"Freispruch für Trump: 'Tag der Schande'", schreibt das GrenzEcho auf Seite eins. "Die amerikanische Politik von Trump heimgesucht", titelt Le Soir. "Donald Trump freigesprochen, aber ohne Zweifel politisch am Ende", so die Schlagzeile bei La Libre Belgique.
57 von hundert Senatoren haben Donald Trump der Anstiftung zum Aufruhr für schuldig gehalten. Zehn weniger, als notwendig gewesen wären, um Trump zu verurteilen, konstatiert La Libre Belgique. Das war vorhersehbar und erwartet. Denn niemand hat mit einem unparteiischen Prozess gerechnet. Das macht das Ergebnis nicht weniger bestürzend. Und es verheißt wenig Gutes für die amerikanische Demokratie.
Die Anhänger Trumps werden vor allem eines zurückbehalten: Trump ist freigesprochen worden. Was für sie bedeutet, dass er Recht hatte. Recht, das Wahlergebnis hartnäckig zu leugnen. Recht, sich auf imaginären Wahlbetrug zu berufen. Recht, Druck auf politisch Verantwortliche auszuüben, um das Wahlergebnis zu kippen. Recht, seine Anhänger auf das Kapitol loszulassen. Recht, zur Gewalt zu greifen, um seine Wahrheit durchzusetzen. Und letzten Endes Recht, die Institutionen in Gefahr zu bringen, die ein Präsident schwört zu beschützen. 43 republikanische Senatoren werden sich vor der Geschichte für diesen gefährlichen Präzedenzfall verantworten müssen. Und für ihre Verblendung aus schmutzigem politischem Kalkül, wettert La Libre Belgique.
Trumps Schatten über Bidens Präsidentschaft
Bombastisch lächerlich wie gewohnt hat Trump den Sieg für sich beansprucht, kommentiert L'Avenir. Die Demokraten wussten, dass der Prozess zum Scheitern verurteilt war. Ein Ziel haben sie aber erreicht: Dadurch, dass sie sieben Republikaner auf ihre Seite ziehen konnten, haben sie den gegnerischen Clan gespalten. Neben allen anderen Herausforderungen muss Präsident Joe Biden jetzt auch versuchen, die Scherben eines Amerikas wieder zusammenzuleimen, das sein Vorgänger gespalten hat. Das wird durch den Schatten einer möglichen erneuten Kandidatur Trumps 2024 erschwert werden, ist L'Avenir überzeugt.
Auch wenn der Ausgang vorhersehbar war und die Demokraten praktisch nur als Verlierer aus dem Verfahren herausgehen konnten – sie mussten es anstrengen, schreibt das GrenzEcho. Schließlich handelte es sich bei den Ereignissen vom 6. Januar nicht um eine Bagatelle. Aber viel schwerwiegender ist Trumps Leugnung des Wahlsiegs seines Konkurrenten. Damit schädigt Trump das Ansehen der demokratischen Strukturen seines Landes, verunsichert Millionen Amerikaner und untergräbt ihr Vertrauen in die Integrität der US-Demokratie. Und die Republikaner bleiben Gefangene von Trump und dem Trumpismus. Ob es Joe Biden gelingen wird, die Gräben zuzuschütten, die sein Vorgänger aufgerissen hat, ist fragwürdig. Bidens Wirken wird man in vier Jahren daran messen, wie das Land wirtschaftlich da steht, wie viele Chancen es seinen Bürgern offen hält und wie stolz die Amerikaner auf ihre "Große Nation" sein können. Nur so kann er verhindern, dass der Trumpismus zurück an die Macht kommt und sein Gift weiter versprüht, glaubt das GrenzEcho.
Flämische Flurbereinigungsfantasien
Unter anderem Gazet van Antwerpen beschäftigt sich derweil mit dem Aufruf des N-VA-Vorsitzenden Bart De Wever an die flämischen Liberalen und Christdemokraten, einen gemeinsamen Mitte-Rechts-Block zu bilden. Das ist nicht das erste und wohl auch nicht das letzte Mal, dass diese Idee hervorgekramt wird. In den Augen De Wevers sind die CD&V und die OpenVLD die bevorzugten Partner für so eine Konstruktion. Ob diese Parteien das auch so sehen, darf bezweifelt werden. Abgesehen von politischen Differenzen dürfte wohl auch außer Frage stehen, dass die N-VA die Führungsrolle in so einem Mitte-Rechts-Block beanspruchen würde. Und die Antwort auf die Frage, ob die Wunschpartner De Wevers von einer Koalition profitieren würden, liegt irgendwo zwischen "nein" und "wahrscheinlich nicht". Das Ganze wäre vor allem ein Geschenk für die N-VA, weil es deren dominante Position sichern würde. Vielleicht strebt De Wever auch ein De-facto-Zweiparteiensystem wie in den Vereinigten Staaten an. Ob das tatsächlich eine Verbesserung zur aktuellen Lage wäre, ist sehr fraglich, urteilt Gazet van Antwerpen.
Auch Het Belang van Limburg hebt hervor, dass die Wünsche De Wevers zu einer Flurbereinigung der politischen Landschaft weder neu, noch ein rein belgisches beziehungsweise flämisches Phänomen sind. Die Zersplitterung durch neue Parteien macht Politikern das Leben nicht leichter. Stichwort: Koalitionsbildung. Aber die Chance, dass sich Wähler in einem großen Zwei-Fronten-System wiederfinden, ist nicht groß. Egal wie mangelhaft unser aktuelles Koalitionssystem ist, zumindest vermittelt es noch den Eindruck, dass jede Stimme zählt. Den Eindruck, dass fast jede Partei mal mitregieren kann. Wenn auch das noch wegfällt, sind wir noch weiter vom Ziel entfernt als wir es jetzt sind, warnt Het Belang van Limburg.
Die Vorsicht der Regierung scheint sich auszuzahlen
La Dernière Heure schließlich blickt auf die Entwicklung der Coronavirus-Zahlen. Seit zehn Tagen können die Experten melden, dass diese sinken. Gleichzeitig wird mehr getestet, nimmt die Impfkampagne an Fahrt auf und liegt eine eisige Kälteperiode hinter uns, die Viren besonders mögen. Das vorsichtige Handeln der Regierung scheint sich auszuzahlen.
Wann wir mit der endgültigen Erlösung rechnen können, weiß niemand und wagt auch niemand, vorherzusagen. Aber wenn wir unsere Anstrengungen fortsetzen, werden wir dieses Licht am Ende des Tunnels erreichen, das sich jetzt abzeichnet. Halten wir also durch, setzen wir auf den Impfstoff und die Einhaltung der Barrieregesten, um mit der Pandemie fertigzuwerden, appelliert La Dernière Heure.
Boris Schmidt