werden. Der Klimawandel geht uns doch alle an. Die Unternehmen wären gut beraten, sich auf die neuen Zeiten einzustellen. Auf die Gefahr hin, dass man ansonsten am Ende den Zug in Richtung Zukunft verpasst.
Wackelt der Stuhl von Martinez?
Einige Blätter schließlich stellen mehr oder weniger offen die Frage nach der Zukunft von Fußballnationaltrainer Roberto Martinez. "Weitermachen oder aufhören?", fragt sich etwa La Dernière Heure.
Das Ausscheiden gegen Frankreich in der Nations League war die Niederlage zu viel, meint das Blatt sinngemäß in seinem Leitartikel. Martinez kann uns nicht mehr länger weismachen, dass er eine Mannschaft geformt hat, um einen Titel zu holen. Diese goldene Generation wird am Ende wohl nichts gewonnen haben. Zu lange haben wir uns von dem Katalanen blenden lassen, die Medien und auch das Publikum. Den Frust, der sich seit Donnerstag breitmacht, den sind wir eigentlich selber schuld.
Roger Pint