"Historisches Gold", titelt Het Laatste Nieuws. "Belgisches Gold", so die Schlagzeile von Le Soir und La Dernière Heure. "Zweimal Gold", jubelt Gazet van Antwerpen. "Belgien im Goldrausch", schreibt das GrenzEcho auf Seite eins.
Es war "der schönste Nachmittag in der belgischen Sportgeschichte", wie es auch De Morgen formuliert. In weniger als einer Stunde gab's zwei neue Goldmedaillen für Belgien. Erst besiegten die Red Lions Australien im Finale des olympischen Feldhockeyturniers. Kurz danach sicherte sich Nafissatou Thiam ihre Goldmedaille im Siebenkampf. "Doppelgold und dick verdient", schreibt Het Nieuwsblad. "Doppelt so schön", so die Schlagzeile von Het Belang van Limburg. "Nafi Thiam und die Red Lions schreiben belgische Sportgeschichte", titelt La Libre Belgique. L'Avenir vergibt seinerseits das Prädikat "heldenhaft".
Goldige Belgier
"Königin Nafi und die Könige der Löwen", so bringt es Le Soir in seinem Leitartikel auf den Punkt. Diese Athleten haben den Belgiern gestern ein Lächeln ins Gesicht gezaubert. Nafi Thiam und die Red Lions haben auf ihre Art das Bruttoinlandsglück gesteigert. Dabei darf man natürlich Nina Derwael, die vor einigen Tagen schon am Stufenbarren die Goldmedaille errungen hatte, nicht vergessen. Alle drei haben auf ihre Weise Geschichte geschrieben. Bemerkenswert: Die Erfolge von Nina Derwael, den Red Lions und Nafi Thiam waren gewissermaßen programmiert. Im Vorfeld war man fest davon ausgegangen, dass sie Gold mit nach Hause bringen würden. Entsprechend groß war der Druck, aber sie haben ihm standgehalten.
"Tut das gut!", findet auch L'Avenir. Dies vor allem in diesen doch eher düsteren Zeiten. Ausdauer, Beharrlichkeit, Talent, das zeichnet all diese Medaillengewinner aus. Wir können stolz sein! Auch wir Belgier kriegen das hin.
La Libre Belgique bringt eine Ode an die "wunderbaren Goldsucher". Für Nina Derwael, Nafi Thiam und die Red Lions ist es die Krönung jahrelanger Arbeit. Im Schatten, weit weg von den Scheinwerfern. Tausende Stunden des Trainings, des ewigen Wiederholens technischer Abläufe. Das alles, um einige Sekündchen, einige Zentimeter, einige hundertstel Punkte herauszuholen. Um am Ende den Heiligen Gral ihres Sports zu erobern, eines Sports, wo man das Geld nicht in goldenen Schubkarren nach Hause fährt. Diese Spiele werden noch lange in Erinnerung bleiben.
Tut Belgien genug für den Spitzensport?
"Phänomenal!", jubelt auch Het Nieuwsblad. An diesem 5. August 2021 gegen 14 Uhr belgischer Zeit haben wir in unserer Sportgeschichte die Sternstunde erlebt. Dank eines Doppelschlags erst der Red Lions und dann von Nafi Thiam. Nicht zu vergessen Nina Derwael, die auch vor einigen Tagen schon Geschichte geschrieben hatte. Drei Goldmedaillen! Das hat Belgien seit den Olympischen Spielen 1924 in Paris nicht mehr geschafft. Und doch mag man sich die Frage stellen, ob das nicht noch viel besser gehen könnte. Natürlich haben alle belgischen Athleten in Tokio alles gegeben. Und doch stehen wir, gemessen an vergleichbaren Ländern, noch eher bescheiden da. Die Niederlande etwa bringen 26 Medaillen mit nach Hause. Mindestens. Vielleicht kann jener 5. August 2021 der Beginn eines neuen Elans sein.
"Ein goldener Tag, aber das könnte noch besser laufen", ist auch Gazet van Antwerpen überzeugt. Hier geht es freilich nicht darum, die Leistungen unserer Athleten zu schmälern. Aber wenn die Euphorie sich mal verflüchtigt hat, dann sollte man doch mal nüchtern Bilanz ziehen. Tun wir wirklich genug für den Spitzensport? In Belgien werden immer noch vergleichsweise kleine Brötchen gebacken. Es wird Zeit, dass auch in Belgien mehr in den Spitzensport investiert wird. Ziel sollte sein, dass wir mindestens so gut werden, wie die Niederlande, Ungarn oder Kroatien.
In der Tat! Würde man die niederländischen Medaillen auf die belgische Bevölkerung umlegen, dann hätten wir jetzt 17 Mal Edelmetall gewonnen, rechnet Het Belang van Limburg vor. Hier geht es nicht nur um die reine Medaillen. Sportliche Erfolge haben auch einen nicht unwesentlichen wirtschaftlichen, sozialen und medizinischen Impact. In diesem Land muss man sich irgendwann mal klar dazu bekennen, dass Sport mehr ist als nur pure Unterhaltung.
Was uns der Sport lehren kann
L'Echo sieht das genauso: Aus dem gestrigen Tag sollten wir goldene Lektionen ziehen. Jede Goldmedaille ist auch eine gewaltige Inspirationsquelle. Hier geht's um Ambitionen, Hartnäckigkeit, Siegeswillen, Selbstvertrauen. Eine schöne Kombination, die Wunder bewirken kann. Und das kann man auch auf andere Bereiche anwenden. Auch in der Wirtschaft sollte man Exzellenz anstreben, zu den besten gehören wollen. Bestes Beispiel ist das wallonische Unternehmen Odoo, das gerade erst in die erste Liga aufgestiegen ist.
Auch De Standaard zieht Parallelen zwischen den sportlichen Erfolgen in Tokio und der Realität in der Heimat. Die Medaillen verdrängen vielleicht für den Moment den Frust und die Sorgen, die diesen Sommer beherrschen. Dafür verschwinden sie aber nicht. Die Flutkatastrophe, die vor weniger als einem Monat große Teile der Wallonie verwüstete, hat noch einmal gezeigt, dass dieses Land absolut nicht auf die leider unabwendbar erscheinenden Entwicklungen vorbereitet ist. Bei der Koordinierung der Hilfe hakt es an allen Ecken und Enden. Die bestehenden Strukturen sind einer Herausforderung eines solchen Ausmaßes nicht gewachsen. So einfach ist das.
Gegen dieses Gefühl der Verzweiflung können unsere olympischen Helden ein wirksames Gegengift darstellen. Sie sind der lebende Beweis, dass für denjenigen, der motiviert ist, der langfristige, schwere Anstrengungen auf sich nimmt und der zusammenarbeitet, dass für ihn nichts unmöglich ist. Das ist die wahre Lektion.
Roger Pint