"Ihsane Haouach zum Rücktritt getrieben", titelt Le Soir, nachdem die umstrittene Regierungskommissarin im Institut für die Gleichstellung von Frauen und Männern ihr Amt zur Verfügung gestellt hat. "20 infizierte Jugendliche nehmen klammheimlich Flugzeug zurück nach Hause", so der Aufmacher bei Het Laatste Nieuws. Die flämischen jungen Partyurlauber sind trotz positiver Corona-Tests mit der Hilfe ihrer Eltern aus Spanien zurückgeflogen, während der Großteil ihrer Reisegruppen offiziell und unter strengen Sicherheitsvorkehrungen mit Reisebussen evakuiert worden war.
"Europameisterschaft: Italien und England messen sich im Finale - Kampf um Europas Krone", blickt das GrenzEcho voraus auf Sonntagabend und deckt damit das dritte wichtige Thema des Tages ab.
Zwei Formen eines Mangels an Solidarität
Wer wollte, konnte die Ankunft der "Corona-Busse" mit den infizierten flämischen Jugendlichen mit ihren aufblasbaren Schwimmentlein sogar live mitverfolgen, stichelt Het Laatste Nieuws. Aber wenn wir uns über die Partyurlauber empören, sollten wir dennoch nicht vergessen, dass viele der Jugendlichen wegen der Pandemie noch nicht viele Chancen hatten, ihr Jungsein auch auszukosten. Wir können uns gar nicht vorstellen, wie es ist, zehn Prozent seines Lebens in einer Gesellschaft im Lockdown verbracht zu haben. Dennoch muss die Frage erlaubt sein, ob es statt des Wanderurlaubs in den Ardennen mit den Eltern denn unbedingt der Partyurlaub in dampfenden spanischen Diskotheken sein musste. Dazwischen gibt es doch viele mögliche Zwischenstufen, die weniger riskant gewesen wären.
Andererseits ist es schwierig, einem Siebzehnjährigen zu verübeln, wenn er einen organisierten Partyurlaub bucht, wenn diese Möglichkeit angeboten wird. Fragen müssen aber auch erlaubt sein, warum die Reiseagenturen offensichtlich keinen Notfallplan vorbereitet hatten. Und darüber, wie schlau es war, die Jugendlichen zurück in ihre Familien zu schicken, damit sie das Virus jetzt in ganz Flandern verbreiten können. Vom Risiko, das die nachgewiesenermaßen infizierten Jugendlichen in den Flugzeugen für ihre nichtsahnenden Mitpassagiere dargestellt haben, mal ganz zu schweigen, ärgert sich Het Laatste Nieuws.
Bei allem Verständnis für das Bedürfnis nach den Kontakten und der Unterhaltung, auf die so lange verzichtet werden musste, so muss doch gelten: Was zu Hause als nicht sicher und vernünftig gilt, das macht man auch nicht im Ausland. Egal, wie warm, wie spät, wie gesellig es ist, scheint De Standaard einzuhaken. Und egal, wie locker die Schutzmaßregeln vor Ort durchgesetzt werden. Früher oder später kommt das Ergebnis aus dem Ausland nämlich zurück ins Inland. Die Corona-Zahlen steigen wieder dank des leichtsinnigen Verhaltens einiger Mitmenschen. Und gleichzeitig stockt die Impf-Kampagne, weil Menschen den Pieks ablehnen oder Angst davor haben. Zwei Formen eines Mangels an Solidarität, die uns weiter zu Geiseln des Virus machen, wettert De Standaard.
Vorsorgeprinzip
Hals über Kopf werden jetzt ganze Busladungen mit infizierten Jugendlichen aus Spanien zurückgeholt, kommentiert Het Belang van Limburg. Das war doch vorhersehbar. Dadurch, dass die Einschränkungen gelockert worden sind, bevor die Impfkampagne abgeschlossen war, sind die Fallzahlen wieder in die Höhe geschossen. Das Virus des Sommers 2021 ist auch nicht mehr das gleiche, wie das vom letzten Jahr: Die Delta-Variante ist ansteckender und gefährlicher, wie die Partyurlaub-Episode haarklein vorgeführt hat. Egal, was wir diesen Sommer auch unternehmen, das werden wir berücksichtigen müssen. Das bedeutet, dass wir am besten weiter nach dem Vorsorgeprinzip handeln, bis alle, die das wollen, die zweite Impfung erhalten haben und danach zwei Wochen lang ihren Schutz aufbauen konnten. Diese Vorsicht darf aber nicht abgleiten in einen permanenten Zustand der Angst, unterstreicht Het Belang van Limburg.
Auch Het Nieuwsblad betont, dass der Sommer 2021 nicht mit dem von 2020 zu vergleichen ist, meint das allerdings anders: Ja, die Delta-Variante ist zwar ansteckender, aber vor allem wird der Impf-Schutzwall immer höher – gerade bei den besonders gefährdeten Bevölkerungsgruppen. Alarmierende Ankündigungen über Rekordzunahmen der Fallzahlen sagen deshalb wenig aus. Und sie bewirken auch immer weniger bei den Menschen. Ja, für Feiern und Massenveranstaltungen ist es beim derzeitigen Stand der Impf-Kampagne vielleicht doch noch etwas zu früh. Aber wenn demnächst wieder Entscheidungen über neue Einschränkungen getroffen werden, dann bitte mit kühlem Kopf, auf der Basis der richtigen Parameter. Und wenn möglich, ohne in einer dicken Soße Alarmismus ertränkt zu werden, fordert Het Nieuwsblad.
Künstlich erzeugte Furcht und Doppelzüngigkeit?
In die gleiche Kerbe schlägt auch La Libre Belgique: Wir werden das Virus vielleicht nie komplett besiegen können. Deshalb werden wir lernen müssen, mit ihm zu leben. Wie wir es auch mit den mal schweren, mal weniger schweren Grippeepidemien tun. Noch haben wir zwar die Gruppenimmunität nicht erreicht, aber die Risikogruppen sind geschützt. Und die, die sich jetzt anstecken, sind jünger, sprich der Krankheitsverlauf ist leichter. Warum also jetzt schon wieder diese drohenden, diese Angst schürenden Reden der Experten? Ja, Wachsamkeit muss das Gebot der Stunde bleiben - aber ohne die Moral, die Hoffnungen und die Leben der Menschen zu zerstören. Unsere kollektive Not ist schon groß genug. Künstlich erzeugte Furcht braucht es da nicht auch noch, beklagt sich La Libre Belgique.
L'Avenir empfindet derweil die Kommunikation der politisch Verantwortlichen als doppelzüngig, irritierend und verstörend. Offiziell ist das Virus unter Kontrolle, deswegen dürfen die Urlauber weiter frei ins Ausland und nach Belgien reisen. Gesundheitsexperten wie der Epidemiologe Yves Coppieters und auch der föderale Gesundheitsminister Frank Vandenbroucke (Vooruit) geben sich trotz der unbestreitbar steigenden Zahlen beruhigend. Andererseits soll beim nächsten Konzertierungsausschuss schon wieder über eine Verstärkung der Schutzmaßnahmen gesprochen werden - wie jedes Mal, wenn die Zahlen wieder steigen. Die Wahrheit ist, dass der Impf-Grad der Bevölkerung nicht ausreicht, um die Zunahme der Infektionen zu verhindern. Die Situation wird erst tatsächlich unter Kontrolle sein, wenn alle Risikogruppen geimpft sind, ob sie es nun wollen oder nicht. Bis dahin muss Wachsamkeit das Motto bleiben. Ohne der Paranoia zu verfallen, wünscht sich L'Avenir.
Boris Schmidt